Das Volksbegehren „Mehr Demokratie beim Wählen“, mit dem eine Reform des aktuellen Bürgerschaftswahlrechtes erzwungen werden sollte, ist offenbar gescheitert. Nach Informationen des WESER-KURIER haben die Initiatoren die notwendige Zahl gültiger Unterschriften knapp verfehlt. Damit wird es in naher Zukunft nicht zu einem Volksentscheid über das Wahlrecht kommen, wie ihn der Verein „Mehr Demokratie“ erhofft hatte. Offiziell soll das Ergebnis am Montag vom Landeswahlleiter mitgeteilt werden.
Ausgangspunkt des Volksbegehrens war die im Februar 2018 von der Bürgerschaft beschlossene Änderung des Wahlrechts. Sie bewirkt, dass es Kandidaten von den hinteren Rängen der Parteilisten in Zukunft schwerer haben, mit ihren Personenstimmen ein Mandat im Parlament zu erringen. „Mehr Demokratie“ hatte dies von Anfang an vehement kritisiert und ein Volksbegehren auf den Weg gebracht, das einen anderen Modus für die Mandatszuteilung vorsieht. Kernforderung: Es sollen nur noch diejenigen Stimmen, die direkt an die Kandidaten vergeben wurden, über den Einzug in die Bürgerschaft entscheiden. Für die Mandatszuteilung würden zunächst sämtliche Listenstimmen für eine Partei zusammengezählt und gleichmäßig auf alle ihre Kandidaten verteilt. Diesen Stimmen würden dann die jeweiligen Personenstimmen hinzugerechnet.
Ein Wahlrecht, das auf diesem System fußt, wollten die Initiatoren über direkte Demokratie durchsetzen – per Volksbegehren und anschließenden Volksentscheid. 24 380 gültige Unterschriften aus Bremen und Bremerhaven wären für ein erfolgreiches Volksbegehren notwendig gewesen. Der Volksentscheid hätte dann gleichzeitig mit der kommenden Bürgerschaftswahl abgehalten werden können. Mitte August 2018 startete „Mehr Demokratie“ die Sammlung. Ziel war es, innerhalb von drei Monaten rund 30.000 Unterschriften zusammenzubringen, um einen Puffer für den Abzug ungültiger Unterschriften zu haben. Denn erfahrungsgemäß unterzeichnen manche Unterstützer mehrfach oder tragen sich in die Listen ein, obwohl sie ihren Hauptwohnsitz im niedersächsischen Umland haben und deshalb gar nicht teilnehmen dürfen.
Nach einer aufwendig geführten Kampagne übergab „Mehr Demokratie“ Mitte November exakt 26355 Unterschriften den Behörden zur Prüfung. Wie sich nun herausstellt, war der Puffer offenbar zu gering. Nach Informationen des WESER-KURIER untersuchten das Bürgeramt Bremen und das Bürgerbüro Bremerhaven zunächst stichprobenartig, wie hoch der Anteil ungültiger Unterschriften war. Ein solches Verfahren wird in der Regel zugunsten der Initiatoren eines Volksbegehrens angewendet. Sind die zufällig ausgewählten Unterschriftenbögen okay und der Puffer groß genug, wird angenommen, dass das Begehren erfolgreich war.
Bei den Stichproben gab es dem Vernehmen nach jedoch zahlreiche Auffälligkeiten, so dass sich die Behörden für eine Komplettauswertung aller gut 26.000 Unterschriften entschieden. Nach Abzug der ungültigen Signaturen wurde die notwendige Mindestzahl gültiger Unterschriften offenbar nicht erreicht. Die exakte Differenz zu den notwendigen 24.380 Unterstützern des Volksbegehrens war am Freitag noch nicht in Erfahrung zu bringen. Sie sei „knapp, aber nicht hauchdünn“, hieß es inoffiziell in Behördenkreisen.
Der politische Streit über das bremische Wahlrecht war im Herbst vergangenen Jahres äußerst heftig geführt worden. Während der Verein „Mehr Demokratie“ argumentierte, sein Reformvorschlag sorge für mehr Transparenz des Wählervotums und vor allem für mehr Einfluss der Bürger auf die personelle Zusammensetzung des Parlaments, warf insbesondere die SPD den Organisatoren des Volksbegehrens Populismus vor. Sie schürten eine latent parteienfeindliche Stimmung im Land, urteilte Bremens SPD-Chefin Sascha Aulepp. Auch unter Experten aus dem akademischen Bereich gingen die Meinungen darüber auseinander, ob eine Realisierung der Vorschläge von „Mehr Demokratie“ den Wählerwillen besser abbilden würde als das geltende Wahlrecht. Von den Initiatoren des Volksbegehrens war am Freitag keine Stellungnahme zum Resultat der Unterschriftenauszählung zu erhalten.