200.000 E-Mails haben die Ermittler angeschaut und durchsucht. Aktenberge gewälzt, Laptop, Computer und die privaten Konten des Bürgerschaftsabgeordneten Patrick Öztürk durchleuchtet. Doch die Bremer Staatsanwaltschaft musste die Ermittlungen gegen den früheren SPD-Parlamentarier wegen des Verdachts auf massenhaften Sozialbetrug in Bremerhaven einstellen – es wird in diesem Punkt für ihn keine Anklage geben. Gegen Patrick Öztürk wird allerdings weiterhin wegen Veruntreuung ermittelt. Das gab Bremens Leitender Oberstaatsanwalt Janhenning Kuhn am Montag bekannt.
Ganz anders sieht es allerdings für seinem Vater, den Bremerhavener Unternehmer Selim Öztürk, aus. Ihm wird in der Anklage beim Landgericht Bremen der Betrug in insgesamt 724 Fällen zur Last gelegt. In davon 103 Fällen sei es beim Versuch geblieben. Von 2013 bis 2016 soll der Beschuldigte einbetrügerisches System entwickelt und betrieben haben, sagt Kuhn. Auf diesem Wege sollen durch fingierte Scheinarbeitsverträge überwiegend für bulgarische Staatsbürger Sozialleistungen unberechtigt beantragt und gezahlt worden seien. Selim Öztürk sei somit mitverantwortlich dafür, dass dem Jobcenter Bremerhaven ein Schaden von mindestens 5,5 Millionen Euro entstanden sei. Öztürk Senior soll dabei einen Betrag von mindestens 37.000 Euro eingestrichen haben: Von den Personen, die die Leistungen erhielten, habe er Beträge zwischen 100 und 200 Euro pro Fall erhalten. Das ist das, was die Staatsanwaltschaft nach über zweieinhalb Jahren Arbeit einer Ermittlungsgruppe von sechs Kriminalpolizisten und einer Staatsanwältin belegen kann. 531 Verfahren wegen vermeintlichen Betrugs sind gegen Leistungsbezieher eingeleitet worden.
34 Fälle der Untreue
Zudem sei Selim Öztürk verdächtig, sich 2014 und 2015 durch 34 Fälle der Untreue strafbar gemacht zu haben. Auch soll er in acht Fällen von den Konten der Bremerhavener Vereine "Agentur für Beschäftigung in Integration" (ABI) und "Gesellschaft für Familie und Gender Mainstreaming" (GFGM), deren Vorsitzender er war, ohne Grund Gelder in Höhe von 17.800 Euro auf sein privates Konto überwiesen haben.
Im Fall des Sohnes und Politikers Patrick Öztürk sollen sich nach einem Anfangsverdacht keine Hinweise für eine Verurteilung ergeben haben, begründete Oberstaatsanwalt Kuhn die Entscheidung. "Eine Beteiligung an dem Betrug des Jobcenters ist nicht hinreichend festzustellen.“ Insgesamt sind 200 Leistungsbezieher ermittelt und befragt worden. „Keiner konnte uns bestätigen, dass Patrick Öztürk als Berater aufgetreten ist.“
Weitergeführt werden aber die Ermittlungen gegen den 32-jährigen Patrick Öztürk wegen des Verdachts auf Untreue. Denn bei dem Parlamentarier bleiben zwei Summen unklar: Zum einen seien vom Konto der Vereine ABI und GFGM 13.500 Euro an ihn überwiesen worden. Zudem sei eine Bareinzahlung in Höhe von 27.000 Euro auf sein Konto ungeklärt. Darüber hinaus soll ein vom Beschuldigten genutzter Daimler Benz und dessen laufende Kosten aus Vereinsgeldern bezahlt worden sein. Der Abgeordnete Öztürk hatte stets seine Unschuld beteuert, im Oktober 2016 trat er aus der SPD-Fraktion in Bremen aus, hat sein Landtagsmandat aber behalten. Alle Bürgerschaftsparteien hatten die Hoffnung, dass es ein Gerichtsverfahren gegen Vater und Sohn gibt. Gegen Öztürk läuft noch immer einParteiausschluss-Verfahren.
Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) der Bürgerschaft kam Ende Januar zu dem Befund, dass der Sozialbetrug in Bremerhaven von Vater und Sohn organisiert und durch die Untätigkeit der örtlichen Sozialverwaltung begünstigt wurde.
++ Dieser Artikel wurde zuletzt am 06.08.2018 um 20:07 Uhr aktualisiert. ++