Am Montag sollte die Vegesacker Wohnung zum ersten Mal zwangsgeräumt werden, doch die Gerichtsvollzieherin konnte nicht räumen lassen. Aktivisten eines Bremer Bündnisses verhinderten das. 30 Frauen und Männer sollen es gewesen sein, die dafür sorgten, dass die Vollstreckung scheiterte. Am Donnerstag kam die Gerichtsvollzieherin wieder, diesmal mit einem Großaufgebot der Polizei. Es sollen so viele Beamte im Einsatz gewesen sein, wie das Bündnis drei Tage zuvor an Aktivisten mobilisiert hatte. Die waren diesmal allerdings gar nicht gekommen – bewusst nicht, wie deren Sprecher sagt.
Der Mann heißt Herbert Thomsen und gehört zum „Bremer Bündnis Zwangsräumen verhindern“. Wer geräumt werden soll, kann ihn anrufen. Thomsen berät Mieter und hat nach eigenem Bekunden schon mehrere Räumungen verhindert. Mal durch Gespräche mit dem Vermieter, mal mithilfe von Aktivisten, die sich mitunter stundenlang auf die Stufen eines Treppenhauses setzen, zu dem es zur Wohnung geht, die geräumt werden soll. Wie am Montag in einem Mehrfamilienhaus in Vegesack. Laut Thomsen mussten alle unverrichteter Dinge wieder abziehen: die Möbelpacker, ein Vertreter des Vermieters, die Gerichtsvollzieherin. Und die Polizisten, die auch beim ersten Mal gerufen worden waren, um Amtshilfe zu leisten.
Thomsen sagt, dass das Bündnis auf Zwangsräumungen und in Not geratene Mieter aufmerksam machen will, sich aber „keine Schlacht mit Polizeibeamten liefert“. Darum ist ihm zufolge die Aktion der Aktivisten am Donnerstag nicht wiederholt worden. Dass die Gerichtsvollzieherin wiederkommen würde, habe man gewusst – und auch fest damit gerechnet, dass sie diesmal mehr Einsatzkräfte begleiten werden. Für Thomsen ist das zweite Aufgebot der Polizei „vollkommen übertrieben“ gewesen. So viele Beamte, meint er, kommen für gewöhnlich bei der Besetzung eines großen Hauses zusammen, aber nicht bei der Räumung einer einzelnen Wohnung wegen Mietrückständen.
Franka Haedtke sagt nicht, wie viele Beamte am Donnerstag beim Vegesacker Mehrfamilienhaus im Einsatz waren. Sondern nur, dass es mehr waren, als beim ersten Mal – aus Vorsorge. „Schließlich“, sagt die Polizeisprecherin, „musste damit gerechnet werden, dass wieder viele Aktivisten kommen.“ Dass auch ein Spezialeinsatzkommando vor Ort gewesen sein soll, kann Haedtke so nicht bestätigen. Sie spricht stattdessen von mehreren Spezialkräften, die die Beamten vor Ort unterstützt haben – ebenfalls vorsorglich. Laut Haedtke gab es Hinweise darauf, dass sich Waffen in der Wohnung befinden. Allerdings sollen keine gefunden worden sein.
Die Beamten und Möbelpacker fanden nach Angaben von Thomsen im Grunde nur eines vor: den Wohnungsschlüssel, den der Mieter mit Tesafilm an die Tür geklebt hatte. „Es musste“, sagt der Bündnissprecher, „also nichts aufgebrochen werden.“ Ihm zufolge war nicht nur das Aufgebot der Polizei unnötig, sondern auch die Zwangsräumung. Für ihn hat nämlich nicht der Mieter Schuld an den Zahlungsrückständen, die letztlich zum gerichtlichen Räumungstitel geführt haben. Er meint, dass Behörden über Monate nicht in der Lage gewesen waren, Bescheide korrekt zu berechnen und Beiträge an den Vermieter zu überweisen.
Bernd Botzenhardt sagt etwas anderes. Der Chef der Brebau GmbH, der das Vegesacker Mehrfamilienhaus gehört, will nach eigenem Bekunden nichts von falschen Bescheiden wissen. Aber von mehreren Versuchen seitens des Unternehmens, die Räumung abzuwenden. „Wir haben eine eigene Mietschuldberatung – und bestimmt kein Interesse daran, eine Wohnung räumen zu lassen.“ Das Geld, das nicht gezahlt wird, bekämen Wohnungsunternehmen schließlich nicht wieder. Doch auf die Post von der Brebau habe der Mieter nicht reagiert, auch nicht auf die mehrfachen Mahnungen, denen schließlich die Kündigung folgte. Und dann die Zwangsräumung.
Wie viele pro Jahr im Norden vollstreckt werden, kann Stefanie Tönjes ad hoc nicht sagen. Dafür aber, wie vielen Räumungsklagen stattgegeben wurde. Die Blumenthaler Amtsrichterin sagt, dass es vor einem Jahr 116 waren, vor zwei Jahren 135 und vor drei Jahren 119. Der Trend ist ihr zufolge schwankend und im Vorjahresvergleich rückläufig. Sie kommt auf einen Mittelwert von minus 22 Prozent.