Den Mut, Frieden zu bewahren und das kritische Geschichtsbewusstsein zu schärfen – das waren die zentralen Forderungen bei der Gedenkveranstaltung vor dem Volkstrauertag an diesem Sonntag. Der Bremer Landesverband des Volksbunds Deutscher Kriegsgräberfürsorge hatte dazu am Samstag ins Rathaus geladen.
Der Landesvorsitzende Dietmar Werstler erinnerte in seiner Eröffnungsrede an die Gründung des Volksbunds vor 100 Jahren und die Einführung des Volkstrauertags. Er betonte, die moderne Erinnerungskultur und Friedenspädagogik dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Organisation während des Nationalsozialismus willentlich dessen Agenda unterworfen habe. „Heute schauen wir zurück auf die Schrecken des Krieges. Aber wir schauen auch voraus auf die Bewahrung von Frieden, Demokratie und Menschenrechten.“
Zentraler Teil der Veranstaltung war die Rede von Jens-Christian Wagner. Der Geschäftsführer der Stiftung niedersächsischer Gedenkstätten sprach sich für ein grundlegendes Umdenken in der Erinnerungskultur aus. Er hielt sich auch mit Kritik an der Geschichte des Vereins nicht zurück. „Der Volksbund war zehn Jahre nach seiner Gründung eine das System tragende Massenorganisation des NS“, sagte er. Ein Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus und eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Verbandsgeschichte sei nach Neugründung des Bunds kurz nach Kriegsende weitestgehend unterblieben.
Das sei heute zwar anders, betonte Wagner anschließend, die damit verbundene Erinnerungskultur in Deutschland sei für ihn jedoch nicht hinnehmbar. Unterschiedslos würden die Kriegstoten des 20. Jahrhunderts beweint. „Die jüdischen Opfer von Massenerschießungen ebenso wie die deutschen Soldaten, die als Schützen an den Mordgräben gestanden haben.“ Das ersetze Geschichtsbewusstsein durch bloße Pietät und vermenge die Ursache und die Wirkung von Krieg und Verbrechen.
Eine zukunftsgerichtete Erinnerungskultur
Wagner forderte eine zukunftsgerichtete Erinnerungskultur, in der stärker nach Tätern, Mittätern und Profiteuren und weniger nach den Opfern gefragt werde. „Die Identifikation mit den Opfern des NS ist meines Erachtens eine Anmaßung, die ich auch in meiner täglichen Arbeit in den Gedenkstätten erlebe“, sagte er. Der Geschäftsführer beklagte, die Fixierung auf vermeintlich willenlose Opfer degradiere diese zu bloßen Objekten. Widerstand während der NS-Zeit würde heute gesellschaftlich kaum wahrgenommen. Anschließend schloss Wagner seine Rede mit der Forderung nach mehr Reflexion in der Erinnerungskultur. Nachdenken und forschendes Lernen seien zwar mühsam, aber würden sich lohnen. „Auch am Volkstrauertag, aber vor allem an den übrigen 364 Tagen im Jahr.“
Auch Bremens Bürgermeister Andres Bovenschulte (SPD) gehörte zu den Rednern der Gedenkveranstaltung. Er blickte zurück auf die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts. „Die Gründung des Völkerbundes 1919 war getragen vom Gedanken der Völkerverständigung, nicht von der des Völkerhasses“, sagte Bovenschulte, der auf die Werte der damaligen Weimarer Republik verwies. Das positive Versprechen der Erinnerungskultur sei deshalb die Forderung nach „Nie wieder Faschismus“, die heute am Bunker Valentin in Farge verewigt sei.
Viel Applaus erntete der Bürgermeister für sein Lob für die Arbeit des Volksbundes. Diese sei „ein klares Signal für eine bessere Welt“. Nicht nur die Jugendarbeit des Bundes zeige, dass Erinnerungskultur auch etwas für jüngere Menschen sei. „Es gelingt uns, die Verbindung von Jugend und Erinnerungskultur herzustellen. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Strategie, die wir hier in Bremen fahren, gelungen ist“, sagte Bovenschulte.
Veranstaltungen zum Volkstrauertag
An diesem Sonntag um 15.00 Uhr wird in der Kapelle auf dem Osterholzer Friedhof die zentrale Gedenkveranstaltung und Kranzniederlegung zum Volkstrauertag stattfinden. Zu Gast sind unter anderem Bürgerschaftspräsident Frank Imhoff (CDU) und Bürgermeisterin Maike Schäfer (Grüne). Eine Übersicht zu den Gedenkveranstaltungen in den Stadtteilen findet sich unter www.kirche-bremen.de.