Sie muss gar nicht weit gehen vom Treffpunkt auf dem Marktplatz am Einkaufszentrum Berliner Freiheit. Ein paar Schritte nur, der Bollerwagen, nun ja, bollert hinterher, an der Richard-Boljahn-Allee, bleibt Petra Hoya stehen: Im Gebüsch neben der Straße haben sich zahlreiche Essensverpackungen, Schutzmasken und leere Zigarettenschachteln angesammelt. Hoya beginnt mit einem Müllgreifer und einem Müllsack den Abfall der anderen aufzuräumen, so wie jeden zweiten Sonnabend im Monat. Sie hofft, dass sich ihr noch mehr Vahrer in der Initiative „Saubere Vahr“ anschließen.
„Der Stadtteil ist mir eine Herzensangelegenheit“, sagt die Bewohnerin über ihre Motivation, Zeit und auch Geld in die Sauberkeit der Vahr zu investieren. Sie geht dabei auch in die versteckten Ecken, die besonders unappetitlich sind. „Es mag oberflächlich sauber sein, aber wir haben in den Gebüschen schon einiges gefunden: Windeln, Binden, das Skelett von einem alten Motorrad.“
Den Müll, den Hoya und ihr Mann sammeln, wandert in einen Bremer Müllsack, den sie zu ihrem privaten Abfall stellen. 5,50 Euro kostet ein solcher Beutel, 70 Liter gehen hinein. Aber das Volumen reicht bei weitem nicht für die zweistündigen Touren der Hoyas. „Ich kann gar nicht so schnell gucken, wir der voll ist“, sagt sie.

Mund-Nase-Masken findet die Müllsammlerin leider immer häufiger.
Achtlos Weggeworfenes von Menschen aller Altersgruppen finden die ehrenamtlichen Müllsammler. „Bonbonpapier, Styropor, Schnapsflaschen, leere Drogentütchen“, zählt Hoya auf. Daneben außerdem größere Fundstücke: „Rollerskates, Autoreifen, Handtaschen, Rucksäcke, Coffee-to-go-Becher.“ Offenbar entledigen sich einige Bewohner der Vahr ihres Hausrats im öffentlichen Raum. Dass sie die Arbeit anderer mache, die eigentlich dafür zuständig wären – so möchte Hoya ihr Engagement nicht sehen. „Ich mag einfach eine saubere Vahr.“ Dafür sucht sie Unterstützung. „Ich möchte das gerne mit den Bewohnern der Vahr machen“, betont sie. Jeder sei willkommen, nach Zeit und Lust mitzumachen.
Sie selbst ist über „Bremen räumt auf“, eine Umweltinitiative, die das Thema Müllvermeidung und Sauberkeit einmal im Jahr mit einer gemeinsamen Aufräumaktion ins Bewusstsein der Menschen rücken möchte, zu ihren 14-tägigen Streifzügen gegen den Müll gekommen. „Das hat mir aber nicht gereicht“, erzählt sie. Deswegen habe sie die private Initiative gegründet. „Ohne Sponsoren“, wie sie betont. Auf ihren Touren deckt sie die gesamte Vahr ab, kehrt sozusagen nicht nur vor der eigenen Haustür. „Ich möchte den ganzen Stadtteil sauber machen.“
Dass ihre Arbeit meist nur von kurzfristigen Erfolg gekrönt ist, verdrießt Hoya, die für die CDU im Beirat Vahr sitzt, nicht. Sie sagt aber auch, dass mehr für die Sauberkeit notwendig ist. „Man muss im Kindergartenalter mit der Müllerziehung anfangen.“ Denn Achtsamkeit und Müllvermeidung habe auch etwas mit Erziehung zu tun.
Bei der Flut an To-Go- und Fast-Food-Verpackungen sieht sie aber auch die Verpackungsindustrie und die Restaurantbetreiber in der Pflicht. „Wir sind als Gesellschaft als Ganzes gefragt, wie wir weniger Müll produzieren.“ Dennoch: „Jeder Einzelne ist in der Pflicht, selbst für Sauberkeit zu sorgen, wir müssen unseren Teil beitragen.“ Alles nur auf öffentliche Einrichtung, wie die Bremer Stadtreinigung zu schieben, sei nicht zielführend. „Das stellen sich die Bürger zu einfach vor.“

Auf ihrem Bollerwagen ist deutlich zu lesen, wofür sie sich engagiert: für eine saubere Vahr.
Was sie allerdings nicht nachvollziehen könne, ist die Gedankenlosigkeit mancher Vahrer. „Der Vahrer See ist so ein schöner Park und dann achten viele da gar nicht drauf oder sie merken es einfach nicht, wenn sie etwas fallen lassen.“ Ein Zustand, der offenbar zunehmend zur Normalität werde. „Und das finde ich erschreckend.“
Petra Hoya scheut sich auf ihren Rundgängen auch nicht, andere anzusprechen. „Wenn man jemanden nett anspricht, dann machen die das in der Regel auch“, hat sie beobachtet. „Das Schlimmste wäre, wenn jemand einen belächelt und einem den Müll vor die Füße wirft.“ Das allerdings sei noch nie der Fall gewesen.
Umgekehrt bekommt sie für die Mühe, die sie sich macht, auch etwas zurück. „Es macht mir Spaß, weil ich Dankbarkeit und Anerkennung von den Vahrern bekomme.“ Sie hoffe, dass sich ihr noch ein paar der über 27 000 „Vahraonen“ anschließen. Dann wendet sie sich wieder dem Müll im Gebüsch zu, der Restmüllbeutel ist schon nach kurzer Zeit gut gefüllt.
Weitere Informationen
Am kommenden Sonnabend, 22. August, um 10 Uhr trifft sich die Initiative Saubere Vahr auf der Rückseite des Aalto-Hochhauses. Fragen und weitere Informationen per E-Mail an p.hoya69@gmail.com.
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