Frau Skalecki, Sie haben vor der Südfrankreich-Krimireihe bereits Bremen-Krimis mit Kollegin Biggi Rist geschrieben. Warum gerade Krimis?
Liliane Fontaine: Warum Krimis? Diese Frage ist leicht zu beantworten: Ich schreibe am liebsten über das, womit ich mich am besten auskenne, was mir selber auch am besten gefällt. Ich lese gerne Krimis und das schon von Kindesbeinen an. Mein Vater hat eine große Krimibibliothek gehabt. Es ging mit Agatha Christie los, dann Edgar Wallace, Rex Stout, also amerikanische Krimis und dann bin ich auf die französischen Krimis gekommen. Ich glaube, es macht einfach Sinn, das zu schreiben, was man selber gerne lesen würde.
Den Ort der neuen Krimireihe haben Sie nach Südfrankreich verlagert, dorthin, wo Sie selbst gerne einige Wochen im Jahr verbringen. Was reizt Sie an dieser Gegend so besonders?Das ist eigentlich ganz einfach: Ich liebe die Sonne, ich liebe die Lebensart. Es ist ein ganz besonderes Gefühl, über die Märkte zu schlendern, die Markthallen zu besuchen. Es sind die Wärme und die Gerüche. Ich lebe und atme dort auf, und es ist für mich schon immer eine zweite Heimat gewesen. Es ist dieses Lebensgefühl. Umso schlimmer ist es, das wir momentan nicht hinfahren können. Obwohl wir in Südfrankreich ein Haus haben, ist uns die Einreise verwehrt.
Ja, zumindest in diesem Buch werden es immer mehr. Wobei es am Anfang für Mathilde so aussieht, als wären es einzelne Fälle. Wie dann alles zusammenhängt merkt sie erst nach einiger Zeit.
Als Leserin begreife ich das ziemlich schnell.Als Leserin bist du ihr durch die Tagebuchaufzeichnungen eines Verstorbenen immer einen Schritt voraus. Das Buch erhält Mathilde ja erst gegen Ende der Geschichte Ich habe den Eindruck, dass es den Lesern gut gefällt, durch das Tagebuch eines der Opfer ganz dicht am Geschehen dran zu sein.
Es bringt auf jeden Fall eine zusätzliche Perspektive hinein. Die Verstrickungen der Todesfälle führen Mathilde dann zu einem Lichttemplerorden in der Nähe von Nîmes. Gab es diesen Orden wirklich?Dieser Orden hieß „Ordre du temple solaire“. Er wurde in den 1990er-Jahren durch einen Franzosen gegründet, Jo Di Mambro. Er stammte aus Pont-Saint-Esprit, ganz in der Nähe von Nîmes. Diese Geschichte, dass Menschen jemandem folgen, der total verrückte Ideen vermittelt hat, fand ich so faszinierend. Eigentlich schwebten mir als Thema des Romans die Katharer vor, die Urchristen, die Verzicht und Armut predigten.
Sie haben im 12. und 13. Jahrhundert so viel Zulauf gehabt, dass sie für die Kirche in Rom gefährlich wurden. Daraufhin hat die Kirche eine wahre Hexenjagd auf diese Menschen gemacht, die dann in dem großen Massaker in der Kathedrale von Béziers ihren Höhepunkt gefunden hat. Den Lebensstil und Glauben der Katharer habe ich mit den Sonnentemplern zusammen verwebt.
Das heißt, Sie haben sich für die Beschreibung der Lichttempler von den Katharern und Templern des Mittelalters inspirieren lassen. Und der Ort, Montauban-sur-Virdoule mit seiner Komturei in der die Templerburg stehen soll, ist dann auch fiktiv?Ja, er ist fiktiv. Ich habe sehr viel zu den Templerburgen recherchiert und eine so gut erhaltene Anlage wie sie im Roman beschrieben wird, gibt es in Südfrankreich leider nicht mehr. Es gibt Reste, zum Beispiel steht in Metz noch eine Templerkirche, aber in dieser Zusammenstellung, wie ich sie im Buch beschreibe, nein, so etwas gibt es nicht mehr.
Ja, das mache ich tatsächlich. Ich habe mir die Unfallstelle genau vorgestellt. Nun ist es so, dass viele der Kurven in den Cevennen mit Leitplanken zum Abgrund hin versehen sind. Aber es gibt immer noch diese kleinen Mauern, die Stein auf Stein geschichtet sind, und noch nicht einmal mit Zement gefestigt sind. Und es gibt auch Stellen, an denen sie durchbrochen sind. Es muss nicht gleich jemand dort in den Abgrund gestürzt sein. Einen solchen Unfallort habe ich beschrieben. Genau so habe ich nach ehemaligen Templeranlagen Ausschau gehalten. So habe ich Richerenches entdeckt. Dort ist in die ursprünglichen Mauern ein Dorf hineingewachsen. Mir schwebte aber eine komplette Burg vor.
Kommen wir noch einmal auf die Figuren zu sprechen. Neben Mathilde ermittelt im dritten Fall auch die sympathische Haushälterin ihres Großvaters ungefragt mit, Odile. Über sie erfuhr die Leserin in den vorigen Bänden viel über französische Lebenskultur und Kochkunst. Das tritt im dritten Band in den Hintergrund oder täuscht der Eindruck?Dieses Thema wird immer ein bisschen angerissen. Es gibt Krimis, die sich der Kulinarik stark verbunden fühlen, sie bieten im Anhang noch jede Menge Rezepte an. Das habe ich bewusst reduziert. Allerdings wird im Oktober eine Anthologie bei Piper herauskommen mit fünfzehn Kurzgeschichten: „Tödlich aufgetischt“. Dafür wurden Autoren gebeten, einen Krimi mit einem Rezept zu verfassen. In dieser Sammlung habe ich eine Geschichte, in der Odile in Brest an einem Kochkurs teilnimmt. Im Rahmen dieses Kochkurses wird jemand ermordet, und Mathilde, die mitgereist ist, klärt natürlich diesen Fall auf.
Neben der Kochkunst wird die Lebenskultur in ihren Südfrankreich-Krimis auch immer wieder über die Beschreibung von vollen Wochenmärkten und Plätzen in kleinen Dörfern mit ihren Bars und Cafés sehr eindringlich vermittelt. Im dritten Band heißt es etwa: „Dicht gedrängt lassen sich die Urlauber inmitten der Einheimischen treiben“. Das mutet jetzt wie aus einer vergangenen Zeit an. Was für Spuren hinterlässt die Corona-Krise in Ihrem Südfrankreichbild?Das kann ich überhaupt noch nicht richtig festhalten, weil ich nicht weiß, was mich erwartet. Mich ängstigt vor allem die Schließung der Grenzen. Der Europa-Gedanke ist kaum mehr greifbar, dabei macht das Virus nicht an der Grenze halt. Warum wurde das nicht anders gehandhabt? Jetzt kommen wieder Ressentiments hoch, die man überwunden glaubte. Die Corona-Zeit hinterlässt Wunden und Narben, aber das kann und darf die Bücher nicht beeindrucken.
Meine Bücher sollen diese Freude, diese Fröhlichkeit, die Liebe zu diesem Land weiter transportieren, aufrechterhalten. Es ist für Leser eine Kopfreise oder ein Trost, einen Sehnsuchtsort wenigstens durch die Bücher wieder erleben zu dürfen. Ich möchte die Leser weiterhin reisen lassen. Und im vierten Band geht es weiter, er ist bereits fertig: „Die Richterin und das Ritual des Todes“. Er erscheint nächstes Jahr im Sommer.
Außerdem erscheint im kommenden Jahr noch eine ganze neue Krimireihe von Ihnen im Heyne Verlag unter dem Pseudonym Lili Anderson, nicht wahr?Ja, ganz genau. Ich darf aber noch nicht zu viel verraten. Es wird eine Ermittlerin geben, die Köchin Louise Dumas, aus dem Elsass, die aus persönlichen Gründen zu ihrer Patentante auf die Insel Pellworm reist. Dort gerät sie in den Strudel des Verbrechens. Der erste Band der Reihe „Die Inselköchin ermittelt“ heißt: „Krabbenchanson“.
Das was Sie in den Südfrankreich-Krimis bewusst ausgespart haben, kommt also in die Nordsee-Krimireihe hinein, Kochrezepte?Ja, genau, aber da geht es ja um eine Köchin. Ich finde, wenn jemand, der kocht eine Rolle spielt, dann ist es in Ordnung, wenn dem Leser im Buch Rezepte angeboten werden.
Das Gespräch führte Magali Trautmann.Liliane Skalecki wurde im Saarland geboren, ist promovierte Kunsthistorikerin und schreibt unter ihrem Geburtsnamen Liliane Fontaine Kriminalromane. Mit ihrer Familie lebt die Bremerin mehrere Wochen im Jahr in der Nähe von Nîmes. Ihr neuer Südfrankreich-Krimi, „Die Richterin und der Kreis der Toten“, ist im Piper Verlag erschienen. Es ist der dritte Band um Untersuchungsrichterin Mathilde de Boncourt und ihr Team.
Weitere Informationen
Sollte es möglich sein, liest Liliane Skalecki am Dienstag, 8. September, um 19 Uhr in der Buchhandlung Leuwer, Am Wall 171, aus ihrem Buch „Die Richterin und der Kreis der Toten“.