Seine Kalender haben inzwischen Tradition: Jedes Jahr stellt der Schwachhauser Archivar Peter Strotmann für die Kalender-Manufaktur Verden Fotos aus dem Stadtteil oder aus ganz Bremen zusammen. „Als ich im Staatsarchiv gestöbert habe, sprangen mir die Luftbilder, die Bremen in den 1950er- und 1960er-Jahren zeigen, sofort ins Auge,“, sagt Peter Strotmann. Für das kommende Jahr hat er 13 Fotografien ausgewählt, die Bremen von oben zeigen, aufgenommen von einer westdeutschen Luftbild-Firma. Als das Unternehmen pleite ging, kaufte das Bremer Staatsarchiv aus der Konkursmasse die zahlreichen Fotos, und Peter Strotmann hat für den Kalender einige erworben.
Mancher Bremen-Kenner wird sich wundern, wie sehr sich die Stadt seitdem verändert hat: Auf dem Titelblatt zeigt sich der Bahnhofsvorplatz noch fast als Idylle: Eine große Rasenfläche, wo heute das City Gate steht, und eine gewisse Weitläufigkeit statt enger Bebauung bestimmen das Bild.
Zwölf Bilder für je einen Monat zeigen so Manches, was es heute nicht mehr gibt: zum Beispiel den Kern der Altstadt im Jahr 1953, als dort noch die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Börse stand, an deren Stelle das Haus der Bürgerschaft errichtet wurde. Oder die Goliath-Borgward Werke, eines der drei Borgward-Automobilwerke, das in Hastedt stand und nach der Pleite der Borgward-Werke im Jahr 1961 noch zwei weitere Jahre produzierte. Seit 1999 steht dort das Hastedter Einkaufszentrum Hansa Carré.
Vor dem Bürgerhaus Weserterrassen erstreckte sich, wie auf einem Luftbild von 1953 zu erkennen, noch ein weitläufiger Badestrand, an dem „wild“ gebadet werden durfte. Im Jahre 1955 wurde das verboten, das Gelände verfüllt und das Ufer mit Steinen gesichert. Während auf dem Flughafen Bremen Mitte der 1950er-Jahre noch Propellermaschinen das Bild bestimmten, stapelten sich im Vegesacker Hafen noch Heringsfässer, und auf der Bürgerweide nahm der Schlachthof, 1978 abgerissen, noch großen Platz ein.
Doch auch Wiedererkennungseffekte ergeben sich auf einigen Fotos: Die 1963 eröffnete Stadthalle steht heute noch fast so da wie früher – und auf der Bürgerweide durfte man damals noch kostenlos parken. Ein Luftbild zeigt den riesigen Wohnkomplex der Neuen Vahr mit seinen lang gestreckten weißen Mietshäusern, die 1957 bis 1962 errichtet wurden.
„Es war die reinste Rosinen-Pickerei, aus den etwa 200 Luftbildern geeignete auszuwählen“, sagt Strotmann, „denn einige Fotos waren in der Qualität nicht gut genug – sei es, weil sie unscharf waren, sei es, weil mich der Bildaufbau nicht zufriedenstellte. Wichtig waren mir für die endgültige Auswahl auch Anknüpfungspunkte vom Heute zum Gestern.“ So können die Betrachter den vielen Details auf den Fotografien genau nachgehen: Was hat sich verändert, und was ist gleich geblieben? – Bremer Geschichte wird auch durch die instruktiven Erläuterungen unter den insgesamt beeindruckenden Fotos vermittelt.
Seit zwölf Jahren ist Strotmann - auch als Mitglied im Arbeitskreis Bremer Archive - dabei, bremische Geschichte aufzuarbeiten. „Die Arbeit mache ich als Einzelkämpfer“, sagt er, und legt dabei eine enorme Produktivität an den Tag: „Inzwischen habe ich für das Schwachhausen Magazin rund 50 Ausgaben mit Texten beliefert und fast jedes Jahr ein neues Buch gemacht.“ Daneben schreibt der Schwachhauser zum Beispiel auch noch für das Internet-Magazin „Bremen History“ und den Weser-Kurier.
Bei einigen früheren Kalendern hat Strotmann sich auf Schwachhausen beschränkt und zum Beispiel historische Gaststätten, Restaurants und Hotels gezeigt, inzwischen ist er jedoch auf Bilder aus ganz Bremen umgeschwenkt. „Denn der Kalenderverkauf ausschließlich in Schwachhausen verlief angesichts der nur drei Buchhandlungen im Stadtteil eher schleppend“, erklärt Strotmann.
Als Stadthistoriker muss er sich allerdings auch seine eigenen Grenzen stecken: „Aktuelle Ereignisse zu dokumentieren, wie zum Beispiel die Corona-Krise,würde ich allein niemals schaffen“, sagt er, „und auch allzu weit in die Vergangenheit, bis ins Mittelalter beispielsweise, gehe ich nicht zurück. Wichtig ist, dass ich einen persönlichen Bezug zum historischen Geschehen habe.“ Und das ist für den 1946 geborenen ehemaligen Maschinenbau-Ingenieur vor allem die Kriegs- und Nachkriegszeit.
Allein in seinem Stadtteil Schwachhausen, für den er ein eigenes Archiv betreibt, bleibt ihm genügend zu tun: „So habe ich in der Schwachhauser Heerstraße jedes Haus fotografiert, das waren mehr als 300“, sagt er, „und für jedes Haus habe ich ein eigenes Blatt angelegt.“ Für ihn sei es ungemein befriedigend, mit jedem Artikel oder Buch ein eigenes Produkt zu schaffen, auch wenn er meistens nicht dafür entlohnt wird und vieles im Selbstverlag herausgibt. „Ich habe mir inzwischen vorgenommen, nichts mehr für mich selber zu schreiben, sondern alles, was ich produziere, auch zu veröffentlichen“, sagt Strotmann.
Weitere Informationen
Der historische Bremen-Kalender ist in allen Thalia-Filialen und in den einschlägigen Schwachhauser Buchhandlungen zum Preis von 19 Euro erhältlich.
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