Noch ist es November, doch wenn man der Kindergartengruppe vom Haus Huckebein aus Sebaldsbrück zuschaut, fällt es denn doch schwer, den Ohrwurm „In der Weihnachtsbäckerei“ von Rolf Zuckowski nicht immer und immer wieder im Kopf abzuspielen. „Wir bauen ein Haus“, erklärt Erzieherin Waltraud Kieb-Lamberti. „Von einer Hexe!“ ruft die dreijährige Lena dazwischen. Streng gesehen bauen sie nicht nur eins, sondern elf und einer echten Hexe werden diese elf Häuschen wohl nicht gehören. Denn bis dahin dürfte dank tatkräftiger Mitnascher schon nichts mehr übrig sein.
Es ist Dienstagvormittag und die Konditorei Knigge in der Sögestraße ist recht leer. Geht man ganz nach hinten durch, vorbei an den Schaukästen mit verlockenden Torten, trifft man auf eine Treppe.
Auf den Stufen nimmt man bereits den hohen Lautstärkepegel wahr. Auf einem dicken dunkelroten Teppich liegen verstreut kleine bunte Rucksäcke. Deren Besitzer, elf Kindergartenkinder, sitzen auf den gepolsterten Stühlen und lassen ihre Beine baumeln. Sie frühstücken. „Die Kinder sind drei bis sechs Jahre alt“, sagt Kieb-Lamberti, während sie versucht, einem der Kinder sein Butterbrot schmackhaft zu machen.
Naschen, kleben, naschen
Der dreijährige Alperen ist noch nicht lange in der Gruppe. Ob er aufgeregt ist angesichts der bevorstehenden Aufgabe? „Nein“, sagt er schlicht, „Busfahren!“ Offenbar fand er die Fahrt in die Innenstadt besonders spannend. Nach einigen Minuten genüsslichem Kiwi-, Brot- und Apfelnaschens ist es dann soweit. „Jetzt dürft ihr runtergehen und Lebkuchen bekleben, Gabi hat extra Süßigkeiten gekauft“, verkündet Kieb-Lamberti und ihre Kollegin holt eine volle Stofftasche hervor. Sofort ist die Aufmerksamkeit der Kinder nicht mehr beim Sitznachbarn, dem kleinen Zierbrunnen oder dem Frühstück. „Ja, Süßigkeiten!“ rufen sie begeistert – fast so als hätten sie es einstudiert.
Runter geht’s in die Backstube. Schon auf der Treppe riecht es süßlich, gerade kam frischer Klaben aus dem Ofen. Schneebesen hängen an den Wänden, Tiefkühlschränke brummen. Mitarbeiter gucken belustigt dem Kindertross zu. Ein hoher, silberner Metalltisch steht bereit und darauf: elf kleine braune Lebkuchenhäuser, jeweils mit Hexe, Hänsel- und einer Gretel-Figur aus Zucker. Damit sie wirklich an ihre Arbeitsfläche rankommen, stellen sich die Kinder auf graue Kisten.
Die Süßigkeiten werden auf dem Tisch ausgebreitet: Marshmallows in Herzform, Gummibärchen, grüne Frösche, Smarties und Schokoplätzchen. Nun muss nur noch Eiweißspritzglasur auf die Häuschen verteilt werden, dann beginnt das große Kleben.
„Wir machen so was etwa zwei- bis dreimal in der Weihnachtszeit,“ sagt Harald Knigge, Urenkel des Firmengründers. Vor der Kindergartengruppe Haus Huckebein ging dieses Jahr schon eine andere in der Konditorei zu Werke. „Zu Ostern kommen auch Gruppen zu uns, dann backen wir Plätzchen“, sagt sein Bruder Andreas Knigge.
Nach etwa 20 Minuten sind die ersten Häuschen fertig. Die dreijährige Marla hat minimalistisch gedacht und nur Smarties für die Seiten benutzt. „Ich hab das schon mal mit meiner Mama gemacht“, erzählt die vierjährige Lena. „Und mit Oma“, ergänzt sie, während sie sorgfältig ein Gummibärchen auf das Dach ihres Hexenhauses setzt. Andere scheinen weniger erfahren. Ein Junge hat wiederholt versucht, Gretel auf der Dachschräge zu platzieren – ohne Erfolg. Alle fertigen Kunstwerke kommen auf ein großes silbernes Blech.
Mit nach Hause nehmen darf sie noch keiner. „Erst einmal müssen sie trocknen. In der ersten Dezemberwoche dann werden sie an die Kinder verteilt, sonst sind sie ja bis zur Weihnachtszeit schon weg“, sagt Kieb-Lamberti. Damit das Ganze ohne Tränen abläuft, kommt auf jedes Häuschen der Name des Kindes, bevor die Gruppe wieder in den Bus steigt und die, von Alperen freudig erwartete, Fahrt zurück nach Sebaldsbrück antritt.