Zwischen dem Neustädter Stadtgarten-Projekt „Ab geht die Lucie“ und dem Immobilienunternehmen Justus Grosse kam es Anfang November zu Spannungen. Denn der Bremer Wohnungsriese äußerte im Sommer die Idee, einen Teil der gesetzlich vorgeschriebenen Spielfläche der Weser Höfe auf dem Lucie-Flechtmann zu verwirklichen. Die Stadtgarten-Gestalter, die den Platz seit Anfang des Jahres bepflanzen, kritisieren diesen Vorschlag. Sie befürchteten, dass das Unternehmen auf den Platz ihres Nachbarschaftsgartens drängen wolle. Als Vermittler schaltete sich die Stadtplanung Anfang November ein beruhigte die Aktiven des Stadtgartenprojekts. In der vergangenen Woche gaben alle Verantwortlichen Entwarnung.
Die Initiative „Ab geht die Lucie“ belebt seit 2013 den zuvor brachliegenden Lucie-Flechtmann-Platz mit Hochbeeten und Stadtmöbeln. Seit Anfang des Jahres haben sie einen Nutzungsvertrag mit der Stadt Bremen und dürfen den entsiegelten Platz selbstbestimmt bepflanzen. Die Ehrenamtlichen des einzigartigen Bremer Gartenprojekts fühlten sich jedoch seit Juli von ihrem neuen Nachbarn bedroht.
Das Unternehmen Justus Grosse baut am Ufer nebenan die Weser Höfe, also einen Wohnkomplex mit 290 Wohnungen. Bei einem Neubau dieser Größe ist der Eigentümer verpflichtet, Spielflächen auf seiner Fläche zu realisieren. In der Regel würden diese in den Innenhöfen solcher Gebäudekomplexe gebaut, sagt der Stadtplaner Markus Borgelt. Das Immobilienunternehmen hatte jedoch eine andere Idee.
„Justus Grosse wollte 20 Prozent der Spielfläche auf den Lucie-Flechtmann-Platz auslagern“, sagt Borgelt. Das Unternehmen schlug der Stadtteilinitiative also vor, neue Spielgeräte zu kaufen – ein Vorschlag, den Borgelt nicht anrüchig findet. „Das war vielleicht etwas naiv oder auch flapsig gedacht“, sagt er. Justus Grosse habe jedoch nur die Initiative unterstützen und gleichzeitig seine eigenen Interessen durchsetzen wollen.
Der Geschäftsführer von Justus Grosse, Clemens Paul, spricht jedoch nur von Unterstützung. Sie hätten ein Interesse daran, dass es auf dem Lucie-Flechtmann-Platz vorangehe, sagt er. „Wir haben genug Spielplätze auf unserem Grundstück. Wir brauchen die Fläche nicht“, sagt er. Dass Menschen sich für einen öffentlichen Platz engagierten, finde er gut.
Eine der dort aktiven, Eva Kirschenmann, kritisiert jedoch das Vorgehen des Unternehmens. So hätte die Mitarbeiterin von Justus Grosse, die das Lucie-Plenum im Juli besuchte, ihr Anliegen gar nicht klar formuliert. Sie habe nur angeboten, die Lucie mit einem Spielplatz zu unterstützen. Das hätten die Aktiven jedoch schnell abgelehnt. Einen Spielplatz zu pflegen, bedeute viel Aufwand und hohe Wartungskosten. Das sei zu viel für das ehrenamtliche Projekt. „Wir möchten keinen Spielplatz pflegen müssen“, sagt Kirschenmann. Außerdem solle die Lucie kein Spielplatz wie jeder andere werden.
Der Aktiven zufolge beließ es Justus Grosse jedoch nicht nur bei einem einmaligen Angebot. Auch in den Folgewochen erhielt das Projekt mehrere Anfragen per Mail zu dem Spielgerät. Paul erklärt die Nachrichten retrospektiv so: „Wir haben das so verstanden, dass die Lucie neue Spielgeräte bräuchte.“ Sie wollten den Spielplatz stellen. „Vielleicht haben wir auch etwas falsch verstanden“, räumt er ein.
Spannungsreich wurde der Kontakt aus Kirschenmanns Sicht jedoch erst, als die Stadtverwaltung im Herbst die Aktiven ebenfalls auf einen Spielplatz auf dem Lucie-Flechtmann-Platz ansprach. „Es kamen auch entsprechende Anfragen von der Verwaltung“, berichtet die ehrenamtliche Gärtnerin. Borgelt widerspricht: Solche Anfragen hätte es nicht gegeben.
Am ersten November wehrte sich das Lucie-Projekt gegen die vermeintliche Einflussnahme und veröffentlicht eine Stellungnahme auf ihrem Blog. Dort werfen sie dem Immobilienunternehmen vor, ihre Spielfläche auf den Lucie-Flechtmann-Platz auslagern zu wollen. „Uns wundert das: Wie kann eine bereits bestehende Freifläche für die bisherigen Neustädter_innen als Neuschaffung für die zahlreichen neuen Bewohner_innen der Weser Höfe gewertet werden?“, schreiben sie dort. Die Macherinnen und Macher das Stadtgartens fühlen sich bedroht.
Stadtplaner greifen ein
Nach diesem Blogpost hat sich die Stadtplanung Borgelt zufolge das erste Mal eingemischt. Auf der Einwohnerversammlung am sechsten November hätten sie die Spielfläche mit allen Beteiligten der Weser Höfe und des Lucie-Flechtmann-Platz besprochen. Dort seien dann zwar alle anwesend gewesen, nur das Spielflächen-Thema sei lange nicht zur Sprache gekommen, beklagt Kirschenmann. Die Aktiven hätten drei Mal nachhaken müssen, bis endlich jemand von Justus Grosse erklärt habe, dass sie die gesetzlich geforderte Spielfläche nicht auf den Stadtgarten auslagern wollten. Paul behauptet, er habe dann erst erfahren, dass kein Interesse an neuem Spielgerät bestehe.
Wirkliche Klärung brachte den Aktiven erst der Folgetag in Borgelts Büro. Der Stadtplaner haben ihnen dort zugesichert, dass die Lucie keine Spielfläche für Justus Grosse abgeben müsse, berichtet Kirschenmann. Selbst wenn der Immobilieneigentümer über keine freie Fläche für Spielplätze verfüge, würde die Stadt mit der verpflichtenden Ablöse woanders einen Spielplatz schaffen, erklärt auch Borgelt. Allerdings habe er bei dem Treffen angeregt, dass die Aktiven über einen Freizeitfläche beispielsweise in Form eines Volleyballfeldes nachdenken sollten. „Das ist ein öffentlicher Platz“, sagt er. Die Aktiven müssten immer damit rechnen, dass Andere ebenfalls Vorschläge für ihn hätten. „Die Lucis müssen ihre Idee immer wieder verteidigen“, sagt Borgelt.