
Drei Jahre Kompetanz Bremen, ein Pilotprojekt. Worum ging es?
Corinna Mindt: Das Projekt wurde geschaffen, um Menschen mit Behinderung eine Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Das Projekt baut sich aus zwei Aufgabenbereichen auf. Zum einem aus einem künstlerischen, in dem es darum geht, Arbeitsplätze in einem inklusiven Team zu schaffen. Dieses wirkt dann bei kreativwirtschaftlichen Projekten mit den Formaten, die wir erarbeiten, in der freien Wirtschaft mit. Die andere Seite, in der sich Kompetanz widerspiegelt, ist eine Berufsorientierung für junge Menschen mit Beeinträchtigung. Hier geben wir mithilfe von Tanz, Theater und stimmlichen Übungen Hilfen an die Hand, um auf den ersten Arbeitsmarkt zu gelangen. Für viele wäre ansonsten klar, dass sie ihr Weg nach der Schule in eine Behindertenwerkstatt führt.
Von welchen Arten von Beeinträchtigung sprechen wir?
Vor allem von lern- und geistigen Behinderungen. Davon sind wir bei der Konzipierung des Projektes auch ausgegangen. Wir möchten die Menschen für den Übergang von der Schule in den Beruf sensibilisieren. Es gibt eben nicht nur den Weg in die Werkstatt und sonst nichts Anderes. Es ist unser großes Anliegen, die Inklusion hier voranzutreiben, sodass Menschen mit einer geistigen oder einer Lernbehinderung in der Berufswelt Fuß fassen können. Bei einer Teilnehmerin ist dies auch gelungen. Sie wurde bei Biobiss fest angestellt. Zwei weitere haben einen Vertrag ab April in Aussicht.
Was ist das besondere Problem dieser Gruppe?
Menschen mit einer körperlichen Behinderung, die auch ein normales Studium absolvieren können, ist oftmals mit der barrierefreien Gestaltung des Arbeitsplatzes das Ausüben des Berufes möglich. Bei gehörlosen Menschen müssen Dolmetscher organisiert werden – denen muss zwar auch geholfen werden, in dem ihre Umgebung an ihre Bedürfnisse angepasst wird, aber mit dem Abbauen von Barrieren ist ihnen schon sehr geholfen. Mit einer lern- oder einer geistigen Behinderung allerdings muss sich die Unterstützung im Arbeitskonstrukt wiederfinden. Die Begleitung muss oft auch über die Einstiegsphase fortlaufend geleistet werden.
Wie genau unterstützen Sie mit Kompetanz diesen jungen Menschen?
Zum einen gibt es ein Training der Körperwahrnehmung, um ganz rudimentäre Grundlagen für alles Weitere zu festigen, wie einen sicheren Stand oder auch das Bewusstsein für den eigenen Körper im Raum und den Raum um einen herum. Dann geht es durch tänzerische Übungen darum, die Haltung zu verbessern, oder auch um das Stärken von Kondition und Motivation. Wir möchten durch kreative Prozesse in den jungen Menschen etwas anstoßen, dass im beruflichen Alltag auf eine andere Ebene gebracht werden kann. Sie sollen merken, verstehen und verinnerlichen: Ich kann über meine eigenen Grenzen hinausgehen! So möchten wir sie von innen heraus stärken und ihnen helfen, sich ihrer Stärken und Schwächen bewusst zu werden, um mit beidem selbstbewusst umgehen zu können.
Ist Tanz das einzige Instrument?
Nein, es gehören auch theatrale Übungen dazu. Zum Beispiel Stimmtraining. Oder auch Übungen, um sich daran zu gewöhnen, vor Gruppen zu sprechen oder überhaupt es auszuhalten, dass man von mehreren anderen Menschen zugleich angeschaut wird. Unser Ansatz ist dabei aber nonverbal, da man hier sehr viel schneller eine allen gemeinsame Basis findet. Um dasselbe mit der Sprache zu erreichen, bräuchten wir deutlich länger. Hier fügt sich eben auch der Tanz sehr gut ein, da es um Ausdruck und das Leben eines Gefühls geht.
Wie sieht die Zukunft des Projektes aus?
Das Projekt endet jetzt erst einmal, aber wir werden die Arbeitsplätze, die im kreativwirtschaftlichen Bereich geschaffen wurden, bei Tanzbar Bremen weiterführen. Das läuft über die Finanzierung eines neuen Projektes weiter. Der Verein hat sich als Ziel gesetzt, diese festen Arbeitsplätze in einem inklusiven Team zu erhalten. Wir sind sehr stolz auf das Erreichte. Das Projekt ist deutschlandweit einzigartig. Es gibt zwar viele mit ähnlicher Zielsetzung, die arbeiten aber alle eher als Werkstatt und nicht wie wir als inklusives Team, um eine neue Form des kreativen Umgangs mit Unterschiedlichkeit zu etablieren.
Da sind wir auch beim Thema: Wie würden Sie ein Fazit des Projektes ziehen?
Die Idee hinter dem Projekt ist meiner Meinung nach total aufgegangen. Die Arbeit des Teams war auf vielen Ebenen sehr erfolgreich und hat auch überregional und international Interesse und Zuspruch bekommen. Es ist aber noch ein weiter Weg, um die hier angestoßene Idee weiter zu entwickeln und auf breiterer Front bekannt zu machen. Wir haben viel gelernt, aber haben auch erkannt, was das alles nach sich zieht, um Menschen mit geistigen Beeinträchtigung oder Behinderungen beim Lernen in der Gesellschaft zu stärken. Um den Menschen diese neuen Wege zu eröffnen, müssen wir noch viele andere Bereiche der Gesellschaft bedenken und mit den Akteuren arbeiten.
Welche meinen Sie hier besonders?
Zum Beispiel die Arbeitgeber: Hier gibt es einen ganzen Wust an Fördermöglichkeiten, die auch den potenziellen Arbeitgebern der durch uns Geförderten einiges abverlangen. Hier braucht es noch viel Zusammenarbeit und Aufklärung und ambitionierte Weiterarbeit an einer nicht ausschließlich leistungsorientierten Bildungs- und Arbeitswelt. Es gibt noch viel zu tun.
Das Gespräch führte Gerald Weßel.
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