Ganz am Ende von Rablinghausen, am Eingang zum Neustädter Hafen, liegt das Lankenauer Höft. Dort, in der Kulturkneipe „Golden City“, kracht heute Abend die Bude. Im aktuellen Musiktheaterprojekt „Die Golden City-Zukunftskommission 2035“ bringen Nomena Struß und Frauke Wilhelm Schlager mit nihilistischen Texten des Autors Sönke Busch zusammen, erzählen von Zukunftsplänen und kehren mit einer Zeitmaschine aus der Zukunft zurück. Dafür verwandeln sich Struß und Wilhelm in das skurrile Duo Ramon Ariola und Ramona Locker: Sie im Kleid mit biederer Hochsteckfrisur, er als emotionaler Charakter-Kerl mit Vokuhila und Lederjacke in Gold. Es gibt Peter Maffays Hit „Es war Sommer“ zum Mitsingen, ebenso wie dramatische Szenen und Situationskomik. Struß ist Theaterschauspielerin, Wilhelms Musikerin. Das erklärt die Bandbreite. Und das mache die Zusammenarbeit so spannend, sagt Struß.
Theater als Verzweiflungstat
„Anlass war die Bremer Zukunftskommission und auch unser eigenes Sein hier“, sagt Wilhelm. Denn Anfang Oktober, nach dem Ende des Programms, müssen die freischaffenden Künstlerinnen das Gebäude verlassen. Das „Golden City“ ist nur eine Übergangslösung, bis der Wirtschaftssenator einen neuen Investor gefunden hat. Vorher war hier lange Jahre die Gaststätte der Familie Oekermann, bis die Stadt 2016 den Pachtvertrag nicht verlängerte. Das haben die Künstlerinnen thematisch mit der Zukunftskommission verbunden, die für Bremen und Bremerhaven Pläne bis 2035 für die Verwendung von zusätzlichen Gelder aus dem Finanzausgleich aufgestellt hat. „In solchen Prozessen kommen abstrakten Werte raus, die dann jemand erfüllen soll für viel Geld. Aber im Prinzip sind doch Leute da! Also gebt das Geld den Künstlern“, meint Wilhelm. Auch für das Lankenauer Höft gab es einen Bürger-Beteiligungsprozess, um Ideen für die Zukunft des Geländes zu sammeln. „Obwohl wir jetzt hier sind und es ganz gut läuft“, beschwert sich Wilhelms.
Es sei deshalb „auf eine Art auch ein Verzweiflungsstück“, sagt Wilhelms. Als freie Kulturschaffende stünden sie unter finanziellem Druck: Die Einnahmen kommen überwiegend aus den Eintritten, neben Sponsoren aus dem Bremer Mittelstand und einer Zuwendung vom Wirtschaftssenator. Für die Show müssen Ramona & Ramon bis an die Grenzen ihrer Arbeitsbeziehung (oder sollte es doch Liebe sein?): Im Stück wird Ramon in Folge einer Finanzplanung von Ramona weggespart. Mit Blockflöten-Solo und Feuerwerksshow kämpft er um seinen Platz im Team. Danach Auftritt des pinken Hasens, gespielt von Susanne Schrader. Der Hase ist radikaler Kapitalist, kann herrlich derbe fluchen und hat Ratschläge parat, wie man Ramon & Ramona doch noch erfolgreich vermarktet. Es geht hier um die Frage der Selbstvermarktung. Aber auch „darum, sich den Widerständen trotzdem zu stellen“, erklärt Regisseur Jonathan Prösler.
Quer durch Pusdorfs Vergangenheit
Die im Stück verarbeiteten Sorgen ums Fortbestehen des Golden City seien aber exemplarisch für weitere Zusammenhänge auf Stadt- und Gesellschaftsebene, betont Struß. Die Künstlerinnen beschäftigen sich immer mit dem aktuellen Stadtgeschehen. Im Jahr 2013 begannen die Auftritte von Ramon & Ramona, zunächst in ihrem temporären Kneipenprojekt am Europahafen. Das hieß auch schon Golden City, benannt nach einer ehemals berüchtigten Waller Hafenbar. Damals ging es um den neuen Stadtstrand „Weiche Kante“ und ein Musiktheater mit Geflüchteten. Mit dem Umzug nach Pusdorf begannen Struß und Wilhelm mit Regisseur Prösler eine Stadtteilrecherche. Die wird im aktuellen Stück umgesetzt in einen „Hafenklönschnack“, für den Struß und Wilhelm in die Rollen von Gisela und Honke Blöhse schlüpfen. Das kultige Seniorenehepaar berichtet kongenial von einem Aal, der sich höchst amüsant quer durch die Pusdorfer Vergangenheit schlängelt. Bis dieser Aal schließlich auf einem Teller bei Oekermann landet, lachen die Zuschauer Tränen. Ramon und Ramona haben sich mittlerweile ein Stammpublikum erarbeitet, das auch den Weg nach Pusdorf findet. Im Quartier selbst seien eher Musik- und Unterhaltungsformate gewünscht, meint Regisseur Pröser. Mit dem aktuellen Stück will das „Golden City“ den Zuschauern beides zumuten, Kritik und Unterhaltung.
Weitere Informationen
Weitere Vorstellungen am Freitag, 14.09. und Sonnabend, 15.09. Die Tickets kosten 15 sowie 12 Euro ermäßigt an der Abendkasse und am Tresen. Es gibt sie auch bei Nordwesttickt und im WESER-KURIER Pressehaus. Anfahrt mit Linie 24 oder Fähre ab Pier 2/Landmark Tower, freitags von 17 bis 22.30 Uhr, sonnabends von 10.30 Uhr bis 22.30 Uhr.
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