Dirk Wiese (SPD) verlässt den Saal noch während der Eröffnungsfeier. Der Russlandbeauftragte der Bundesregierung muss seinen Zug bekommen, von der Aula des Landesinstituts für Schule (LIS) in Findorff zurück nach Berlin. Die aktuelle politische Lage zwischen der Ukraine und Russland zwingt ihn zurück in die Hauptstadt. Dass er trotzdem zur Eröffnung der 14. Bundesolympiade der russischen Sprache, Literatur und Kultur nach Bremen gekommen ist, zeigt, wie wichtig ihm diese Veranstaltung ist. „Wir brauchen in Deutschland mehr Menschen, die versuchen, Russland zu verstehen“, sagt Wiese. „Um Austausch und Dialog möglich zu machen, ist es wichtig, Brückenbauer zu haben". Brückenbauer, die diese 82 Schüler werden könnten.
Aus ganz Deutschland sind sie nach Bremen gereist, nur das Saarland und Mecklenburg-Vorpommern hat keine Schüler-Delegation zur Bundesolympiade geschickt. In Vorwettkämpfen auf Landesebene haben sich die Schüler qualifiziert – nun messen sie sich bis zu diesem Freitag um die Medaillen. Seit 1978 findet der bundesweite Sprachwettbewerb statt, organisiert wird er vom Deutschen Russischlehrerverband – in diesem Jahr findet er erstmals in Bremen statt.
„Das ist eine riesige Herausforderung“, sagt der Bremer Mitorganisator und Lehrer Jan Koppelmann. Er unterrichtet Russisch und ist im Vorstand des Vereins der Russischlehrer und Slawisten im Land Bremen. Seit etwa anderthalb Jahren laufe die Organisation, von der ersten Planung bis zur Umsetzung.
Größe des Vereins zeigt, wie es in Bremen um das Schulfach Russisch steht
Eine Mammutaufgabe für ein paar Handvoll Leute. Insgesamt seien sie etwa 15 Helfer gewesen, die Arbeitsgruppe der Russischlehrer und Slawisten bestehe in Bremen generell nur aus 20 Menschen, sagt Koppelmann. Davon seien aber einige auch schon pensioniert oder an der Universität tätig. Die Größe des Vereins zeigt, wie es in der Hansestadt um das Schulfach Russisch steht.
„Das Gefühl ist, dass das Fach ausstirbt“, sagt Tobias Carus, er arbeitet am LIS unter anderem an der Ausbildung für Russischlehrer. Die Schülerzahlen seien rückläufig, es gebe kaum Schüler, die Russisch als Fremdsprache lernen. Die Schüler, die es in den Russischkursen an Bremer Schulen noch gebe, seien überwiegend Mutter- oder Herkunftssprachler.
Aber deswegen sei es so wichtig gewesen, die Olympiade nach Bremen zu holen: „Um zu zeigen, es gibt noch Russischlehrer, die auch wirklich engagiert sind“, sagt Carus. Und: „Es gibt noch das Fach Russisch.“ Eine Russisch-Tradition gebe es trotzdem an manchen Bremer Schulen, das ist Jan Koppelmann wichtig. Die Oberschule an der Lerchenstraße etwa, seit mehr als 30 Jahren gebe es dort Russischunterricht – und auch einen Schüleraustausch mit einer Schule in St. Petersburg.
Koppelmann sagt, dass Russisch schon immer eine exotische Sprache in der Schule gewesen sei. Aber: „Das schweißt zusammen.“ Die Schüler – aber auch die Lehrer. Gemeinsam haben die Bremer Russischlehrer die Aufgaben für die Schüler entwickelt. Eigene Aufgaben für jedes Sprachniveau. Getestet werden lesen, schreiben und das Hörverständnis. Dafür wurden Prüfungstexte extra von Muttersprachlern eingesprochen.
Die Olympiade führte die Schüler auch für eine Recherche in verschiedene Bremer Institutionen, etwa in die Bürgerschaft, das Overbeck-Museum – und zum WESER-KURIER. Dort konnten die Schüler den stellvertretenden Chefredakteur Marcel Auermann alles fragen: Vom Arbeitsalltag eines Journalisten, über die Geschichte des WESER-KURIER bis zu seinem persönlichen Werdegang. Die Ergebnisse ihrer Recherche müssen die Schüler dann in einer Präsentation zeigen – natürlich auf Russisch.
Alle Aufgaben, die die Schüler zu meistern haben, werden von einer 26-köpfigen Jury bewertet. Die Sieger werden dann an diesem Freitagabend gekürt. Es gehe jedoch nicht nur ums Gewinnen, sondern auch um den Spaß. „Das Gemeinschaftserlebnis steht im Mittelpunkt“, das steht sogar offiziell im Programm. Und deswegen bleiben die Schüler alle gemeinsam noch bis Sonnabend in der Hansestadt, bevor es zurück geht nach Bayern, Thüringen oder Schleswig-Holstein.