„Einfach einsteigen“ wollen Mark Wege und Wolfgang Geißler, wenn sie in Zukunft in Bremen Bus oder Straßenbahn fahren, also, ohne vorher ein Ticket ziehen zu müssen. Bräuchten sie nach ihrem Modell auch nicht, weil es schon im Vorhinein über eine monatliche Umlage bezahlt wäre. Seit einigen Monaten wirbt der Verein „Einfach einsteigen“ in Politik und Wirtschaft für ihre Version einer Verkehrswende. Eine von ihm in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage zeigt nun, dass die Bremer die Idee mehrheitlich gut finden.
Das Konzept sieht für die Jahre ab 2023 vor, dass der öffentliche Nahverkehr (ÖPNV) künftig nicht mehr wie bisher über die Einnahmen aus Ticketverkäufen und Subventionen aus dem Haushalt finanziert wird. Stattdessen bezahlt jeder volljährige Bremer monatlich 19,11 Euro (also 229,32 Euro pro Jahr), auch Pendler würden beteiligt. Die andere Hälfte der Kosten tragen die Unternehmen gewinnabhängig über einen, stark vereinfacht gesagt, Aufschlag auf die Gewerbesteuer um rund drei Prozentpunkte von rund 14 auf rund 17 Prozent. Diese Summe müsste zweckgebunden dem Ausbau des ÖPNV zukommen – juristisch allerdings ist gerade Teil der Finanzierung nicht ganz einfach zu lösen.
Auch Touristen könnten über eine höhere Citytax beteiligt werden, und mit drei Euro pro Übernachtung dann quasi ein Tagesticket bekommen. Für Menschen mit geringen Einkommen wäre es auch denkbar, sagen Wege und Geißler, die monatliche Abgabe zu reduzieren. Die staatlichen Subventionen, aktuell rund 75 Millionen Euro von insgesamt rund 181 Millionen Euro, könnten künftig für Investitionen in Schienennetz und Fahrzeuge verwendet werden. „In unseren Gesprächen mit Vertretern der Verbände und Politiker bekommen wir durchaus positive Resonanz für unser Konzept“, sagt Geißler. „Aber wir haben den Eindruck, dass viele glauben, dass es Widerstand bei den Bremern geben würde. Deshalb haben wir die Umfrage erstellen lassen.“
65 Prozent finden das „Einfach einsteigen“-Modell gut
Großen Widerstand scheint es den Antworten zufolge, die 1000 Bremer ab 16 Jahre bei einer telefonischen Befragung des Berliner Instituts Pollytix zwischen dem 14. und 21. Mai gaben, aber nicht zu geben – im Gegenteil. „Zwei Drittel der Befragten finden unsere Idee gut“, sagt Wege. „Für uns ist das die klare Botschaft, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“ 65 Prozent der befragten Bremerinnen und Bremer bezeichneten das „Einfach einsteigen“-Modell als gute Idee, 30 Prozent als schlechte. Und fast ebensoviele, nämlich 62 Prozent, wären „auf jeden Fall“ oder „eher“ bereit, 20 Euro pro Monat für einen verbesserten ÖPNV zu zahlen. 74 Prozent sprachen sich dafür aus, an der Umlagefinanzierung auch Unternehmen zu beteiligen (dagegen: 22 Prozent).
Pollytix fragte für „Einfach einsteigen“ auch nach der generellen Offenheit der Bremer hinsichtlich der Verkehrswende weg vom Auto. Radwege und ÖPNV ausbauen oder mehr fürs Auto tun – in dieser Frage entschieden sich 72 Prozent der Befragten für die Auto-Alternativen. Mit 67 Prozent ebenfalls die Mehrheit befürwortet einen ÖPNV-Ausbau auch dann, wenn der zulasten des Autoverkehrs geht, nur neun Prozent sagen „auf keinen Fall“. Von den Autofahrern könnten sich vor allem die Frauen (54 Prozent) und die Älteren ab 60 Jahre (57 Prozent) vorstellen, künftig häufiger mit Bus und Bahn zu fahren.
„Mit einem umlagefinanzierten Nahverkehr könnte Bremen ein bundes- oder sogar weltweites Vorbild werden“, sagt Wege, der sich wie seine Mitstreiter von „Einfach einsteigen“ wünscht, dass sich die Politik ernsthaft mit ihrem Vorschlag auseinandersetzt. Ein Papier mit ihren Forderungen und Berechnungen wollen sie den Vertretern rechtzeitig zu den Koalitionsverhandlungen überreichen. Außerdem sammeln sie über eine Online-Petition Stimmen, mehr als 3000 Unterstützer hat sie schon.