
Es gibt auch Hundertjährige, die nicht, wie im Roman, aus dem Fenster steigen müssen, um spannend zu erzählen, was sie erlebt haben. Margaretha Berberich gehört auf jeden Fall zu ihnen.
Am vergangenen Freitag feierte die Bremerin ihren 100. Geburtstag im Bürgerhaus Weserterrassen – und das nicht ohne Grund. Berberich gehörte Anfang der 70er-Jahre zur Initiative, die das ehemalige, damals stark zerfallene Ausflugs- und Tanzlokal am Osterdeich mit viel Engagement vor dem Abriss rettete und in ein Bürgerhaus umbaute. „Vorher war einfach kein Leben mehr drin, alles war kaputt“, erinnert sich Berberich. 1975 gründete sie mit anderen den Verein, der bis heute Kurse, Ausstellungen und Veranstaltungen im Bürgerhaus organisiert. Lange Zeit half sie nach dem Umbau ehrenamtlich in der Einrichtung.
Ihre Geschichte beginnt allerdings in Hamburg: Am 19. September 1914 kommt Margaretha Berberich in Barmbek als zweites von fünf Kindern von Otto und Minna Berberich zur Welt. Ihr Vater aus Bayern hatte die Hotelfachschule besucht, und so kam es, dass die Eltern verschiedene Gastronomien betrieben – stets im großen Stil. „Mein Opa hat immer aus dem Vollen geschöpft“, erzählt Berberichs Tochter Monika Hamacher, „viele Mitarbeiter, ein Kindermädchen, eines der ersten Telefone oder Autos zu besitzen – das war selbstverständlich.“
Los ging es im polnischen Kutno. Dort bewirtschafteten die Eltern ein Restaurant im Bahnhof. 1918 kamen sie dann nach Bremen und führten das „Casino“, ein riesiges Konzert- und Ballhaus Auf den Häfen samt Bar „Kakadu“. Die Gebäude waren zusammen größer als der Hauptbahnhof, sodass im Saal sogar Artisten auftraten. Bestellten die Gäste einmal wenig zu essen, hatte Mutter Minna einen Trick: „Ein halbes Pfund Butter kam in die Pfanne, und dieser Duft wurde in den Saal gewedelt – das macht den Leuten Hunger.“
Als ihr Vater die Aktienmehrheit am „Casino“ verlor, ging es 1927 für die Familie nach Blumenthal. Berberichs leiteten dort „Heidmann’s Sommergarten“, ein Ausflugslokal mit 2000 Sitzplätzen und eigener Turnhalle mit Sportverein. „Draußen hing ein Schild mit dem Spruch: Der alte Brauch wird nicht gebrochen, hier können Familien Kaffee kochen“, so Berberich. Gegen eine kleine Gebühr konnten die Gäste sich ihr mitgebrachtes Pulver aufbrühen lassen. „Da kamen ganze Dampfer mit Leuten aus Bremerhaven mit Musik zu uns.“ An die Zeit der beiden Lokale erinnert sich die Hundertjährige gerne: „Es war ein großer Spaß und für uns Kinder ganz normal, dass viel los war.“
Nach der Handelsschule kam Margaretha Berberich zunächst als sogenannte Haustochter in ein Restaurant am Flughafen. Dort arbeitete auch der Vater ihrer Tochter als Ingenieur für Siemens, bei Flugzeughersteller Focke-Wulf. Er verstarb jedoch in den Kriegswirren. Tochter Monika wurde dann im Dezember 1942 in Radeburg bei Dresden geboren. Frauen und Kinder waren dorthin gebracht worden, um sie vor den Bombenangriffen auf Bremen zu schützen.
Zurück in der Hansestadt lebte Berberich mit Tochter und Mutter, ihre Eltern hatten sich getrennt, zunächst am Dobben, im Fehrfeld und schließlich für 30 Jahre in der Celler Straße. Sie arbeitete im Fotolabor einer Drogerie, später bei einer Im- und Exportfirma und bei einem Bauunternehmen. „Im Grunde brauchte ich alle zehn Jahre etwas Neues“, sagt die 100-Jährige und lacht. Ehrenamtlich engagierte sie sich nebenbei immer: ob im Bürgerhaus, bei der Antiatomkraftbewegung oder den Bremer Grünen. „Sie war 30 Jahre die Buchhalterin der Bremer Umweltbewegung“, so Carola Biry von der „Aktionskonferenz Nordsee“, zu der auch Berberich gehörte.
Im Ruhestand unternahm sie dann viele Reisen: Über Russland ging es bis zur Chinesischen Mauer, sie besuchte griechische und italienische Inseln oder ihre jüngste Schwester in den USA. Bis sie 84 war fuhr sie noch selbst Auto: „Und große Touren! Nach Osnabrück war da ein Klacks.“ Außerdem begann sie zu malen und arbeitete an einem Buch über das Leben an der Weser mit: „Wir wollten Geschichte von unten schreiben.“
Ihren runden Geburtstag feierte sie mit etwa 50 Gästen, darunter ihre Tochter Monika und ihre Urenkelin Céline, ihre 94-jährige Schwester Elisabeth aus Osnabrück, ihr Neffe Robert aus Amerika und Verwandte aus den Niederlanden. „Eigentlich geht es mir ganz gut“, sagt die Jubilarin. Seit 30 Jahren lebt sie, heute mit der Unterstützung ihrer Tochter, in ihrer Wohnung in Schwachhausen, liest gerne Zeitung und schaut von ihrem Sessel, was draußen los ist.„Wie man sagt, ich tüdel so rum.“ Interessiert und neugierig ist Margaretha Berberich auf jeden Fall immer noch.
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