Keine vier Fahrspuren mehr, sondern nur noch zwei. Tempo 30. Und viel Platz für Radfahrer. Das könnte das Ergebnis sein, wenn im kommenden Jahr zunächst provisorisch die Martinistraße umgestaltet wird. Am Donnerstag sind diese Grundgedanken einem Gremium zur Fortschreibung des Verkehrsentwicklungsplans vorgestellt worden. Umgesetzt werden soll das Konzept im kommenden Frühjahr. Die Kosten belaufen sich auf 1,3 Millionen Euro.
Die Martinistraße wird schon lange als Hemmnis für die Innenstadtentwicklung betrachtet. Immer wieder war versucht worden, die 800 Meter lange Verbindung zwischen Brill und Tiefer auf zwei Spuren zurückzubauen. Politisch ließ sich das am Ende aber nicht durchsetzen, weil es starke Bedenken der Wirtschaft gab. Diese Zeiten sind vorbei. Auch die Handelskammer ist nun auf der Seite derer, die sich von der zwölf Meter breiten Schneise verabschieden wollen. Als der Senat im August ein Aktionsprogramm für die darbende Innenstadt beschloss, war einer der Punkte die Umgestaltung der Martinistraße zum Erlebnisraum. Verstanden wird das als erster Schritt hin zu einem kompletten Umbau.
„Nach jahrelangen Diskussionen packen wir die Martinistraße jetzt an, und zwar mit Volldampf“, bestätigt Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne) die Information. Sie wertet das Projekt als Auftakt für eine klimafreundliche Innenstadt. Der Plan ist, im Januar einen Workshop zu veranstalten, um mit den Ergebnissen ein Konzept zu entwickeln, das wenige Monate danach verwirklicht werden soll. In die Betrachtung fließt nach Vorstellung der Behörde nicht nur die Straße ein, sondern auch ihr Randbereich. Dort sollen Flächen für Events zur Verfügung gestellt werden.
Zwei Varianten sind aus den Skizzen ersichtlich, die präsentiert wurden. Eine zeigt die Martinistraße als Fahrradstraße, die den Autoverkehr nur noch nachrangig zulässt. Die zweite sieht zwei reguläre Fahrspuren für Autos und einen separaten Streifen für Fahrräder vor. In beiden Fällen würde Tempo 30 gelten. Im Ganzen ist das ein Ansatz, den die Verkehrsbehörde ausdrücklich als Diskussionsgrundlage verstanden wissen will. Entscheidungen gebe es noch keine.
Nicht im Dauerstau ersticken
Die Martinistraße dient heute hauptsächlich als Durchgangsstraße. Sie wird dann von Fahrern benutzt, die zum Beispiel vom Osterdeich auf die B 75 wollen oder umgekehrt. An den Wochenenden röhren oft Autoposer die Straße rauf und runter. Eine Verkehrszählung hatte vor einem Jahr ergeben, dass an einem normalen Werktag zwischen 5 Uhr morgens und 22 Uhr abends in beiden Richtungen etwa 13.000 Fahrzeuge unterwegs sind. Samstags sind es demnach während der gleichen Stunden gut 9200 Fahrzeuge. Für die Verkehrsbehörde ist das der Beleg dafür, dass die Martinistraße nicht Gefahr läuft, nach einem Rückbau im Dauerstau zu ersticken. „Eine zweispurige Straße kann zwischen 18.000 und 20.000 Fahrzeugen aufnehmen“, hatte Ressortsprecher Jens Tittmann die Zahlen kommentiert. Die Ableitung des Verkehrs sei aber nur die eine Seite der Medaille. Noch wichtiger sei, die Martinistraße als städtischen Raum zu entwickeln. Tittmann: „Die Straße hat das Potenzial einer 1-B-Lage.“
Eine weitere Idee für die Erprobungsphase ab Frühjahr ist nach Darstellung der Behörde ein neuer Platz. Die Martinistraße wäre dann eine doppelte Sackgasse. Autofahrer, die vom Brill oder vom Tiefer kommen, müssten wenden. Gedacht werde für den Platz an eine Fläche der Martinistraße in Höhe der Pieperstraße.
Wenn die Martinistraße demnächst provisorisch schmaler und dies später sozusagen in Beton gegossen wird, ist das nicht der erste Rückbau. Vor 20 Jahren gab es schon einmal einen, damals blieb es zwar bei den vier Fahrspuren, sie wurden aber kräftig angeknabbert, um großzügig gebaute Bürgersteige anzulegen und Bäume zu pflanzen. Die Straße war danach nicht mehr 18 Meter breit, sondern nur noch zwölf Meter, so wie das bis heute der Fall ist.
Geschlagen wurde die Schneise nach dem Krieg. Der Senat wollte damals, dass der Marktplatz umfahren wird und ordnete die Straßenverbindungen neu. Maßgabe war unter anderem, die Martinistraße zu verbreitern und bis zur Brill-Kreuzung zu verlängern, wo sie auf die Bürgermeister-Smidt-Straße trifft. Die Planungen begannen Anfang der 1950er-Jahre. Es dauerte aber seine Zeit, bis das Projekt verwirklicht werden konnte. 1968 waren die Bauarbeiten abgeschlossen, seitdem werden Altstadt und Weser von einem Asphaltband getrennt, das mit den Jahren zwar schmaler geworden ist, aber nicht viel vom Charakter einer Barriere verloren hat.