Es riecht nach Tabak, immer noch. Dabei steht die Produktion in der ehemaligen Zigarettenfabrik Martin Brinkmann in Woltmershausen schon seit Jahren still. Die Arbeiter sind weg und die Maschinen auch. Nur die Gebäude bleiben wohl für die Ewigkeit. Seit Kurzem stehen sie unter Denkmalschutz. Als steingewaltige Zeitzeugen eines Kapitels Bremer Wirtschaftsgeschichte sollen sie nun die Identität des neuen Tabakquartiers mitprägen, an dessen Entwicklung die neuen Eigentümer wie berichtet derzeit gemeinsam mit den Stadtplanern feilen.
Für die Projektentwickler von Justus Grosse, die das 15 Hektar große Brinkmann-Gelände vor etwa vier Monaten erworben haben, sei die Unterschutzstellung ein „Ritterschlag für die Immobilie“, betont Clemens Paul, geschäftsführender Gesellschafter in dem Bremer Unternehmen. Bedenken, dass durch strenge Auflagen eine neue Nutzung der Zigarettenfabrik erschwert werden könne, hat er nicht. „Da stehen wir in großem Einvernehmen mit Justus Grosse, dass ein behutsamer Umbau der richtige Weg für den Komplex ist“, bestätigt Landesdenkmalpfleger Georg Skalecki die gute Zusammenarbeit mit den Eigentümern.
Aufstieg und Niedergang der Fabrik
Die Zigarettenfabrik entstand zunächst kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in den Jahren 1936 und 1937 als Erweiterung zu den bereits vorhandenen Produktionsstätten in Woltmershausen an der Dötlinger Straße. Ihren Ursprung hatte die Firma Martin Brinkmann in Burgdamm, wo sie seit dem Jahr 1813 in kleinerem Umfang Zigarren produzierte. Der spätere wirtschaftliche Erfolg im 20. Jahrhundert hing jedoch eng mit dem Einstieg des Kaufmanns Hermann Ritter zusammen, nach dem heute die Straße benannt ist, an der die denkmalgeschützte Fabrik gelegen ist.
Er veranlasste den Umzug der Produktion in den Bremer Südwesten und die Expansion des Unternehmens, bis es in den 1920er-Jahren europaweit zum erfolgreichsten Rauchtabakproduzenten aufstieg. Im Zweiten Weltkrieg lief die Produktion von Rauchtabak und Zigaretten weiter. „Die Belieferung der Wehrmacht spielte eine große Rolle“, heißt es dazu in dem vorläufigen Gutachten der Landesdenkmalpfleger. Als kriegswichtige Produktion wurde der Standort in den Jahren 1940 bis 1943 erheblich vergrößert und zu einer vollständigen Zigarettenfabrik ausgebaut.
Ab 1949 wurde das Fabrikgelände erneut erweitert um ein großes Maschinenhaus sowie zwei eingeschossige Hallen für die Lagerung von Fasstabak. Die erste davon steht nun ebenfalls unter Denkmalschutz. „Auf diesem Weg kann man die schrittweise Entwicklung des Ensembles sehr gut nachvollziehen“, begrüßt Clemens Paul diese Entscheidung. 1961 bis 1967 erfolgte dann noch ein weiterer Ausbau der Produktions- und Lagerflächen. Die Zigarettenfabrik wuchs zu einem geschlossenen Hof um das Kesselhaus herum.
Seit dem Zweiten Weltkrieg produzierte die Martin Brinkmann GmbH nun am Markt erfolgreiche Zigarettenmarken wie „Lord Extra“. 1975 wurde die Produktion unter dem Rothmans-Konzern jedoch größtenteils nach Hamburg und Berlin verlegt. 1999 übernahm der Zigarettenkonzern British American Tobacco das Werk in Bremen und produzierte dort zuletzt bis 2014 Zigarillos.
Kleine Extravaganzen
Die Projektentwickler haben viele Ideen, wie sie neues Leben in die alten Gebäude bekommen: mit einem Kulturzentrum mit Gastronomie im ehemaligen Heizwerk beispielsweise. Die alten technischen Anlagen bleiben wohl größtenteils drin und sollen eine spektakuläre Kulisse für die künftigen Besucher bieten. Außerdem werden in mehreren Schritten ein Gründerzentrum für Start-ups und weitere innovative Unternehmen in den verlassenen Produktionsräumen entstehen.
Und dann noch kleine Extravaganzen wie diese: Ein Mini-Park im Innenhof nach Vorbild des berühmten High-Line-Parks auf einer ausgedienten Güterzugtrasse in New York steht ebenfalls auf der Liste der konkreten Vorhaben. Vieles davon soll möglichst bereits in einem Jahr in der ehemaligen Zigarettenfabrik zu finden sein, sagt Paul. Bei einem Rundgang über das Areal kommt er von Raum zu Raum mehr ins Schwärmen über die Möglichkeiten, die die Fabrik mit ihrer eigenen Atmosphäre bietet. „Wir wollen möglichst viel von dem alten Charme erhalten“, versichert er.
Wohnungen dürfen in dem Industriegebiet noch nicht gebaut werden, so lange die Stadt noch nicht den Masterplan zum vorderen Woltmershausen fertiggestellt und neue Bebauungspläne für das insgesamt 55 Hektar große Areal zwischen Hermann-Ritter-Straße, Senator-Apelt-Straße, Hempenweg und Bahngleisen aufgelegt hat. Deshalb konzentrieren sich die neuen Eigentümer darauf, Ideen auf dem Gelände umzusetzen, die dem Fabrikareal auch ohne Wohnungen so schnell wie möglich mehr städtisches Leben einhauchen als bisher. „Wir haben hier etwa 350 gewerbliche Mieter auf dem Gelände, die wir auch keineswegs vertreiben wollen, aber wir wollen perspektivisch ein bunt gemischtes, urbanes Quartier haben“, sagt Paul.