Es war Hermann Zeidler nicht gleichgültig, was mit seinen Bildern geschah. Die Vorstellung, sie könnten nur privaten Sammlern eine Freude sein, quälte ihn. „Er hat gemalt, um gesehen zu werden“, sagt seine Tochter Christina Zeidler. Für eines seiner Werke ist dieser Wunsch in besonderem Maße in Erfüllung gegangen: Sein Ölbild von Altbürgermeister Wilhelm Kaisen hat einen publikumswirksamen Ehrenplatz, in der Borgfelder Dokumentationsstätte hängt es hinter dem wuchtigen Schreibtisch des Sozialdemokraten. Vor genau 100 Jahren wurde Hermann Zeidler in Bremen geboren.
Der vor elf Jahren verstorbene Künstler ist weitgehend in Vergessenheit geraten. „Es ist schade, dass er nicht mehr im Bewusstsein der Menschen in Bremen existiert“, sagt seine Tochter. „Dabei gehört er zu dieser Stadt.“ Tatsächlich hat Zeidler nicht nur als Porträtmaler gewirkt. Auch in etlichen öffentlichen Gebäuden hat er seine Spuren hinterlassen, seine Mosaiken, Wandbilder und Glasfenster finden sich in Schulen, Kindergärten und Behördenbauten. Das Problem bei Kunst am Bau: Mit den Gebäuden verschwinden zumeist auch die Kunstwerke.
Über die Vergänglichkeit seines Schaffens vor allem im Außenbereich war sich Zeidler im Klaren. „Einige Jahrzehnte werden sie schon aushalten“, sagte er im Januar 1954 über den gerade fertiggestellten Wandfries eines Kolonialwarenladens in der Neustadt. Im WESER-KURIER war damals von „witzigen Zeichnungen“ die Rede, die das kunterbunte Leben ringsum „gutmütig, gelegentlich auch boshaft, aber immer liebenswert“ darstellten. Man müsse auch mal die andere, die lustige Seite des Lebens aufzeigen, so Zeidler.
Doch der Humor als künstlerische Ausdrucksweise trat im späteren Lebensverlauf immer mehr zurück. In seinen letzten Jahrzehnten litt Zeidler unter einer massiven Psychose – er fühlte sich verfolgt, fürchtete, vergiftet zu werden. Seine Tochter ist sich sicher: „Das waren Spätfolgen seines Kriegstraumas.“ Blutjung war er im Zweiten Weltkrieg eingezogen worden. Eine explodierende Handgranate brachte ihn um sein Gehör, zeitlebens war er schwerhörig, zuletzt fast taub.
Nach dem Besuch der Volksschule hatte Zeidler zunächst eine solide Ausbildung im Malerhandwerk gemacht. Der Krieg durchkreuzte seine künstlerischen Ambitionen, erst nach der Rückkehr aus russischer Gefangenschaft konnte er in Hamburg sein Kunststudium beenden. Zwischenzeitlich arbeitete er als Bühnenbildner, seit 1949 als freier Maler und Grafiker. Allerdings waren auch schon mal kritische Töne zu hören. „Warum muß die Kuh blau, warum die alte Tante rot sein?“, fragte im Juni 1958 der Kunstkritiker des WESER-KURIER, als Zeidler in der Böttcherstraße ausstellte.
Die Ironie dabei: Gerade der Umgang mit der Farbe gilt als Zeidlers besondere Stärke. Mehr als in seinen Landschaftsbildern machte sich diese Stärke in seinen Porträtbildern bemerkbar. Seine Vorbilder waren die Expressionisten August Macke, Franz Marc und Edvard Munch. Ihren Einfluss sieht man im 1967 entstandenen Porträtbild Kaisens ebenso wie im Bildnis von Bürgermeisterin Annemarie Mevissen. „Die Farbe des Menschen zu sehen, das macht Hermann Zeidler aus“, sagt Delia Nordhaus, in deren Galerie in Walle vor drei Jahren eine viel beachtete Doppelausstellung zu sehen war – mit Werken von Zeidler und seiner zweiten Frau Roswitha Clages, die ebenfalls eine künstlerische Ader hatte.
Freilich musste sie ihm zuliebe die Malerei an den Nagel hängen, erst nach der Trennung fing sie im Ruhestand wieder damit an. „Die Kunst ist seine erste Geliebte“ habe ihre Mutter immer gesagt, erinnert sich Christina Zeidler. Hunderte seiner Bilder befinden sich bis heute in Familienbesitz. „Er war unglaublich produktiv“, sagt die 56-Jährige. Ihr Wunsch: „Wenigstens ein Teil davon sollte öffentlich zu sehen sein.“