Ein azurblauer Himmel, der sich über den Domshof wölbt. Immer mehr Flaneure bleiben stehen, um – in Corona-Zeiten mit dem gebotenen Abstand – Julia Bachmann zu lauschen. Die junge Sopranistin singt einen Belcanto-Hit nach dem anderen, von den italienischen Komponisten des 18. Jahrhunderts mit vielen schwierigen Verzierungen gespickt. Auch diejenigen, die keine eingefleischten Opernfans sind, lassen sich von dem Charme und Können der jungen Bremerin packen und prosten sich mit einem Gläschen Prosecco zu. Italienisches Lebensgefühl soll, wenn alles nach Plan läuft, auch in diesem Sommer wie schon im vergangenen Jahr auf dem Domshof zu erleben sein – dazu soll temporär ein Gerüstbau aufgestellt werden.
Damals wie heute sehnen sich die Menschen nach Monaten der Einschränkungen nach Livemusik und Kultur. Dieses Bedürfnis wurde nicht nur mit dem stadtweit veranstalteten Kultur-Sommer Summarum befriedigt, sondern auch mit dem Format „Open Space“, das Künstler und Kurator Amir Omerovic und Rektor Roland Lambrette von der Hochschule für Künste im Auftrag des Wirtschaftsressorts 2018 erfunden hatten.
Und da der Bremer Sommer mitunter launischer ist als der in Rom oder Verona, soll ab dem Frühjahr bis Ende September zur Belebung des außerhalb der Wochenmarktzeiten weitestgehend brachliegenden Domshofs ein temporärer, überdachter Bau in Höhe der Deutschen Bank errichtet werden. Leicht und luftig soll er sein und dabei natürlich die höchsten Sicherheitsanforderungen erfüllen, das ist Jan und Benjamin Wirth besonders wichtig. Damit sich der Bau nach einem halben Jahr leichter wieder recyceln lässt, wollen die beiden Architekten einen Gerüstbau kreieren, der multifunktional bespielbar ist.
Die bereits weit vorangeschrittenen Pläne dazu präsentierten jetzt Amir Omerovic und Architekt Jan Wirth im Stadtentwicklungsausschuss des Beirats Mitte. Die Idee: ein luftiger Gerüstbau von neun Metern Höhe, von dessen Dach-Terrasse aus sich ein Bremen-Panorama eröffnet. Zu der Aussichtsplattform soll eine große Treppe führen, die auch Sitzplätze bietet, um die etwa in der Markthalle 8 erworbenen Speisen und Getränke vor Ort verzehren zu können. Vorbilder sind eine ähnliche, temporäre Treppe, wie sie außen am Rotterdamer Haupt-Bahnhof angebracht wurde, und die berühmte spanische Treppe in Rom, einem der europaweit größten Anziehungspunkte. Jan Wirth weiß, wie es geht, immerhin hat er sein Metier auch in Rom studiert. Von daher scheinen die Chancen nicht schlecht zu stehen, dass er ein bisschen Dolce Vita ins eher nordisch geprägte Bremen bringen könnte.
Der temporäre Gerüstbau soll Platz für eine überdachte Bühne bieten, auf der Veranstaltungen mit einer großen Zahl von Kooperationspartnern quer durch alle Sparten stattfinden sollen. Dieser lebendige Mix des sommerlichen Formats „Open Space“ ist inzwischen zum Anziehungspunkt in der Innenstadt und damit zur Erfolgsgeschichte geworden. Außerdem soll in den Bau eine Galerie integriert werden, die von Absolventen der Hochschule für Künste mit ihren Abschluss-Arbeiten bespielt werden soll.
Omerovic und Wirth sind mit Messechef Hans Peter Schneider, der auch Chef des Großmarktes ist, in engem Kontakt, um die Koexistenz von Wochenmarkt-Beschickern und temporärem Bau abzusichern.
Laut Omerovic sollen auch die Standbetreiber einen Mehrwert davon haben, dass sie das Gebäude zum Teil mitbespielen können, etwa, indem sie sich an Koch-Shows beteiligen. Die Tragfähigkeit des temporären Gebäudes ist für 1600 Menschen ausgelegt. Doch bis endgültig alles in die Tat umgesetzt werden kann, muss erst eine entsprechende Baugenehmigung erteilt werden. Landesdenkmalpfleger Georg Skalecki hat bereits grünes Licht gegeben, besteht aber penibel auf die Erhaltung der Haupt-Sichtachsen.
Sportgeräte für die Wallanlagen
In der Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses wurde zudem eine Zwischenbilanz rund ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des Aktionsprogramms Innenstadt gezogen. Die Bebauung des Domshofs ist ein Teil davon. Das Programm geht nach der erneuten Corona-bedingten Ausbremsung durch den Lockdown seit Mitte Dezember bis Ende 2022 in die Verlängerung. Auch wenn das von ihr und ihrem Intendanten-Kollegen Hans König erdachte Walking-Act-Programm „Winterwonnen“ in kürzester Zeit dem erneuten Lockdown zum Opfer fiel, ist Renate Heitmann nach wie vor guter Dinge. Ihr Prinzip: Aufstehen und einfach weitermachen.
Freiluft-Kooperationen sind sowohl mit „Open Space“ und Bremer Festivals als auch mit der international vernetzten Szene Bremer Kulturschaffender vorgesehen. Zudem sollen Projektionsflächen in der City weiter entwickelt werden.
Jan Brüning vom Ressort Stadtentwicklung informierte außerdem darüber, dass nach Hamburger Vorbild drei bis fünf kleine Bewegungsinseln mit einfachen Sportgeräten, die jede und jeder nutzen kann, in den Wallanlagen aufgestellt werden sollen. Die ersten Pop-up-Stores in der Obernstraße und in der Knochenhauer-Straße beginnen damit, einzelne Kunden nach Termin-Vergabe zu empfangen, der Concept-Store in der Sögestraße will bald nachziehen.
Kultur im Freien
Das „Open Space“-Programm von Mitte April bis Ende September bedient ein breites Spektrum: Geplant sind Mittags- und Abendkonzerte aus allen Musiksparten von Pop bis Oper, beispielsweise sind für den 23. Juni ein Chor-Festival geplant und für den 10. und 14. Juli zwei Operngalas. Außerdem wollen die „Open Space“-Macher mit Festivals wie dem Musikfest Bremen, dem Filmfest sowie dem stadtteil- und Museenübergreifenden Kunst-Projekt „Smell it“ kooperieren. Zudem geplant: die Aufführung von Theaterstücken sowie Thementage in Kooperation mit dem Alfred-Wegener-Institut und dem Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven oder zur UN-Dekade „Seas and Oceans“ .