In Bremen existiere bis jetzt keine übergeordnete gleichstellungspolitische Strategie, die alle Themenfelder sowie Verwaltungshandeln begleite. Zu diesem Ergebnis kommt die Bremer FDP-Fraktion und hat eine große Anfrage an den Senat vorbereitet. Mit 19 detaillierten Fragen wollen die Liberalen die Situation in der Hansestadt beleuchten und hinterfragen.
„Ich habe das Gefühl, dass Bremen nach außen immer die Vorzeigestadt in Sachen Gleichstellung sein will, der Senat aber keine Gesamtstrategie hat“, sagt FDP-Fraktionschefin Lencke Steiner. Die Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF) mache einen „super Job“, ist sich Steiner sicher. Allerdings sieht sie bei Themenfeldern wie beispielsweise Frauen in Führungspositionen, Männern in Elternzeit oder der Kommunikation in der Verwaltung einen „dringenden Handlungsbedarf“.
Geschlechter- und Gleichstellungsfragen seien in allen Lebens- und Politikbereichen relevant, heißt es in der großen Anfrage der Liberalen: von der Arbeitsmarkt- und Familienpolitik, über die Gesundheitspolitik bis zur Steuerpolitik. Diese Fragen betreffen in Bremen zudem Themen wie die hohe Frauenarbeitslosigkeit.
Flexible und an familiäre und berufliche Strukturen angepasste Betreuungszeiten könnten die Leistungsfähigkeit und Lebensqualität aller Geschlechter stärken, und würde allen gleichermaßen zugutekommen, heißt es von der FDP. „Diese Probleme können aber nur angegangen werden, wenn der Thematik Aufmerksamkeit gewidmet wird“, betont Steiner.
In Bremen gebe es bei Gleichstellungsthemen auch ein Ungleichgewicht auf der männlichen Seite. Dazu gehört die Tatsache, dass von städtischen Kulturangeboten nachweislich stärker Frauen angesprochen werden als Männer, oder dass es bislang keine ausgearbeitete Beratungsstruktur für von (sexualisierter) Gewalt betroffene Männer gebe. „Über solche Dinge müssen wir dringend reden“, sagt Steiner.
Durch die Anfrage wolle man den Fokus auf die Gleichstellungsfragen lenken. Um Empfehlungen abzugeben, brauche die Politik aber Antworten und Daten, die man nun vom Senat einfordere. „Wir wollen ein klares Bekenntnis zur ZGF und auch mehr Geld für deren Budget“, sagt Steiner.
Gleichstellung von Frauen und Männern ist ein Grundprinzip
Ein weiterer Kritikpunkt: Bremen hat die Europäische Charta für die Gleichstellung für Männer und Frauen nicht unterzeichnet, heißt es in der großen Anfrage der Liberalen. Gleichstellung von Frauen und Männern ist ein Grundprinzip des Gemeinschaftsrechts der Europäischen Union. Mit der Unterzeichnung der vom Europarat initiierten Europäischen Charta erklären sich die unterzeichnenden Städte und Länder bereit, einen Aktionsplan zu erarbeiten.
Die Landesfrauenbeauftragte für Frauen und ZGF-Leiterin, Bettina Wilhelm, verweist darauf, dass Bremen die Charta damals nicht unterzeichnet habe, weil das Land im Prozess schon ein paar Schritte weiter gewesen sei, als das, was die Charta forderte. Die jetzige FDP-Anfrage begrüßt Wilhelm, ohne sie genau zu kennen. „Es ist gut, dass auf das Thema der Blick geworfen wird“, sagt sie.
Denn „mehr geht immer“ bei Inhalten und Personal. Es sei keineswegs planlos, wie Bremen beziehungsweise die ZGF arbeite. Zwar gebe es nicht den großen Gesamtplan, aber sehr wohl Strategien, mit denen man Erfolge und Fortschritte erreicht habe. Die Frauenförderung nach innen, also in den Ressorts, sei schon ein älteres Thema, dessen Wirksamkeit man auf den Prüfstand stellen müsse, so Wilhelm. So gebe es derzeit eine Evaluation zusammen mit dem Finanzressort. Man wolle den Fokus verstärkt auf die Inhalte und nicht hauptsächlich auf die Prozesse legen.
Beim Gender-Mainstreaming – einer Strategie zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter – gebe es sicherlich noch „Weiterentwicklungsbedarf“. Dazu gebe es ja derzeit unter anderem den öffentlichen Gleichstellungsausschuss.