Bremens Kreisverkehr, der Stern, macht seiner baulichen Eigenheiten wegen immer wieder Eindruck auf die Verkehrsteilnehmer: Fußgänger, Fahrer aller Arten von Zweirädern, von Autos, Lastwagen, Bussen und Straßenbahnen bewegen sich täglich durch das fünfzackige Verkehrswegegewirr. Wer dort verkehrt, begegnet sich auf engem Raum – und kommt sich mitunter zu nahe. Die Polizei führt den Stern als Unfallschwerpunkt, auch nachdem er vor zwei Jahren umgestaltet worden ist. Dennoch kommt es hier immer wieder zu Schwierigkeiten. Deshalb haben am Montag rund 30 Polizeibeamte bei einer dreistündigen Kontrolle versucht, vor allem Zweiradfahrer für die Gefahren zu sensibilisieren. Motto: „Passt auf euch auf.“
Am Mittag schon erste Erfolge
Erste Erfolge waren am Mittag schon nach einer halben Stunde zu verzeichnen: Willy Oosting und ihr Mann Gus, die aus Hoogeveen in der niederländischen Provinz Drenthe kommen, hatten gerade die Blockland-Tour hinter sich, „und dann hier plötzlich der viele Verkehr, das ist ein ganz schöner Kontrast“, fand Gus Oosting. Nein, Stress sei die Stern-Fahrt nicht für sie als Routiniers, „aber gefährlich ist das“. Seine Frau sieht das ähnlich. „Bei uns heißen die Kreisel Rotunde, das ist auf jeden Fall sicherer als Kreuzungen.“ Dank der Aktion sind sie zusätzlich gewarnt.
Defensives Fahren, gegenseitige Rücksichtnahme statt Rechthaberei, das sind die Themen, die Claudia Hallensleben, stellvertretende Sachgebietsleiterin Prävention bei der Bremer Polizei, und ihre Kollegen rund um den Stern im Dialog mit Radlern und Fußgängern zur Sprache gebracht haben. „Wenn wir Autos anhalten würden, hätten wir im Handumdrehen einen Riesenstau verursacht“, sagt Hallensleben. Deshalb blieb die Aktion auf Radfahrer und Fußgänger konzentriert.
Dennoch ging es letztlich um Kraftfahrer: „Auch Radfahrer müssen den toten Winkel kennen“, sagt sie. Um zu verstehen, dass sie unter Umständen nicht zu sehen sind „und wissen, dass Autofahrer eben nicht immer den Schulterblick machen“, ehe sie abbiegen. Im Stern heißt das: Sowohl beim Ein- als Ausfahren in und aus dem Kreisverkehr kreuzen Autos den Radweg, und es droht Gefahr.
Im vergangenen Jahr hat es dort 67 Verkehrsunfälle gegeben, darunter 29 unter Beteiligung von Fahrradfahrern. Im Jahr 2017, als der Stern umgestaltet wurde und nach einhelliger Expertenmeinung damit Gefahrenstellen entschärft worden sind, waren es 46 mit 20 beteiligten Radlern. Im Jahr 2014 hatte es dort 68 Unfälle gegeben, 26 davon mit Radfahrern. Das Verkehrsressort geht seit Jahren von unverändert rund 25.000 Kraftfahrzeugen aus, die den Kreisverkehr täglich passieren. 2014 seien dort 5500 Fahrradfahrten am Tag gezählt worden, im vergangenen Jahr doppelt so viele. „Das war ein Bombensommer mit entsprechend mehr Verkehrsaufkommen“, sagt Claudia Hallensleben, „und an die neue Gestaltung mussten sich alle gewöhnen.“
Besser mit Beleuchtung
Dominik Weckwerth, der den Stern täglich auf dem Weg zur Arbeit von der Hermann-Böse-Straße bis zur Hollerallee durchfährt, kommt gut klar. Er ist ohne Bußgeld durch die Kontrolle gekommen, hat aber einen ernsten Rat bekommen: Sein Fixie-Fahrrad ist zwar mit bissigen Bremsen ausgestattet, beste Bedingungen für einen defensiven Fahrstil wären aber erst erfüllt, gäbe es auch eine Beleuchtung. „Die muss ich wohl beschaffen“, räumt der junge Mann nach einem kurzen Gespräch mit einem ebenso jungen Polizeikommissaranwärter ein, der nicht namentlich genannt werden möchte.
Die Stimmung ist locker. Wie es aussieht, an allen fünf Sternstrahlen. Unter den jungen Polizisten der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Bremen und im Gespräch mit Radlern und Passanten. „Ich weiß schon, kein Licht, und ein Reflektor fehlt“, sagt die Frau auf dem alten Hollandrad im Vorbeirollen. Das ist ihr spätestens seit der vorherigen Ausfahrt klar, wo sie bereits gestoppt wurde. Und sie will daran denken, die Mängel zu beheben. Zur eigenen Sicherheit.
Geschenke sollen Aufmerksamkeit erhöhen
„Wir werden wahrscheinlich keine Gelder nehmen“, hatte Claudia Hallensleben zuvor angekündigt, der Dialog sollte ganz im Zeichen der Vorbeugung stehen. Und dabei blieb es. Selbst der freihändig und telefonierend fahrende Radler kam ungeschoren davon, aber nicht ohne Ermahnung. Gesprächsbedarf gab es auch ohne Regelverstöße. „Wir halten möglichst alle an.“ Kleine Geschenke auf gute Partnerschaft sollen die Aufmerksamkeit erhöhen: zum Beispiel Reflektorbänder, die die Hosenklammer ersetzen. Die Geschenke haben einen Sinn: „Die Leute beschäftigen sich auf diese Weise mit dem Thema Sichtbarkeit“, sagt die Präventionspolizistin, „und das ist wichtig.“ Auch wenn der Herbst noch lange nicht dämmert.
Zuletzt hatte es eine solche Aktion 2016 am Stern gegeben, also noch vor dem Umbau. 2017 sei eine bereits geplante Kontrolle buchstäblich ins Wasser gefallen: „Einen Tag vorher hatte es einen Orkan gegeben“, erinnert sich Claudia Hallensleben. Und: „Wir haben immer eine sehr positive Rückmeldung vor Ort, die Leute finden das gut.“ Nur der Pedelecfahrer, an dessen Rad zunächst irrtümlich das Fehlen eines Versicherungskennzeichens moniert wurde, war ein bisschen genervt. Nicht des Irrtums wegen, „aber hier werden dauernd Fahrradfahrer kontrolliert, dass Autos angehalten werden, habe ich noch nicht erlebt“.
„Mehrere Hundert“ Fahrer von Pedelecs, E-Bikes und Fahrrädern aller Arten, schätzte Claudia Hallensleben am Nachmittag, seien so am Stern in Kontakt mit den Beamten gekommen. Mit von der Partie war auch der Deutsche Verkehrssicherheitsrat. Anja Steinbacher aus Hamburg und David Nguyen aus Lüneburg unterstützten die Polizei mit ihrem Informationsstand zum Thema „Innerortssicherheit“ und verteilen Broschüren: „Aus den Augen aus dem Sinn: Die Gefahren des toten Winkels.“ Über die Wirksamkeit solcher Kontrollen kann auch Claudia Hallensleben nur spekulieren: „Präventionserfolge sind schwer messbar.“