Die Bremer Innenbehörde wollte einem Nordafrikaner, der häufiger das Islamische Kulturzentrum (IKZ) am Breitenweg aufgesucht hat, nicht einbürgern – und scheiterte damit in zwei Instanzen vor Gericht. Bereits im März 2017 folgte das Verwaltungsgericht der Klage des Mannes gegen die Stadt Bremen: Aus dem bloßen Besuch von Freitagsgebeten im IKZ ergaben sich nach Auffassung der Richter „keine tatsächlichen Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen“. Jetzt folgte auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) dieser Einschätzung. Es wies die Beschwerde der Innenbehörde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ab.
Seit 2006 verfügte der Betroffene über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht in Deutschland. 2007 beantragte er seine Einbürgerung und fügte dem Antrag auch die sogenannte Loyalitätserklärung bei, also sein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Er bezeichnete sich darin als begeisterten Fan der deutschen Rechtsstaatlichkeit, insbesondere die Trennung von Politik und Religion überzeuge ihn.
Der Staatsschutz der Bremer Polizei sah das anders. Er teilte dem Stadtamt Bremen 2009 mit, dass der Nordafrikaner „nachweislich und offenkundig relevante Kontakte zu szenebekannten Akteuren aus dem islamistischen Spektrum“ unterhalte. Es sei zu befürchten, dass er „über ein konträres Verhältnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik verfüge“. Auch eine Sicherheitsbefragung des Mannes hätten diese Bedenken nicht ausgeräumt. Seine Angaben zu Besuchen und Mitgliedschaft im IKZ seien in Teilen widersprüchlich, nicht glaubhaft und offenkundig taktisch motiviert.
Nach Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz soll der Mann zwischen Ende 2009 und Herbst 2013 siebzehn Mal das IKZ besucht haben, vor allem anlässlich der dortigen Freitagsgebete. Dabei habe er auch Geld gespendet. Außerdem soll er Mitglied im Trägerverein der Moschee gewesen sein. In einer Mitgliederliste aus dem Jahr 2005 sei sein Name aufgetaucht.
Dies alles sprach für das Innenressort gegen eine Einbürgerung des Mannes. Tatsächliche Anhaltspunkte rechtfertigten die Annahme, dass er Bestrebungen unterstütze beziehungsweise unterstützt habe, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet seien, argumentierte die Behörde. Durch die Geldspenden habe der Mann zum Erhalt und Fortbestand eines Moscheevereins beigetragen, der verfassungsfeindliche Ziele verfolge. Außerdem habe er sich von „den im IKZ bestehenden verfassungsfeindlichen Strömungen“ nicht klar distanziert.
Auf dieser Grundlage lehnte das Stadtamt die Einbürgerung des Nordafrikaners 2015 ab. Dagegen klagte er 2016. Er bestritt, Salafist zu sein oder auch nur Interesse an Salafisten und gefährlichen Muslimen zu haben. Er sei lediglich ein betender Moslem. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bezeichnete der Mann in seiner Klage als oberflächlich und unsachlich. Er sei „Opfer dieser allgemeinen verleumderischen Methodik des Bundes- und Landesverfassungsschutzes“.
Keine Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Aktivitäten
Die Teilnahmen am Freitagsgebet im IKZ bestätigte er ebenso wie die Geldspenden. Die seien in diesem Rahmen aber nicht ungewöhnlich. Bei den Freitagsgebeten gehe immer jemand herum und sammle Geld für die entstandenen Unkosten der Moschee. Die Mitgliedschaft im IKZ bestritt der Mann dagegen. Er könne sich nicht erklären, wie sein Name auf die Mitgliederliste aus dem Jahr 2005 gekommen sei.
Tatsächlich fand das Verwaltungsgericht 2017 keine Anhaltspunkte dafür, dass der Mann sich in herausgehobener Position im IKZ engagiert hat. Und aus dem bloßen Besuch von Freitagsgebeten seien keine Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Aktivitäten abzuleiten, konstatierten die Richter. Zumal auch das Stadtamt davon ausgehe, dass im IKZ neben einer jedenfalls zwischenzeitlich fundamentalistischen Ausrichtung unterschiedliche Strömungen und Glaubensrichtungen herrschten. Diesen Standpunkt hielt auch das OVG für zutreffend.
Auch in Bezug auf die Geldspenden folgten die Richter beider Instanzen den Aussagen des Mannes. Solche Spenden anlässlich der Freitagsgebete seien üblich. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Mann mit ihnen die vermuteten verfassungsfeindlichen Tätigkeiten des IKZ unterstützt habe oder unterstützen wolle. Und der Innenbehörde sei es nicht gelungen, diese Erwägung in Zweifel zu ziehen. Die Frage nach der Mitgliedschaft des Mannes im IKZ-Verein ließen die Richter offen. Aufgrund der Inhomogenität der im IKZ bestehenden Glaubensrichtungen könne aus der bloßen Mitgliedschaft ohnehin nicht der Schluss gezogen werden, dass der Mann dem politischen Salafismus zuzuordnen sei.
Außerdem sei er im Laufe des jahrelangen Verwaltungsverfahrens mehrfach ausführlich zu seinen religiösen und politischen Einstellungen befragt worden. Dabei habe er sich klar zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekannt und sich gleichzeitig von einer dazu im Widerspruch stehenden fundamentalistischen Auslegung des Islam abgegrenzt. Warum dieses Bekenntnis unglaubhaft sein sollte und welchen Erkenntnisgewinn ein Berufungsverfahren erbringen könnte, vermochte das OVG nicht zu erkennen. Womit in dieser Angelegenheit das letzte Wort gesprochen war. Gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts, der vom September dieses Jahres datiert, gibt es kein Rechtsmittel. Laut Innenbehörde wurde der Betroffene inzwischen eingebürgert.
Im Fokus des Verfassungsschutzes
Der 2001 gegründete Verein Islamisches Kulturzentrum Bremen (IKZ) ist ein Moscheeverein mit Sitz im Breitenweg. Das Kulturzentrum gilt den Sicherheitsbehörden als Hochburg der Salafisten in Bremen und steht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Aus dessen Sicht kommt die salafistische Ausrichtung des Vereins regelmäßig in Vorträgen, Seminaren und Predigten zum Ausdruck. Laut Verfassungsschutzbericht weisen die Seminare rein religiöse, aber dennoch eindeutig salafistische Inhalte auf. Das IKZ versuche, die salafistische Ideologie unter seinen Besuchern zu stärken und weiter zu verbreiten. Am stärksten frequentiert sei das wöchentliche Freitagsgebet mit 400 bis 500 Besuchern, die größtenteils aus Nordafrika, der Türkei sowie vom Balkan stammten. Als Vorbeter fungierten nach wie vor führende Vertreter des IKZ, die die Missionierungsarbeit als ihre religiöse Pflicht betrachteten. Nach wie vor fänden in der Moschee regelmäßig Islamunterrichte für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene statt.