
Die Uniformjacke hat er über die Stuhllehne gehängt, und doch erkennt jeder, der hier als Patient, Besucher, Mitarbeiter oder Hilfesuchender vorbeigeht oder stehen bleibt: Hier sitzt ein Polizist. Jens Vogel ist Kontaktpolizist, kurz Kop, und berät nicht nur mit allerlei Prospekten, die er um sich geschart hat, sondern er strahlt auch Vertrauen aus und bewahrt Stillschweigen über die Gespräche.
Der ruhige Mittfünfziger ist seit 40 Jahren im Polizeidienst. Wie das geht? Als er mit mittlerer Reife 16-jährig aus der Schule kam, sei der Eintritt mit seinen Voraussetzungen in den Polizeidienst noch möglich gewesen, so Vogel. Seit 1982 ist er für Schwachhausen eingeteilt. „Damals gab es mehr Polizisten in den Stadtteilen und weniger Aufgaben“, berichtet Vogel, ohne die alten Zeiten schönzureden, denn er erinnert auch große Gefahren wie den RAF-Terrorismus. Viele der Polizisten gingen damals zu Fuß Streife – auch nachts. Im Laufe der Zeit wurden immer mehr Beamte in Streifenwagen versetzt, mit denen sie viel schneller an den Einsatzorten sind.
Mit der großen Polizeireform 2005 seien die Aufgaben der bis dahin 17 Bremer Reviere, die jeweils ihre eigenen Aufgaben erledigten, umgekrempelt worden, und er selbst sei Kop für Schwachhausen geworden, berichtet Vogel. Übrigens einer von fünf Kollegen, die wie er, zu Fuß im Revier unterwegs sind. Die allgemeine Einsatzsteuerung wird heute zentral für noch sechs Revierstandorte der Polizei und ihre Streifenwagen organisiert. Die Polizisten in den Dienststellen mit täglichen Öffnungszeiten würden kaum noch von Bürgern direkt aufgesucht. 98 Prozent aller Meldungen von Bürgern kämen per Telefon oder per E-Mail, so Vogel.
Doch Vogel merkt an: „Bürger wollen uns sehen.“ Dass sie immer stärker das Gefühl gewinnen, Polizei sei immer weniger für sie da, liege auch daran, dass Polizisten in Streifenwagen als nicht ansprechbar wahrgenommen werden. Und genau diesem Bürgerbedürfnis entspricht die Nische polizeilicher Arbeit, in die Jens Vogel mit all seiner Erfahrung und mit seinen Weiterbildungen hineingewachsen ist.
„Heute habe ich Dienst von 12 bis 20 Uhr“, beginnt Vogel zu erklären, dass alle Kops unterschiedliche und wechselnde Dienstzeiten haben, um Personen mit ungesetzlichen Absichten kein „sicheres“ Zeitfenster zu bieten.
Viele andere Bremer Stadtteile müssen mit weniger Kontaktpolizisten auskommen als Schwachhausen. Der Grund: Besonders viele Kops gehen jetzt und bald in den Ruhestand, und der Senat hat jahrelang zu wenig Nachwuchs geschult. Bis zur versprochenen Wiederbesetzung bleiben daher vielerorts Kop-Stellen unbesetzt – so auch manche im Revier Horn, das für Horn-Lehe, Oberneuland und Borgfeld zuständig ist.„Wir können frei von Akten Gespräche führen“, schildert Vogel eine große Qualität der Kops für die Bürger. Im Gegensatz dazu stünden in einer Revierwache Anzeigen und Aussagen mit Protokoll und Aktenzeichen im Vordergrund. Als Kop kann Vogel sich auf alle Gespräche einlassen, auch auf die, die sich weitab von Aktenzeichen bewegen. Nicht selten greift Vogel dabei auf seine umfangreichen Kenntnisse über Hilfsorganisationen zurück, zum Beispiel den Weißen Ring, den Täter-Opfer-Ausgleich oder Schattenriss. „Ich wirke präventiv“, sagt Vogel und berichtet von einem Gespräch, das ihn persönlich betroffen gemacht hat. In jenem Fall musste die Frau eines Mannes operiert werden. Ein schwieriger, aber nicht lebensbedrohlicher Eingriff, der gelang. Doch in der Folge starb die Frau, möglicherweise aufgrund von Keimen. Ob er einen Anwalt einschalten sollte, fragte der Mann den Kop. Sollte er die Klinik verklagen, Ärzten eventuell ihre Lebensgrundlage zerstören, und dadurch andere Patienten beunruhigen? Was wäre sein Gewinn, wie groß seine zusätzliche Last? Ein Dilemma ohne Ausweg? Auf jeden Fall war es wohl ein hilfreiches Gespräch mit dem Polizisten, der keine Aktenzeichen vergibt.
Es gebe viele Bürgerinnen und Bürger, die den Rat der Kontaktpolizisten suchen, sagt Vogel. „Sei es nur für ein paar Worte über Nachbarschaftskonflikte wie Lärm, psychische Auffälligkeiten, Fahrraddiebstahl oder Autoklau“, so der Kop. „Und manchmal bin ich repressiv“, sagt Vogel und zieht seinen Verwarnungsblock aus der Hemdtasche. Doch für viele Situationen von Autofahrern oder Radfahrern bringe er Verständnis auf.
Was den Kop derzeit bewegt, sind SAM, also Straftaten gegen ältere Menschen. Vogel vermutet, dass sich viele Ältere dafür schämen und es deshalb nicht zur Anzeige bringen. Eine polizeiliche Umfrage an Haustüren hat gezeigt, dass etwa die Hälfte der Älteren die gängigen Tricks der Betrüger kennt. Doch das Wissen allein, bewahre nicht vor Betrug, wissen die Polizisten. Festgestellt wurde darüber hinaus, dass Alleinlebende deutlich anfälliger für Betrug an der Haustür sind als Menschen, die mit anderen zusammenwohnen.
Eine Aufgabe, die Kops besser als ihre Kollegen in Streifenwagen erledigen können, seien Ermittlungsaufträge und Befragungen im Revier, findet Jens Vogel. „80 bis 90 Prozent erledigen wir schnell und gut, weil wir viele Menschen im Revier kennen“, so Vogel, der wie seine Kollegen auf diese Weise kriminalpolizeilichen Ermittlungsarbeiten zuarbeitet. Auch seien es Kontaktpolizisten, die Geschädigte nach Einbrüchen später noch einmal besuchen. „Sonst bleiben sie mit ihrem Verlust und ihren psychischen Belastungen, vielleicht, nach der Aufnahme durch die Polizei, ganz alleine“, so der Kop.
Es sind Kontaktpolizisten wie Jens Vogel, an die viele Bürgerinen und Bürger wohl als Erstes denken, wenn ihnen der alte Leitspruch zu Ohren kommt: „Die Polizei – dein Freund und Helfer“.
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