Wer über die Bürgerweide läuft, kann es nicht übersehen: Der Freimarkt ist (noch) in vollem Gange – und das angeblich zum 984. Mal. So heißt es auf dem offiziellen Infoflyer, der für das Bremer Volksfest wirbt – und ebenfalls auf der Freimarkt-Homepage. Aber stimmt das überhaupt? Klar ist: Der beurkundete Geburtstag des Bremer Freimarkts ist der 16. Oktober 1035. „Vater“ des Marktes war Konrad II., damals Kaiser des Heiligen Römischen Reichs. Er bestätigte in jenem Jahr das Recht der Bremer, zweimal im Jahr einen Markt abzuhalten – und der erste Termin sollte am 16. Oktober sein. Und klar ist auch: Wenn man zu diesem offiziellen Geburtstag 984 Jahre addiert, landen wir im Jahr 2019 – und damit bei der diesjährigen Auflage des beliebtesten Bremer Volksfests.
Pause in den Kriegsjahren
Doch die Geschichte hat einen Haken. Denn der Freimarkt hatte seit damals durchaus seine Unterbrechungen. In den Kriegsjahren 1914 bis 1918 zum Beispiel. Und auch in den Jahren 1940 bis 1944 fiel der Freimarkt aus, denn die beleuchteten Marktstände boten ein leichtes Ziel bei feindlichen Bombenangriffen. Im Oktober 1945, der Krieg war erst wenige Monate beendet, nahmen die Schausteller des „Verbandes Ambulanter Gewerbetreibender“ ihren Betrieb mit Erlaubnis der amerikanischen Militärregierung wieder auf. Wenn auch in kleinem Rahmen, denn große Teile der Bürgerweide waren unter Schuttbergen begraben oder von Notunterkünften belegt, in denen Kriegsflüchtlinge und Menschen lebten, deren Häuser zerstört waren.
Streng genommen feiert der Freimarkt also seinen 984. Geburtstag, aber erst seine 974. Auflage. „Das war mir so gar nicht bewusst“, sagt Rolf Herderhorst, Geschäftsführer des Vereins der Schausteller und Marktkaufleute Bremen. „Es wurde auch in diesen Jahren anscheinend einfach fortgeschrieben.“ Und auch der Vorsitzende des Bremer Schaustellerverbands, Rudolf Robrahn, ist überrascht, dass Geburtstag und Auflage nicht zueinander passen. „Das vergessen wir lieber schnell wieder“, sagt er. Robrahn verweist darauf, dass ohnehin niemand so ganz genau wisse, wann der Freimarkt überhaupt erstmals stattgefunden habe.
Tatsächlich: Schon im Jahr 888 erhielt Bremens Bischof Rimbert vom damaligen König Arnulf die „Verfügung über Markt, Münze und Zoll“ – und damit die Erlaubnis, einen Markt abzuhalten. Allein, ob der Markt auch stattfand, ist nicht dokumentiert. Und selbst wenn: „Für den ältesten Jahrmarkt Deutschlands reicht es auch dann nicht“, gibt Robrahn zu. Da gebe es schließlich die Konkurrenz aus Paderborn (seit 836) und Bad Hersfeld (seit 852). „Aber die Hauptsache ist, dass wir in 16 Jahren den 1000. Geburtstag feiern können.“