Wie bewerten Sie den Stand der Verkehrswende in Bremen?
Uta Bauer: Insgesamt kann man sagen, dass es eine Verkehrswende in Deutschland kaum gibt. Der motorisierte Individualverkehr wächst immer weiter. Es ist auch in Bremen zu erleben, dass immer mehr Autos den gleichen Straßenraum belasten. Ein grundsätzliches Umsteuern hat nicht stattgefunden. In Bremen ist die Situation aufgrund des relativ hohen Anteils an Fahrradfahrern und dem gut ausgebautem stationären Carsharingangebot vergleichsweise etwas besser als in anderen Städten. Grundsätzlich haben alle Städte mit den gleichen Problemen zu kämpfen.
Wo hakt es am meisten?
Das größte Problem ist, dass der Autoverkehr im Straßenverkehrsrecht Privilegien genießt, die aus einer Zeit stammen, in der man den Autoverkehr fördern wollte. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Der Leistungsfähigkeit des fließenden Verkehrs müssen sich andere Verkehrsteilnehmer unterordnen. Das führt an Ampeln zu langen Wartezeiten für Fußgänger, oder engen Seitenräumen, die sich Fußgänger und Radfahrer noch teilen müssen, trotz unterschiedlicher Geschwindigkeiten.
Wie sind diese Probleme zu lösen?
Ein wichtiger Schritt wäre es, zu schauen, welche Nutzungen im Verkehr inaktiv sind – also das Parken. Verschiedene Statistiken belegen, dass Autos im Durchschnitt 23 Stunden am Tag nicht genutzt und nur eine Stunde bewegt werden. Amsterdam oder Kopenhagen haben das zum Anlass genommen, um als erstes an die Parkflächen ranzugehen. Das würde ich jeder Stadt empfehlen. Auch in Bremen wird illegales Parken – wie das Gehwegparken – toleriert. Da müssen die Städte dringend schrittweise umsteuern. Die Stellplätze müssten zudem reduziert werden, denn es ist nachgewiesen, dass Parkflächen den Verkehr erzeugen.
Was sollte also getan werden?
Die Stadt müsste die Parkgebühren erhöhen. In Bremen kostet ein Parkplatz durchschnittlich maximal zwei Euro pro Stunde – das ist zu billig. Der ÖPNV erhöht seine Preise fast jährlich, die Parkgebühren in Bremen wurden lange nicht mehr angepasst. Da tut sich eine Lücke auf. Es gibt Ideen, dass beispielsweise E-Autos oder Kleinwagen weniger Parkgebühren zahlen, es für Carsharing umsonst ist und beispielsweise Geländewagen (SUVs), weil sie mehr Fläche brauchen, mehr zahlen.

Uta Bauer ist Teamleiterin Stadt- und Regionalverkehr.
Das Parken ist also der Schlüssel?
Es ist doch paradox, überall wo Parken nicht ausdrücklich verboten ist, ist es erlaubt. Daraus kann man fast ein Grundrecht ableiten. Das müsste eigentlich umgekehrt sein. Das Falschparken muss zudem mehr kontrolliert werden. Es kann nicht sein, dass man fürs Schwarzfahren 60 Euro zahlt und als Wiederholungstäter mit einem Bein im Gefängnis steht, aber Falschparker nur 15 bis 20 Euro zahlen müssen und es so oft machen können wie sie wollen. Im internationalen Vergleich sind wir bei den Bußgeldern für Falschparker sehr billig. Die Strafen müssen kräftig hoch, um Kommunen mehr Steuerungsinstrumente an die Hand zu geben.
Welche Schritte gehören noch dazu?
Natürlich muss auch der öffentliche Nahverkehr (ÖPNV) attraktiver werden. Das 365-Euro-Jahresticket in Wien ist sehr erfolgreich und lockte viele Menschen in Busse und Bahnen. Das wird ja auch in Bremen diskutiert. Dem Rad- und Fußverkehr muss zudem mehr Platz eingeräumt werden. Dazu braucht man Flächen. Wir können den Verkehrsraum in der gebauten Stadt nicht vergrößern, sondern er muss umverteilt werden. Städte wie Freiburg, München, Karlsruhe oder Münster bemühen sich bereits sehr. Das ist aber auch mit unheimlich viel Widerstand verknüpft. Parkraummanagement muss vorbereitet und kommuniziert werden. Die Politik ist da in Bremen wie in vielen Städten ein Hemmschuh, die Verwaltung würde aber gerne mehr machen und ist in der Hinsicht schon weiter. Hinzu kommt, dass es der Bundesgesetzgeber den Kommunen nicht leicht macht.
Das Interview führte Pascal Faltermann.
Uta Bauer (61) ist als Diplom-Geografin seit 2015 wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Deutschen Institut für Urbanistik in Berlin. Seit 2018 ist Bauer Teamleiterin Stadt- und Regionalverkehr.
Weitere Informationen
Die Bewirtschaftung von Parkraum ist Thema eines Fachtags an diesem Dienstag, zu dem das Bremer Bündnis für die Verkehrswende einlädt. Ab 15 Uhr spricht im Wallsaal der Stadtbibliothek (Am Wall 201) auch Uta Bauer. Die Teilnahme am Fachtag ist kostenlos, Anmeldung per E-Mail an: bremen@vcd.org.