Im öffentlichen Dienst und im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) drohen bundesweit Streiks. Erste Ausstände im öffentlichen Dienst beginnen in einzelnen Regionen an diesem Dienstag, wie die Gewerkschaft Verdi am Sonntag ankündigte.
Wo und in welchen Branchen konkret gestreikt wird, werde Anfang dieser Woche geklärt. Auf Warnstreiks einstellen müssen sich dabei auch die Eltern von Kindern im Vorschulalter – Ausstände in Kitas seien möglich, hieß es in Verhandlungskreisen ausdrücklich. Da es sich um Warnstreiks handele, sei aber damit zu rechnen, dass Erzieherinnen nicht mehr als ein bis zwei Tage ihre Arbeit niederlegen. Informationen zur Frage, ob und wann Bremen und das niedersächsische Umland von Warnstreiks betroffen sein könnten, gab es am Sonntag nicht.
„Die öffentlichen Arbeitgeber haben sich zwei Runden lang eingemauert“, sagte Verdi-Chef Frank Werneke laut einer Mitteilung. Der Arbeitgeberseite warf Werneke vor, kein Angebot vorgelegt zu haben. Die Gewerkschaften fordern 4,8 Prozent mehr Lohn. Den Beschäftigten sollen mindestens 150 Euro mehr pro Monat zugesichert werden.
Auch im ÖPNV wird es zu Ausständen kommen. Neben sehr großen Unternehmen wie die Hamburger Hochbahn oder die Berliner Verkehrsbetrieben BVG könnte auch die Bremer Straßenbahn AG (BSAG) mit ihren mehr als 2000 Mitarbeitern betroffen sein. Das teilte Verdi ebenfalls am Sonntag mit. Private Verkehrsunternehmen wie beispielsweise die Nordwestbahn würden davon unberührt bleiben.
Hintergrund ist ein bundesweiter Tarifkonflikt zwischen Verdi und den kommunalen Arbeitgeberverbänden (KAV). Verdi hatte auf einen bundesweit einheitlichen Tarifvertrag für die 87 000 Menschen gedrängt, die in den gut 130 kommunalen Verkehrsbetrieben beschäftigt sind. Die Arbeitgeber haben sich nach Angaben der Gewerkschaft am Wochenende aber dazu entschieden, auch in Zukunft nicht auf Bundesebene verhandeln zu wollen. „Auch wenn die Arbeitgeber sich nicht einigen können, wir im Nahverkehr haben uns bundesweit aufgestellt“, teilte die Gewerkschaft mit. Man halte an den gemeinsamen Forderungen fest. „Das werden wir mit bundesweiten Warnstreiks zeigen.“
Bis zur BSAG war diese Entscheidung am Sonntag nicht durchgedrungen. „Uns ist noch nichts bekannt“, sagt BSAG-Sprecher Jens-Christian Meyer. Man sei sich aber bewusst, dass es zu Streiks kommen könnte. „Wir werden natürlich an unserer Forderung nach einem bundesweiten Rahmentarifvertrag festhalten“, sagt Franz Hartmann, der als Verdi-Gewerkschaftssekretär im Bezirk Bremen-Niedersachsen den Bereich Verkehr betreut. Das Verweigern von Verhandlungen erfordere nun eine unmissverständliche Antwort.
Gewerkschaft: Arbeitsbelastung gestiegen
Der Gewerkschaft geht es bei den Gesprächen für einen einheitlichen Tarifvertrag nach eigenen Angaben vor allem um Entlastung und bessere Bezahlung der ÖPNV-Angestellten. „In den letzten Jahren ist ihre Arbeitsbelastung immer weiter gestiegen: Zum Beispiel ist das Personal weniger, die Fahrgäste sind aber mehr geworden“, begründet Hartmann. Gleichzeitig seien der Altersschnitt und auch der Krankenstand der Mitarbeiter auch bei der BSAG gestiegen. „Die Bereitschaft zu streiken, ist in Bremen auf jeden Fall da“, sagt Hartmann.
Nach Willen von Verdi sollen auch die Zahl der Urlaubstage oder die Höhe von Sonderzahlungen in allen kommunalen Unternehmen einheitlich sein. So schwankt beispielsweise die Zahl der Urlaubstage nach Angaben von Verdi je nach Bundesland zwischen 26 und 30 pro Jahr, und auch die Wochenarbeitszeit kann sich von Land zu Land unterscheiden. Entsprechend kontrovers hatten die KAV-Mitgliedsverbände diskutiert, ob die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber (VKA), die bundesweite Interessenvertretung, in der die KAVs gebündelt sind, einen bundesweiten Rahmentarifvertrag für alle aushandeln soll.
Dieser Flickenteppich war entstanden, weil alle KAV laut Verdi in den vergangenen 20 Jahren Tarifverträge mit den jeweiligen kommunalen Verkehrsunternehmen in ihren Bundesländern geschlossen haben. Um die Bedingungen wieder zu vereinheitlichen, hatte Verdi zum 30. Juni sämtliche Tarifverträge mit den Arbeitgeberverbänden gekündigt. Damit endete auch die sogenannte Friedenspflicht, die Streiks ausschließt, so die Verabredung von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretung.
Im Vorfeld der VKA-Mitgliederversammlung an diesem Wochenende hatte die Gewerkschaft mit der Fridays-for-Future-Bewegung am Freitag noch einmal Druck auf Politik und Arbeitgeber ausüben wollen. In Bremen informierten am Freitagnachmittag Verdi und die Bündnispartner – darunter die Initiative „Einfach einsteigen“ – die Fahrgäste an der Domsheide über die aktuelle Lage. „Nach 20 Jahren Sparprogramm arbeiten die Beschäftigten am Limit“, sagte Hartmann.
Unabhängig von den Auseinandersetzungen auf Bundesebene hat Verdi für Bremen eine gesonderte Wunschliste, über die zusätzlich zum Rahmentarifvertrag gesprochen werden soll. Für kommenden Donnerstag sind entsprechende Gespräche zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern angesetzt. Die BSAG ist wegen der Pandemie tief in die roten Zahlen gerutscht.
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