Das Projekt hat noch gar nicht begonnen, und schon ist der Ärger da: Die Martinistraße, eine der Hauptverkehrsachsen durch die Bremer Innenstadt, soll in einem halbjährigen Verkehrsversuch nicht nur zurückgebaut, sondern auch zur Einbahnstraße umgewandelt werden. Der Senat setzt damit einen der Hauptpunkte im „Aktionsprogramm Innenstadt“ um und verfolgt gleichzeitig das Ziel, die City mehr und mehr vom Autoverkehr zu befreien. Wesentliche Anrainer der Martinistraße fühlen sich dabei allerdings außer Acht gelassen. Sie haben sich zusammengeschlossen, um gegen einen Teil der Pläne vorzugehen.
Von Sommer an wird die Martinistraße neu gestaltet, zunächst als Provisorium, um daraus für einen späteren endgültigen Umbau Erkenntnisse zu gewinnen. Ausprobiert werden sollen nach Vorschlag des Verkehrsressorts drei Varianten, die miteinander verbunden sind: Zuerst kommt der Rückbau von vier auf zwei Fahrspuren. Danach wird eine Einbahnstraßenregelung eingeführt, die Autos können auf der 800 Meter langen Verbindung nur in Richtung Brill fahren. Schließlich und besonders einschneidend soll die Straße an bestimmten Wochenenden komplett gesperrt werden, um dort auf den Fahrbahnen und Bürgersteigen Platz für Veranstaltungen zu bieten.
Die Martinistraße wird seit vielen Jahren als eines der Hauptübel der Bremer Innenstadt angesehen. Immer wieder hatte der Senat versucht, dieses Übel an der Wurzel zu packen und die Straße zu verkleinern, war damit aber unter anderem am Widerstand der Handelskammer gescheitert. Insbesondere die Grünen stören sich daran, dass die Innenstadt durch das breite und viel befahrene Asphaltband von Weser und Schlachte abgeschnitten wird. Die Handelskammer sieht das mittlerweile auch so und ist nicht länger gegen den Rückbau. Wohl aber lehnt sie den Plan ab, eine Einbahnstraße einzurichten. Die Kammer ist Teil der Interessengemeinschaft, zu der außerdem die Brebau, die ÖVB, das Atlantic Grand Hotel, die Bremer Tageszeitungen AG, die hkk, Kühne+Nagel, der Schünemann-Verlag, zwei Anwaltskanzleien und die Projektentwickler Joh. Jacobs & Co und Justus Grosse gehören.
Bernd Botzenhardt, Chef des städtischen Wohnungsunternehmens Brebau, plädiert dafür, vor einem Verkehrsversuch das Große und Ganze der Innenstadtentwicklung in den Blick zu nehmen: „Wenn wir über die Martinistraße reden, müssen wir die Obernstraße mitdenken.“ Botzenhardt fordert wie seine Mitstreiter in der Initiative, dass die Straßenbahn von der Obernstraße in die Martinistraße verlegt wird. „Das gäbe der Obernstraße ganz neue Chancen.“ Für den Autoverkehr würden in der Martinistraße zwei Fahrbahnen und Tempo 30 vollkommen genügen. Der Rückbau allein reiche nicht, schon gar nicht, wenn er versuchsweise angegangen werde. Das bringe nicht die Impulse für notwendige Investitionen der Anrainer, um der Straße mehr Aufenthaltsqualität zu verschaffen.
Angestoßen wurde die Initiative vom Verleger Hermann Schünemann. Er hat Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne) einen Brief geschrieben und begrüßt, „dass der Rückbau der Martinistraße nach langer Planungszeit endlich angegangen wird“. Leider seien die Anlieger bisher aber nicht über die Ausgestaltung informiert worden und hätten lediglich aus der Presse davon erfahren. Auch Schünemann ist dafür, die Straßenbahn zu verlegen. Gar nichts hält er von der geplanten Einbahnstraßenregelung: „Mit uns ist das nicht zu machen.“
Die Bremer Tageszeitungen AG ist selbst als Anrainer betroffen. Vorstand David Koopmann sagt: „Wir unterstützen die Überlegungen, die Innenstadt besser an die Weser anzubinden und zu prüfen, wie man die Martinistraße besser überwinden und attraktiver gestalten kann. Gleichzeitig müssen wir Anrainer für Mitarbeiter und vor allem für Kunden weiterhin gut erreichbar sein.“
Stellung nimmt auch Verkehrssenatorin Schaefer: „Im Projektbeirat zum Verkehrsentwicklungsplan diskutieren wir momentan mit Beteiligung der Fraktionen, der Handelskammer, der City-Initiative und anderen Akteuren mehrere Verkehrsversuche zur Martinistraße.„ Ziel sei es, kurzfristig Erfahrungen zu sammeln, wie eine künftige dauerhafte Umgestaltung der Martinistraße optimal wäre. “Ich sehe keinen Grund, dieses abgestimmte Verfahren zu verlassen.“
Die Martinistraße dient heute hauptsächlich als Durchgangsstraße. Werktags sind dort zwischen 5 Uhr und 22 Uhr in beiden Richtungen etwa 13.000 Fahrzeuge unterwegs. Sonnabends sind es nach Ergebnis einer Verkehrszählung 9200 Fahrzeuge.