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Geradezu grotesk klingt das Erzählte für die gebannt lauschenden Zuhörerinnen und Zuhörer. Es herrsche Krieg in Deutschlands Betrieben. Nicht überall, aber mancherorts.
Das Bremer Hörkino hat zwei Radiojournalisten, die beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) arbeiten, für ihr Debüt-Radio-Feature über die versuchte systematische Zerschlagung von Betriebsräten ausgezeichnet. Claas Christophersen und Norbert Zeeb haben den mit 1000 Euro dotierten „Rudi-hört“ gleich für ihren ersten Ausflug ins Genre der Features bekommen. Bei einem Feature handelt es sich um ein längeres, nicht erdachtes Werk, das Elemente von Hörspiel, Dokumentation und Reportage zusammenführt. Der Beitrag „Dein Feind, dein Mitarbeiter – Strategische Kriegsführung im Betrieb“ weist fließende Übergängen von erzählenden, zitierenden und stillen Passagen auf. Unterteilt wird das Radiostück gelegentlich durch nervende, Stress symbolisierende Töne. Die ausschließlich von Umgebungsgeräuschen untermalten Passagen beeindrucken.
Der Preis, der alle zwei Jahre verliehen werden soll, ist zusammen mit der von dem Berliner Künstler Zoppe Voskuhl gefertigten Bronzeskulptur „Rudi-hört“ bereits zum sechsten Mal vergeben worden. Beate Hoffmann vom Hörkino stellt noch einmal klar, weshalb es den „Rudi“ gebe. Er solle Mut und Eigensinn der Akteurinnen und Akteure stärken und fördern, damit sich mehr Radiojournalisten an die aufwendige Ausarbeitung und Produktion eines Radio-Features wagen.
Das Bremer Hörkino ist eine Gelegenheit, um Radio neu zu erleben. Auch für die Macher: In dieser Runde können sie zusammen mit Zuhörern Radio hören und die Reaktionen als direkte Rückmeldung für sich mitnehmen.
„Dein Feind, dein Mitarbeiter – Strategische Kriegsführung im Betrieb“ zeichnet ein düsteres Bild der Beziehungen von manchen Unternehmensleitungen und Betriebsräten. Das aus den USA stammende „Union-Busting“, das Zerschlagen von Gewerkschaften, gebe es auch in Deutschland, stellten die Radiojournalisten fest. Neu sei, dass Beratungsagenturen oder Anwaltskanzleien interessierte Geschäftsleitungen auf Anfrage tatkräftig dabei unterstützen, Betriebsräte unter Druck zu setzen. Mittel der Wahl seien beispielsweise die – in Deutschland gesetzlich verbotene – Behinderung der Arbeit der Betriebsräte, etwa durch unnötige Versetzungen von Betriebsratsmitgliedern, durch das Versperren der Räume des Gremiums bis hin zu betriebsinternem Mobbing und außerordentlichen Kündigungen. Die hierfür notwendigen Argumente versuchen sich Unternehmensleitungen zum Beispiel über die dauerhafte, unrechtmäßige Überwachung von Betriebsrätinnen oder Betriebsräten durch Privatdetektive zu beschaffen.
Einen Leidtragenden begleitet das Feature: Murat Günes, den Betriebsratsvorsitzenden der Firma Neupack in Hamburg. Er zieht seit Jahren gegen unzählige Kündigungen und Anfeindungen von Seiten des Arbeitgebers vor Gericht, er sieht sich im Betrieb und im Privatleben überwacht. „Sehr geehrter Herr Günes, die Gesundheit unserer Mitarbeiter liegt uns am Herzen“, begann einer der Briefe, der in dem Radiobeitrag zitiert ist. „In diesem Zusammenhang ist uns aufgefallen, wie Sie um 10 Uhr und 14.30 Uhr in Zeiträumen von 10 bis 20 Minuten in der „Raucherecke“ im Freien, am Oberkörper nur bekleidet mit einem dünnen T-Shirt aus Baumwolle bei Temperaturen von 8,5 °C und 10,5 °C, standen. Nach diesem Hinweis müssen wir im Wiederholungsfalle davon ausgehen, dass Sie Ihre Gesundheit vorsätzlich gefährden.“
Die Journalisten erwähnen auch einen der „Anwälte, die gegen unbequeme und meist auch gewerkschaftlich organisierte Betriebsräte vorgehen“. Üblicherweise arbeiteten solche Juristen im Verborgenen, nicht aber Helmut Naujoks. Er hat „Die Kündigung von ,Unkündbaren'“ geschrieben, ein Buch, dessen Zwischenüberschriften auf Gewerkschaftsseiten zur Abschreckung zitiert werden, wie „Zermürbungsstrategie“, „Strategisches Schikanieren des Arbeitnehmers“ oder „Psycho-Folter durch den Arbeitgeber“.
Ziel eines betriebsinternen Krieges sei die Zerstörung der Solidarität der Belegschaft mit dem von ihr gewählten Betriebsrat, stellen die Journalisten fest. Es solle ein unternehmensinternes Feindbild geschaffen werden, und es werde alles dafür getan, damit der Betriebsrat schlecht und die Unternehmensleitung gut dasteht. Oft seien seelische Erkrankungen der für die Arbeitnehmerinteresse eintretenden Betriebsräte die Folge – oder eben ein der Geschäftsleitung höriger Betriebsrat.
Wer Opfer einer derartigen Kampagne ist, muss sich wehren, ist die Botschaft. Das Einzige, was schikanierten Betriebsratsmitgliedern helfen werde, sei die Öffentlichkeit. Rechtsstreit werde von der Geschäftsleitung oft von Anfang an in Kauf genommen.
Wenn aber bekannt werde, mit welchen Mitteln ein Unternehmen die Arbeit von Betriebsräten behindert oder wie ein für eine Firma tätiger Anwalt Betriebsräte einzuschüchtern versucht, bestehe eine erhöhte Chance, dass die Strategie scheitert. Das Schlusswort von Murat Günes: „Ich sage, ich kämpfe mit Leidenschaft, verliere mit Respekt, aber aufgeben? Niemals.“
Das nächste Bremer Hörkino ist am Mittwoch, 3. Mai, um 20 Uhr im SWB-Kundenzenter an der Sögestraße: „Die Draufgängerin — Meine Tochter und ich“. Der Eintritt ist frei. Der Text des preisgekrönten Features ist im Internet zu finden.
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