
Sein Vortrag „Wie Helfer zu Tätern werden“ gehört zur Ausstellung „erfasst, verfolgt, vernichtet. Kranke und behinderte Menschen im Nationalsozialismus“. Professor Karl H. Beine analysierte anhand mehrerer Tötungsserien der vergangenen drei Jahrzehnte Gemeinsamkeiten und Persönlichkeiten der Täterinnen und Täter.
Karl H. Beine, der sich seit Langem mit dem Thema Patiententötungen beschäftigt, arbeitete 1990 in einer Klinik in Gütersloh. Dort wurde bekannt, dass ein Pfleger Patienten getötet hatte, die der Professor kannte. Es gab zu diesem Zeitpunkt nichts Wissenschaftliches dazu: „Seitdem ließ mich dieses Thema nicht mehr los.“
Tötungen von Kranken durch Menschen in Heil- und Pflegeberufen stellen einen besonderen Tabubruch dar: Neben der grundsätzlichen Gültigkeit des christlichen Gebotes „Du sollst nicht töten“ nicht nur in Krankenhäusern und Pflegestationen, sollten Kliniken eigentlich Schutzräume darstellen. Zudem sind die Täterinnen und Täter Helfer, die aus einer hippokratischen Tradition heraus handeln sollten: „Alles das sind Dinge, die hier mit Füßen getreten werden“, sagt Beine. Dabei sind es nicht nur Außenstehende, die die Tötung von Patientinnen und Patienten nicht für möglich halten, sondern vor allem auch Kolleginnen und Kollegen und Vorgesetzte.
Dieses unmittelbare Umfeld der Täter hat jedoch für das Tatgeschehen eine entscheidende Bedeutung. So ist es nicht ungewöhnlich, dass die Täter, bereits während sie ihre Taten begehen und lange vor ihrer Entdeckung, Spitznamen von ihren Kolleginnen und Kollegen erhalten: Der Krankenpfleger Niels H., der in Kliniken in Delmenhorst und Oldenburg mindestens dreißig Menschen getötet hat, hieß intern „Rettungs-Rambo“, weil er überdurchschnittlich häufig an Reanimierungsmaßnahmen beteiligt war. Der 1993 verurteilte Wolfgang L., der mindestens zehn Patienten mit Luftinjektionen tötete, wurde „der Vollstrecker“ genannt.
Das Vergeben von zynischen Spitznamen ist dabei ein Anzeichen der Verrohung unter den Pflegebediensteten, die Sprache ein weiteres Indiz: So ist im Fall der 1991 in Linz in Österreich wegen 15-fachen Mordes verurteilten Waltraud W. bekannt, dass Kolleginnen im Hinblick auf einen Patienten im kritischen Zustand gesagt haben „Waltraud, komm, geh mit, dann geht´s schneller“. Diese rabiate Sprechweise geht in der Regel vom Täter aus, doch wird sie von den Kolleginnen und Kollegen übernommen und verstärkt: „Dadurch fühlt sich der Täter ermuntert, diese Verrohung voran zu treiben und meint deshalb, die Kolleginnen und Kollegen seien mit seinem Handeln heimlich einverstanden“, sagt Beine.
Zwar herrsche laut Beine im Gesundheitswesen häufig eine lockere und flapsige Sprache, auch, um auf diese Weise das täglich erlebte Leid und den Druck zu kompensieren, doch sei die Überzeugung, solche Taten könnten ganz einfach nicht passieren, höher als die Skepsis. Und Pflegerinnen und Pfleger, die wegen der sich häufenden Todeszahlen oder aufgrund von eigenen Beobachtungen skeptisch werden und diese Skepsis bei Vorgesetzten vorbringen, werden häufig als Denunzianten und Nestbeschmutzer abgestempelt und mitunter sogar entlassen. Im Falle der 2007 wegen fünf Tötungen verurteilten Irene B. sagte der Vorgesetzte noch bei ihrer Verhaftung „Das kann nicht sein, das ist meine beste Krankenschwester“.
Diese Abwehrhaltung bei aufkommendem Verdacht ist eine Gemeinsamkeit bei nahezu allen Mordserien. Eine weitere Gemeinsamkeit ist in den Fehlbeständen bei Medikamenten zu finden ebenso wie bei der Häufung von unerwarteten Sterbefällen und der zufällig häufigen Anwesenheit bestimmter Kollegen bei Notfällen. Diese Täterinnen und Täter ergreifen häufig Helferberufe, um sich selbst besser zu fühlen, ihre Taten begehen sie folgerichtig auch aus einem diffusen Gefühl des Mitleids heraus. Dabei sind sie überdurchschnittlich häufig selbst unsicher und befinden sich in einer Außenseiterstellung. Sie projizieren ihr eigenes Leiden häufig in die Patientinnen und Patienten.
„Sie begreifen ihre Taten nicht als schlimme Straftat“, sagt Beine dazu. Bei den Opfern hingegen ist auffällig, dass fast alle Patientinnen und Patienten betagten Alters sind und der Todeszeitpunkt immer überraschend ist.
Nach Ansicht Karl H. Beines sind die Taten überwiegend vermeidbar, wenn die Kolleginnen und Kollegen frühzeitig reagieren: „Wir müssen eine neue Form von Vertrauen finden“, betont Professort Karl H. Beine, „und auch Dinge ansprechen, die unangenehm sind.“
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