Woran SPD und Grüne in der vergangenen Legislaturperiode noch scheiterten, ist nun gelungen: Rot-grün-rot hat einen Entwurf für die Novellierung des Bremischen Polizeigesetzes vorgelegt. Und weil zudem auch Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) von einem „fairen Kompromiss“ zwischen Fraktionen und Innenbehörde sprach, herrschte am Donnerstag bei der Vorstellung des Gesetzesentwurfs eitel Sonnenschein bei den Regierungskoalitionären.
Einträchtig saßen sie auf der Pressekonferenz nebeneinander – Nelson Janßen, Kevin Lenkeit, Björn Fecker, Ulrich Mäurer, die innenpolitischen Sprecher und/oder Fraktionschefs von Linken, SPD, Grünen sowie der Innensenator – und lobten unisono das Ergebnis ihres „politischen Aushandlungsprozesses“: Ein modernes Polizeigesetz habe man entworfen, das die Polizei handlungsfähig mache, zugleich aber die Grundrechte der Bürger wahre – „klug mit Augenmaß“ (Lenkeit), „bürgerrechtsfreundlich“ (Janßen).
Viel Kritik von der Opposition
Die Opposition sieht dies anders. Von einem „fatalen Tag für die Polizei“ spricht Marco Lübke, innenpolitischer Sprecher der CDU. Er sieht in dem Gesetz ein „grundlegend ideologisch und politisch motiviertes Misstrauen gegenüber der Arbeit der Polizei“. Auf wichtige Herausforderungen gebe es keine Antworten, außerdem sei das Ganze mit erheblichem bürokratischen Mehraufwand verbunden. Für Birgit Bergmann, innenpolitische Sprecherin der FDP, ist der Gesetzesentwurf „ein fauler Kompromiss statt großer Wurf“. Und es atme den „Geist des Misstrauens“ gegenüber der Polizei.
Kritik kommt auch von Lüder Fasche, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Der sieht nicht nur inhaltliche Mängel, sondern fragt sich, warum die GdP nicht am Zustandekommen des Gesetzesentwurfs beteiligt worden sei. Liefert dafür aber auch gleich eine Antwort: „Das Gesetz ist nicht für die Polizei, sondern für Polizeikritiker.“
Alle Regierungsfraktionen haben dem Entwurf bereits zugestimmt. Im Juli soll es in Erster Lesung im Parlament beraten werden. Danach folgen Anhörungen und Stellungnahmen von Sachverständigen, anschließend soll der Entwurf möglichst bald nach den Sommerferien verabschiedet werden. Ein enger Zeitplan, der nicht von ungefähr kommt. Wesentlicher Bestandteil des Gesetzes ist die Umsetzung von EU-Datenschutzrichtlinien. Bremen ist spät dran, es droht ein Vertragsverletzungsverfahren. Wichtige Punkte des Gesetzentwurfs:
- Telekommunikationsüberwachung wird möglich, auch präventiv. Aber nur, wenn Lebensgefahr besteht, eine Gefahr für kritische Infrastruktureinrichtungen oder zur Abwehr besonders schwerwiegender Straftaten. Jede Maßnahme steht unter Richtervorbehalt, das heißt, ein Richter muss sie genehmigen. Quellen-TKÜ oder Staatstrojaner wird es nicht geben und auch keine Entschlüsselung von Inhalten, die über Messenger-Dienste wie Whatsapp weitergegeben werden.
- Videoüberwachung ist künftig nicht nur dort möglich, wo viele Straftaten begangen werden, wie etwa am Hauptbahnhof, sondern temporär auch bei Großveranstaltungen und bei wichtigen Infrastruktureinrichtungen wie zum Beispiel Kraftwerken. Die Daten müssen nach 30 Tagen gelöscht werden. Um die Überwachung für die Öffentlichkeit nachvollziehbar zu machen, muss darüber in der Innendeputation berichtet werden. Gesichtserkennungssoftware kommt nicht zum Einsatz.
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Ein unabhängiger Polizeibeauftragter soll das partnerschaftliche Verhältnis zwischen Bürgern und Polizei stärken, mögliches polizeiliches Fehlverhalten und innerpolizeiliche Missstände untersuchen.
- Personenkontrollen dürfen nicht mehr anlasslos durchgeführt werden. Der Durchsuchte hat ein Recht auf eine Kontrollquittung mit Angabe des Kontrollgrundes.
- In Fällen von häuslicher Gewalt wird es der Polizei erleichtert, die Täter aus der Wohnung zu verweisen. Kontaktdaten von Tätern und Opfern müssen an Beratungsstellen übermittelt werden.
- Zum Datenschutz wird eine Reihe von Fällen aufgeführt, bei der die Polizei betroffene Personen pro-aktiv auf die Speicherung ihrer Daten hinweisen muss.
- Ausweis- und Kennzeichnungspflicht von Polizisten werden gesetzlich verankert. Bereitschaftspolizei muss die Kennzeichnung auch in Alltagseinsätzen tragen.
- Die Ingewahrsamnahme darf sich auf maximal 96 Stunden erstrecken, bei mehr als 24 Stunden soll der betroffenen Person ein Rechtsbeistand zur Seite gestellt werden.
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Eine Zuverlässigkeitsprüfung für Polizisten zur Erkennung demokratiefeindlicher Einstellungen besteht nicht nur bei Bewerbern, sondern stichprobenartig auch alle sieben Jahre bei Beamten und Angestellten im Polizeidienst.