Im Ganzen waren es nur wenige Stunden, mehr nicht. Zwei kurze Verhandlungstage zum sogenannten Bamf-Skandal, und schon war am Dienstag kurz vor Mittag das Ende da. Der Prozess gegen die ehemalige Leiterin der Bremer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) wurde vom Landgericht gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt.
Wenige Stunden im Ganzen, die einen Vorlauf von dreieinhalb Jahren hatten und mit Ermittlungen der Staatsanwaltschaft verbunden waren, wie es sie in diesem Umfang in Bremen vorher noch nicht gegeben hat. Der angebliche Skandal und seine Verarbeitung werden in die Justizgeschichte eingehen.
Der letzte Prozesstag für die angeklagte Regierungsdirektorin begann hinter verschlossenen Türen mit einem Rechtsgespräch. Alle Beteiligten hatten vorher signalisiert, zu einer schnellen Einigung kommen zu wollen. Und so geschah es. Die Vorsitzende Richterin zog in ihrem Beschluss Paragraf 153 der Strafprozessordnung heran. Er kommt zum Tragen, wenn die Vorwürfe so geringfügig sind, dass von einer Verfolgung abgesehen werden kann – in diesem Fall unter der Bedingung, dass gezahlt wird: 10.000 Euro, fällig innerhalb der nächsten sechs Monate. Das ist die Geldauflage.
Gegen den mitangeklagten Rechtsanwalt aus Hildesheim wird weiter verhandelt. Die Prozessbeteiligten konnten sich in seinem Fall noch nicht auf die Höhe der Geldauflage einigen.
„Ein einigermaßen versöhnlicher Abschluss“
Die Angeklagte, nun war sie es schon nicht mehr, stand auf und verschwand. Ihr Anwalt improvisierte vor laufenden Kameras eine kleine Pressekonferenz, denn wieder waren die Medien stark vertreten. Johannes Eisenberg betonte, dass seine Mandantin ohne den Makel einer Strafe und mit keiner Feststellung der Schuld aus der Hauptverhandlung ausgeschieden sei. "Wir hätten auf Freispruch verteidigt", sagte der Anwalt. Angesichts der schwierigen Rechtsfragen und der zu erwartenden Belastung für die Mandantin durch weitere, dann möglicherweise unzählige Prozesstage hätten sie sich aber zur Einstellung entschlossen. „Ein einigermaßen versöhnlicher Abschluss“, so Eisenberg.
Als die Affäre begann, war von mehr als 1000 Verdachtsfällen die Rede. So oft sollte die Amtsleiterin zusammen mit Rechtsanwälten gegen die Asylgesetze verstoßen haben, um Flüchtlingen den Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen. Das Bamf erkannte früh, dass diese Zahl viel zu hoch gegriffen war. Es schloss nach Prüfung der Akten aus, dass es einen „flächendeckenden Asylbetrug“ gab und sprach stattdessen von einem „fehlgeleiteten Amtsverständnis der Akteure“. Als die Staatsanwaltschaft auf Grundlage der Arbeit einer 45-köpfigen Ermittlungsgruppe Anklage erhob, umfasste sie 121 Fälle. Zur Hauptverhandlung zugelassen wurden 22. Und auch davon hatte am ersten Prozesstag nicht mehr viel Bestand.
Aus Eisenbergs Sicht hat sich seine Mandantin als Amtsleiterin nicht falsch, sondern im Gegenteil richtig verhalten: „Sie hat mit ihren Bescheiden geltendes Recht angewandt und ist dabei von den Gerichten in jedem Fall bestätigt worden.“ Einzelnen Kollegen im Bamf sei das offenbar aufgestoßen, sie hätten eine Amtsleiterin denunziert, die mit großem Fleiß gearbeitet habe. „Das war Neid und Missgunst“, kritisierte der Anwalt. Einen Rochus hat Eisenberg auch auf die Medien, sie hätten das ihnen zugespielte Material fahrlässig aufgebauscht: „Der Bamf-Skandal ist vor allem ein Skandal der Presse.“
Grüne und Linke in Bremen reagierten am Dienstag mit scharfer Schelte: „Der vermeintliche Bamf-Skandal hat sich als ein Skandal von Vorverurteilungen und Angriffen auf das Asylrecht entpuppt“, erklärte Grünen-Fraktionsvorsitzender Björn Fecker. Der geschürte Generalverdacht des Bundesinnenministers gegen die Bremer Bamf-Außenstelle sei völlig unbegründet gewesen. Mit der Verfahrenseinstellung habe der Rechtsstaat bewiesen, dass er auch in einer aufgeheizten Atmosphäre funktioniere, so Fecker.
Linken-Fraktionschefin Sofia Leonidakis richtetet die Aufmerksamkeit vor allem auf die ehemalige Amtsleiterin: "Für sie endet ein jahrelanger öffentlicher Spießrutenlauf, die Vorverurteilung durch politisch Verantwortliche und einige Medien sowie ein massiver Ermittlungsdruck." Auf der Anklagebank des Gerichts habe die Frau nur an zwei Verhandlungstagen gesessen, auf der öffentlichen Anklagebank aber über viele Jahre. Leonidakis: „Es wird politisch aufzuarbeiten sein, wie es zu bestimmten öffentlichen Aussagen kommen konnte. Es wird aufzuklären sein, ob einseitig ermittelt wurde." Die Linken haben zu diesem Komplex vor ein paar Tagen eine Kleine Anfrage an den Senat gerichtet.
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