
Von einer Schwarz-weiß-Fotografie blickt Sadako den Betrachter ernst an. Das Mädchen aus Hiroshima trägt seinen ersten Kimono. Er ist mit Kirschblüten bedruckt. Ihre Mutter hat ihn geschneidert. Sie weiß, dass die 12-Jährige bald sterben wird. Wenige Wochen später ist sie tot. Sadako stirbt an Leukämie. Zwar hat sie den Atombomben-Abwurf der US-Air Force auf Hiroshima überlebt, aber sie stirbt 1955 an den Folgen der verheerenden atomaren Verstrahlung einen qualvollen Tod. An ihr Schicksal erinnerte das Bremer Friedensforum auf dem Marktplatz am Dienstag, 6. August, mit einer konzertierten Aktion verschiedener Friedensgruppen, anlässlich der Angriffe der US-Air Force am 6. und 9. August vor 74 Jahren.
„Mehr als 200 000 Menschen starben unmittelbar danach und in den darauf folgenden Tagen und Wochen. Bis heute leiden die Überlebenden und ihre Nachkommen unter den langfristigen gesundheitlichen Schäden der Atomverstrahlung“, betonte Barbara Heller vom Bremer Friedensforum. Damals hatte die US-Air Force auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki Atombomben abgeworfen. „Diese furchtbarste aller Waffen bedroht bis heute die Existenz der Menschheit“, sagt Heller. Nach der einseitigen Aufkündigung des INF-Abkommens (Verbot von Kurz- und Mittelstreckenraketen in Europa) durch US-Präsident Donald Trump sei es bereits fünf nach 12. Das wollen die Friedensaktivisten sehr deutlich machen. Sie haben vor der Kundgebung ein Friedenszeichen aus frischen Blumen sowie Protestbanner auf dem Hanseatenkreuz des Marktplatzes ausgebreitet. Ein Banner zeigt ein Konterfei von Kanzlerin Angela Merkel nebst atomarer Rakete. Auf einem Plakat ist zu lesen: „Dividenden steigen, wenn Menschen fallen!“ Schließlich ist Deutschland weltweit der drittgrößte Exporteur von Rüstungsgütern.
Regenbogen- und Friedensfahnen flattern in der Mittagshitze am Dienstag im Wind. Einen kurzen Stopp bei ihrem Stadtbummel haben auch zwei befreundete Familien aus Mailand und Sardinien eingelegt. Sie sind das erste Mal hier und zeigen sich beeindruckt von dem Engagement der Bremer. „Ottimo“, optimal finden sie es: „Davon könnten wir in Italien mehr gebrauchen“, so ihr Fazit, bevor sie weiter zu ihrem Bus eilen müssen. Barbara Heller macht in ihrer Ansprache darauf aufmerksam, wie rührig die Anti-Atombewegung in Wien ist. Dort wird am Abend des 6. August eine Großkundgebung mit anschließendem Laternenumzug in japanischer Tradition veranstaltet. Insgesamt wurde in mehr als 70 Städten dem 74. Jahrestag der Atombombenabwürfe gedacht.
Viele Aktivisten haben bereits in den 80er-Jahren gegen die Stationierung der Pershing II-Raketen zivilen Ungehorsam geleistet und sind dafür inhaftiert worden. Daran erinnert Xanthe Hall, Geschäftsführerin und internationale Campaignerin der Vereinigung Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs / Ärzte in sozialer Verantwortung. Die gebürtige Schottin ist auch Mitbegründerin und Vorstandsmitglied von ICAN, der Internationalen Kampagne für das Verbot von Atomwaffen. Die Organisationen wurden mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Hall warnt vor einem neuen atomaren Wettrüsten, das von Trump, dem „unberechenbaren, ultrarechten Nationalisten im Weißen Haus losgetreten wurde“. Und sie warnt vor den eskalierenden Konflikten zwischen Indien und Kaschmir und den USA und dem Iran. Verbunden mit der Gefahr versehentlicher, atomarer Kettenreaktionen. Aber es gebe auch einen Silberstreif am Horizont. Bereits 25 Staaten haben den UN-Vertrag zum Verbot von Atomwaffen ratifiziert. 50 sind nötig, damit er endgültig in Kraft tritt. „Deutschland ist übrigens noch nicht darunter, obwohl 91 Prozent der Bevölkerung die Unterzeichnung befürworten“, betont Hall. Nun gelte es, dass die Zivilgesellschaft nicht locker ließe. Passend dazu skandiert sie: „I can, you can, yes, we ban!“
Zwei weitere Rednerinnen berichten von ihrem zivilen Ungehorsam gegen die atomare Bedrohung. Sowohl Katja als auch ihre Tochter Clara Tempel saßen dafür bereits im Gefängnis. Die 23-jährige Studentin aus Lüneburg ist Aktivistin bei dem von ihr mitbegründeten JunepA (Junges Netzwerk für politische Aktionen). Im Herbst 2016 hat sie gemeinsam mit acht anderen Menschen die Startbahn in Büchel aus Protest gegen Atomwaffen besetzt. Im März 2019 hat sie eine einwöchige Ersatzfreiheitsstrafe als politische Aktion abgesessen. 2017 wurde JunepA mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet. Mutter und Tochter haben gemeinsam auf dem Gelände des Fliegerhorstes in der Eifel demonstriert, auf dem immer noch 20 Atombomben der US-Armee einsatzbereit lagern, mit jeweils der dreifachen Sprengkraft der Bombe, die Hiroshima zerstörte, wie Xanthe Hall erläutert.
Für Katja Tempel ist es ein déjà vu. Die freiberufliche Hebamme und Aktivistin aus dem Wendland ist seit 40 Jahren zivil ungehorsam gegen Castortransporte, Gentechnik und Atomwaffen. Sie hat, als sie so jung wie ihre Tochter Clara war, 40 Tage in Oslebshausen im Gefängnis gesessen, weil sie die Pershing II-Depots in Mutlangen blockiert hatte. Damals wurden rund 2900 Prozesse gegen mehr als 300 Friedensaktivisten angestrengt. Barbara Heller wies darauf hin, dass das Militär mit großen Emissionen eine Gefahr für das Klima sei. Sie kritisierte, dass die USA bis 2040 eine Billion Dollar in die Modernisierung von Atomwaffen stecken wollen. Geld, das eigentlich dringend für Klimaschutzmaßnahmen benötigt werden würde. Und mit Blick auf die Fridays-for-Future-Bewegung betont sie: „Frieden und Klimaschutz gehören zusammen!“ Abschließend zitiert sie ein Wort von Mahatma Gandhi: „Zuerst haben sie uns ignoriert, dann haben sie uns belächelt und schließlich haben sie uns bekämpft. Und jetzt werden wir siegen!“
|
Ob Bahnhof, Marktplatz, Weserstadion oder Schlachte: Das Bremer Stadtbild hat sich im Laufe der Zeit erheblich verändert. Wir berichten über vergessene Bauten, alte Geschichten und historische Ereignisse.
Welcher Verein wann in Bremen oder der Region spielt und wie die Begegnung ausgegangen ist, erfahren Sie in unserem Tabellenbereich. Auch die Ergebnisse der Spiele der höheren Ligen finden Sie dort.
job4u ist die regionale Plattform, wenn es um Lehren und Lernen geht. Neben dem WESER-KURIER, der Handelskammer und der Handwerkskammer Bremen machen sich hiesige Firmen für junge Leute stark.