Sie wollen weniger Druck und mehr Wertschätzung: Knapp 300 Pflegeschülerinnen und -schüler haben sich am Mittwoch auf dem Marktplatz für besser Arbeitsbedingungen in der Kranken- und Altenpflege und mehr Zeit für Nachwuchsförderung im Arbeitsalltag eingesetzt. Zahlreiche Vertreter verschiedener Pflegeschulen überreichten im Anschluss an die Kundgebung ihren Forderungskatalog an Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) und Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne).
"Hört uns zu, wenn wir euch erzählen, was wir brauchen“
„Wir sind also hier, um zu zeigen, dass es uns ernst ist“, verkündete die Pflegeauszubildende Nathalie Michels bei der Demonstration. „Wenn ihr und alle anderen wollt, dass eure Eltern, Großeltern oder andere Angehörige gut versorgt sind, dann hört uns zu, wenn wir euch erzählen, was wir brauchen.“ Was er braucht, das machte der Pflegenachwuchs deutlich: genug Zeit für Praxisausbilder, sich mit jungen Pflegekräften zu beschäftigen. Faire Stellenpläne, in denen Auszubildende nicht auf den Personalschlüssel angerechnet werden. Eine Personalbemessung, die sich am Pflegeaufwand in den einzelnen Einrichtungen orientiert. Kurzum: weniger Stress, mehr Zeit.
Das ist bitter nötig: Nach Angaben der Gewerkschaft Verdi, die sich auf Zahlen des aktuellen AOK-Pflegemonitors bezieht, wird in Bremen bis 2050 der Bedarf an Pflegekräften bis um 40 Prozent steigen. Der ist nur zu decken, wenn sich mehr Menschen für Pflegeberufe entscheiden. Dafür brauche es Wertschätzung, sagte Kerstin Bringmann, Verdi-Gewerkschaftssekretärin für den Bereich Gesundheit: „Wenn man Pflegekräfte schlecht behandelt und die Arbeitsbedingungen schlecht sind, dann wird das Problem größer.“
Das Problem sehen auch die Senatorinnen. „Das mit dem Ändern ist eine große Herausforderung“, erklärte Bernhard den Demonstranten. „Betriebswirtschaft kann nicht vor der Versorgung der Menschen stehen. Wir brauchen in allen Stadtteilen eine qualitative Versorgung.“ Stahmann hingegen verwies auf die Erhöhung der Ausbildungsplätze in den vergangenen Jahren und erklärte, dass sie Befürchtungen verstehe, dass der Wettbewerb zwischen Kliniken und Altenpflege mit dem Start der generalistischen Ausbildung nur verschärft werden könnte.
Denn aktuell werden Altenpfleger schlechter bezahlt als Krankenpfleger. Einen Pflegenotstand auszurufen, wie es die Demonstrierenden forderten, sei allerdings nicht nötig: „Die Situation ist angespannt, aber mit dem Wort Notstand tue ich mich schwer“, sagte Stahmann. Die Demonstranten reagierten mit Buhrufen. Das war ihnen zu wenig: Sie fordern konkrete Maßnahmen und eine schnelle Umsetzung vom Senat.
Zuletzt hatten die Tarifgemeinschaft Pflege und Verdi höhere Löhne und Zuschläge in der Altenpflege vereinbart. Damit bekommen ab dem 1. Januar kommenden Jahres die Beschäftigten von Pflegediensten und -heimen der Freien Wohlfahrtspflege im Land Bremen mindestens 60 Cent mehr pro Stunde, der Zuschlag für die Nachtarbeit wurde auf 20 Prozent des Stundenlohns erhöht.
„Wir wünschen uns, dass weitere Pflegedienstleister der Tarifgemeinschaft beitreten und so die Wirkung des Tarifvertrages erweitert wird“, erklärte Arnold Knigge, Vorsitzender der Tarifgemeinschaft. Das sei wichtig, damit angesichts des Fachkräftemangels der Personalwettbewerb nicht zu Lasten von Qualität und Arbeitsbedingungen ausgetragen werde. Zudem gelte es, langfristig ein einheitliches Tarifniveau für Alten- und Krankenpflegekräfte zu finden, und zwar bis 2023, wenn der erste Jahrgang die generalistische Pflegeausbildung beendet. „Das geht sonst zulasten der Altenpflege“, sagte Knigge.
Pflege in Bremen
Laut der amtlichen Pflegestatistik waren Ende des Jahres 2017 29 000 Menschen pflegebedürftig, die Hälfte davon werde von Angehörigen gepflegt, weitere 5700 in Pflegeheimen, alle weiteren ambulant. Insgesamt sind 104 Pflegeeinrichtungen mit 6500 Betten in der vollstationären Pflege in Bremen zugelassen, dort arbeiten 6800 Menschen in Pflege, Betreuung und Hauswirtschaft, 1600 davon in Vollzeit. Zudem gibt es 117 ambulante Pflegedienste, die 8200 Menschen versorgen. Dort arbeiten 850 Vollzeit- und 3700 Teilzeitkräfte.