
Fans vom Salon Puschel, der „Bremer Freakshow an den Randzonen der Unterhaltung“, können sich freuen. Das Komikerduo Jan Fritsch und Uli Baumann alias Charles und Erika watet mit einem ebenso unterhaltsamen wie freakigen neuen Format auf: „Das goldene Canapé“. Vier Mal jährlich soll es in der Schaulust am Güterbahnhof stattfinden, zweimal im Frühling, zweimal im Herbst. Geladene Gäste „und Gästinnen“ der ersten Show waren Imke Burma und Mario Ellert alias Jean Luke.
Bis die beiden Tausendsassa auf besagtes goldenes Canapé durften, wurde dem Publikum ordentlich von Alexander Seemann eingeheizt. In einem weißen Ganzkörperanzug mit hervorquellender rosa Rüschenbluse und goldener Fliege haute der Organist fetzige in die Tasten seines Keyboards und spielte Tanzmusik mit Altersheimklasse. Im abgedunkelten Saal diskutierte das Publikum derweil ungeniert weiter. Bis zum Auftritt von Charles und Erika. Ebenso adrett in weiß-rosa-gold gekleidet komplementierten sie sich selbst von hinten durch die Zuschauerreihen nach vorne auf die Bühne.
Zur Einstimmung gab das eingespielte Duo – „man wird ja nicht jünger“ – den Song des goldenen Canapés zum Besten – „das war ein Spaß, so schön war’s noch nie“. Von Charles am Schlagzeug begleitet trällerte Erika die eingängige Melodie „mit ihrer Goldkehle“. „Einige haben heute schon den Weg hergefunden“, stellte Charles dann um sich blickend fest, „in zehn Jahren könnt ihr sagen: Ich war dabei – bei der ersten Show des goldenen Canapés. Oder ihr sagt: Ich war dabei – bei der einzigen Show des goldenen Canapés. Danach wurde sie eingestampft.“
Tatsächlich war der Saal gut gefüllt, bis auf die hintersten und vordersten Reihen waren die meisten Plätze belegt, was Erika mit den Worten kommentierte: „Wir dachten es kommen nur junge Menschen, aber es sind nur Rückenkranke gekommen – die Bänke vorne sind noch frei.“ Zum goldenen Canapé, das von einem Spotlight beleuchtet auf einem schwarzen Podest stand, ließ Charles zunächst verlauten, es sei von 1848 und aus dem Bremer Ratskeller entwendet. Dort habe ein schwarzes, ein rotes und eben dieses goldene gestanden. Im Laufe des Abends wurde das Canapé dann immer älter und die Geschichten seiner Herkunft immer abstruser.
Abstruse Geschichten zu erzählen, zählt zum Hauptrepertoire von Charles und Erika. Zum Beispiel die vom begnadeten Künstlerkollegen Seemann, der halbtags in Ottersberg im See als Frosch arbeitet. Die andere Hälfte der Zeit verbringe er orgelnd im dortigen Altersheim – daher die mitreißenden Keyboard-Soli. Wie bei einem Kanarienvogel müsse man nur eine Decke über ihn und seine Orgel werfen, damit er aufhöre zu spielen. Seemann nahm die illustren Geschichten über ihn sichtlich gelassen, biss immer wieder zufrieden in Toastbrot und gab im Laufe des Abends „Tipps und Tricks“ über Toastbrot zum Besten – man könne es falten, rollen, knüllen und in den Mund stopfen bis man daran ersticke.
Der vierte im Bunde der Gastgeberrunde um Charles und Erika und den goldenen Flamingos, Holger Meierdierks, glänzte durch Abwesenheit. Der „David Copperfield aus Lilienthal“ sei aber da, erklärte Erika, man könne ihn nur leider weder sehen noch hören, da er sich weggezaubert habe. Charles schaffte es dennoch, zur Belustigung des Publikums mehrmals über den sehr anwesenden Gitarrenständer von „Meier-Dings“ zu stolpern, was Erika zu der Bemerkung veranlasste: „Ich habe ja gesagt, er soll zu Hause bleiben, man sieht ihn eh nicht!“
Zur angekündigten Talkshow wurde der Abend mit den „illustren Gästen“ Imke Burma und Mario Ellert. Theaterfrau, Sängerin, Texterin und neuerdings Logopädin Burma stellte sich mit einem Song über ihren Bikini vor, dessen untere Hälfte im Meer baden ging: „Ich war ein niemand, war ein nix, doch nun bin ich ein Teil des Weltmeers, ohne Büx“. Burma stellte sich dann den Fragen von Erika auf dem Canapé, während Charles mit feinem Schnauzer und Schürze den Butler mimte und auch in den Pausen als selbst ernannte „Saftschubse“ fürs Publikum in Erscheinung trat. Aufgewachsen in Grasberg verschlug es Burma schon früh auf die Bretter, die die Welt bedeuten. Vom Theaterverein Blaumeier in Bremen über Utrecht wieder zu Blaumeier. Vor Kurzem habe sie die Chance gehabt, an einen Workshop bei Bobby McFerrin, dem „Gott der Impro“, in New York teilnehmen zu dürfen. Das Publikum bekam eine Kostprobe aus dem dort Erlernten nähergebracht, indem es a cappella in eine spontan entwickelte Melodie aus Fantasiewörtern einstimmen durfte.
Der Abschluss von Burmas Auftritt geriet zum Höhepunkt des Abends. Frei nach dem selbstauferlegten Motto „Wir machen jeden Scheiß mit“, ließ Burma die goldenen Flamingos Brettchen mit Toastbrot auf ihren Köpfen balancieren und dabei ein Gedicht von ihr aufsagen. Charles bemühte sich redlich, Erika mit ihrer hochtoupierten Marge-Simpson-Frisur, hatte von vornerein den Kürzeren gezogen. Toastbrotvirtuose Seemann machte seine Sache wunderbar und sagte als erster mit einem ganzen Stapel Toasts auf dem Brettchen und drei Gewürzgurken im Mund fehlerfrei das Gedicht „War einmal ein Dinosaurier“ auf.
Der zweite Gast des Abends, Mario Ellert alias Jean Luke, stellte sich mit Akustikgitarre und einem Song über Spatzen, die ihn duzen vor. Der „singende Comiczeichner oder zeichnende Musiker“ wurde in Vechta geboren – Erika: „Vechta? Nichts wie wech da!“ –, studierte Kunst an der HFK Bremen, wo er mit einem Trickfilm über angriffslustiges Hackfleisch abschloss. Charles spielte Lukes animierten Musikclip „Niemals wieder Alkohol“ über einen Beamer ein und Erika stellte die Frage: „Kann man davon leben? Wenn ja, wie lange?“ „Man kann nicht nur frei kreativ durch die Gegend schwirren“, lautete Lukes Antwort während der Beamer auf Bildschirmschoner umgeschaltet hatte und umherschwirrende Seifenblasen zeigte, er lebe als Grafikdesigner von Werbung.
Außerdem habe er voriges Jahr sein erstes Kinderbuch veröffentlicht, „Die Räubers“. Auf die Idee gebracht habe ihn sein Sohn, weil er „ein Buch über Waldräuber wollte“, sie aber keines fanden. So habe Luke „Hotzenplotz 2.0“ entworfen. Der erste im Härter-Verlag erschienene Band heißt „Kalle zieht aus“, weitere sind in Planung. Charles projizierte einige der detailreich illustrierten Seiten aus dem Buch an die Wand, darunter eine Karte vom Räuberwald mit der Baumhöhle der Familie Räubers und einer „Glotzgraswiese“ („Gras mit Augen, die einen anglotzen“). Scheinbar spontan zauberte Luke eine Taschenbuchversion aus seiner Hosentasche – sein Smartphone – und las vor. Begleitet von Seemann am Keyboard und Charles auf der Klarinette rundete Luke den unterhaltsamen Abend auf diese Weise mit einem Bilderbuchkino ab.
Für Freunde der Freakshow: Das nächste goldene Canapé gibt es am Donnerstag, 14. Mai, um 20 Uhr in der Schaulust am Güterbahnhof.
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