
Horn-Lehe. Vier Professoren norddeutscher Hochschulen hielten jetzt interessante öffentliche Kurzvorträge zum Thema Gewalt im Mittelalter und der frühen Neuzeit. Zu diesem interdisziplinären Colloquium hatten das Institut für Mittelalter- und Frühneuzeitforschung und das Institut für Geschichtswissenschaft ins Studierhaus der Universität Bremen eingeladen.
Folter, Inquisition und Hexenverfolgung sind zentrale Begriffe, die das Bild des Mittelalters in der heutigen Zeit prägen. Eine dunkle Zeit, die von der Gewalt geprägt war.
Doch die Lebensumstände lassen sich mit einer solchen, beschränkten Sichtweise nicht verstehen. Diese Meinung vertreten zumindest die Organisatoren des Colloquiumsim Studierhaus der Uni.
Neben etwa 20 Besuchern begrüßte Professorin Cordula Nolte vier Referenten: Stephan Selzer von der Helmut Schmidt-Universität in Hamburg, Inken Schmidt-Voges von der Universität Osnabrück, Mark Feuerle von der Universität Hannover sowie Julia Gebke vom Bremer Institut für Geschichtswissenschaft.
Piraten wurden in Fässer gesteckt
Den vielversprechenden Titel 'Seeräuber in Heringstonnen? Gewaltausübung und Gewalterfahrung auf hansischen Schiffsrouten des Mittelalters' hatte Stephan Selzer für seinen Kurzvortrag gewählt. Das ungewöhnliche Einsperren von gefangengenommenen Piraten ereignete sich in Stralsund. Statt in Kerkerräumen weggesperrt oder in Fesseln gelegt zu werden, wurden die Vitalienbrüder in Fässer gesteckt. Nur ihre Köpfe schauten noch aus den sorgsam gestapelten Behältern heraus. In seinem viertelstündigen Vortrag konzentrierte sich der Historiker auf das oftmals widersprüchliche Verhältnis zur Gewalt auf den Seewegen. Auf der einen Seite existierte eine legitimierte Gewalt, die von Staaten oder Handelsbündnissen befohlen wurde. Auf der anderen Seite gab es die kriminelle Gewalt der Piraten. Brutale Taten Die Widersprüchlichkeit dieser Taten, die sich in ihrer Brutalität ähnelten, wurde dadurch auf die Spitze getrieben, dass selbst die Protagonisten meist dieselben waren. 'Niemand konnte sich damals eine eigene Flotte leisten', sagt Stephan Selzer. Stattdessen engagierten die Hansestädte Freibeuter als Söldner, die vor Gewalt nicht Halt machten. Ein Kriegsrecht gab es nicht, und es wäre laut Selzer auch nicht durchsetzbar gewesen: 'Die Piraten verfolgten rein ökonomische Interessen und wollten sich durch Regeln nicht einschränken lassen.' Tendenzen zur Selbstregulierung habe es dennoch gegeben. 'Regeln im Krieg wurden gewohnheitsmäßig praktiziert, wenn sich Gegnergegenseitig achteten', so der Hamburger Hochschullehrer. Auch in häuslicher Ordnung gab es Gewalt
Inken Schmidt-Voges führte die Zuhörer von den Meeren direkt in die Städte. Genauer gesagt: in die Haushalte. Das Thema lautete: 'Gewalt und Frieden. Kontingenzen häuslicher Ordnung vor Gericht in der Frühneuzeit.' Auch im häuslichen Bereich gab es sowohl eine legitimierte als auch unrechte Gewalt. Die Grenzen waren meist fließend, und so landeten zahlreiche Fälle vor Gericht. ' Der Hausvater durfte die anderen Bewohner züchtigen, wenn es nur nicht so arg geschah, dass es grausam wurde. So war es Sitte, allerdings nicht rechtlich fixiert. Als letzte Instanz blieb nur der Gang vor das Gericht. 'Dort war der Hausvater nicht automatisch der Begünstigte', berichtete die Historikerin. Als Beispiel führte sie den Fall eines berufsunfähigen Knopfmachers an, der nicht damit zurechtkam, dass sein Sohn durch die Übernahme der Werkstatt auch die Rolle des Ernährers der Familie übernommen hatte, und gewalttätig wurde. Problematik lässt sich auf heute übertragen
Eine Problematik, die sich laut Inken Schmidt-Voges auf die heutige Zeit übertragen lässt: 'Was passiert mit den Alten im Haushalt, die nicht mehr arbeiten können?' Mittlerweile seien zahlreichen Übergriffe von Familienangehörigen auf ihre pflegebedürftige Eltern dokumentiert. Mark Feuerle gab weitere geschichtliche Gewaltbeispiele in seinem Referat 'Terror, Gewalt und Komik - Impressionen mittelalterlichen Aggressionsverhaltens'. Zum Abschluss sprach Julia Gebke über das sehr spezielle Thema 'Inszenierung staatlicher und kirchlicher Gewalt vor dem Hintergrund der spanischen Inquisition in der Frühneuzeit.'
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Quellen
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Kl.Fricke, Kommentar vom 27.01.2021, 12:34
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