
Hogir Khalaf ist ein durch und durch freundlicher Mensch. Und er ist stolz bis über beide Ohren. Endlich hat er seinen ersehnten Vertrag in der Tasche: eine Anstellung auf 450-Euro-Basis im Oberneulander Restaurant Höpkens Ruh. Seine Arbeit in der Küche. Zwölf Stunden pro Woche.
Das hätte sich der 28-Jährige vor eineinhalb Jahren nicht träumen lassen, als er Eltern, Bruder und Schwester verließ, sein Studium abbrach und Syrien den Rücken kehrte. Seine Heimatstadt Qamischli liegt nahe der türkischen Grenze und steht unter Kontrolle kurdischer Milizen. Ihr Gegner ist das Assad Regime. Die Kurdenhochburg wurde von mehreren Anschlagserien gebeutelt. Die Situation in der 200 000-Einwohner-Stadt stellte sich immer gefährlicher dar. Die Terrormilitz Daesh rückte näher.
Khalaf tat das, was seine drei älteren Brüder vor ihm getan haben. Er trat die Flucht nach Europa an. Während der eine Bruder in Österreich Zuflucht gefunden hatte, der nächste in Kassel, hatte es den dritten nach Bremen verschlagen. Die Hansestadt war auch Khalafs Ziel. Zehn Tage dauerte die Flucht über die Türkei. Seine erste Station in Deutschland war zunächst Dresden. Hier verbrachte er sieben Monate in einem Camp. Das Warten auf seine Papiere überbrückte Khalaf mit dem Erlernen der deutschen Sprache. „Ich bin in Deutschland, ich will sprechen. Ich will über die Sprache einen Job“, fasst Khalaf in einfachen, aber verständlichen Sätzen zusammen, was ihn antrieb, emsig Vokabeln zu pauken. In seiner Heimat hatte er bis zur Flucht Arabisch studiert. Kurdisch beherrscht er ebenfalls, aber kein Englisch oder eine weitere Sprache.
Mit „eisernem Willen“
Nach der Warterei in Dresden, reiste er zu seinem Bruder, mit dem er sich in Oberneuland eine Wohnung teilt. Sprachkurse besuchte er nun in der Innenstadt. Doch das reichte Khalaf nicht. Er wollte unter Leute, die Kultur, die Sprache kennen lernen und arbeiten. Die Kursleiterin berichtete ihm vom Internationalen Café der Kirche Oberneuland. Bis vor Kurzem, als noch die große Zeltunterkunft im Büropark bewohnt war, trafen sich dort Flüchtlinge im Gemeindehaus, um mit Einheimischen bei Kaffee und Kuchen die Sprachkenntnisse auszubauen. Einer der ehrenamtlichen Helfer, Axel Busse, erinnert sich: „Wir wurden sofort auf Hogir Khalaf aufmerksam. Seine freundliche Art und dieser eiserne Wille – das war auffällig.“ Busse war es auch, der Khalaf an die Hand nahm, ihm bei Fragen des Alltäglichen zur Seite stand und seinen Wunsch erfüllen wollte, einen Job zu finden. Da der ehemalige Student in den Semesterferien in Restaurant-Küchen ausgeholfen hatte, lag der Gedanke nahe, ihn in der Gastronomie unterzubringen.
Busse fragte in einem seiner Lieblingslokale, dem Landhaus Höpkens Ruh, nach und stieß auf offene Ohren. „Wir brauchen immer Unterstützung in der Küche“, freut sich Inhaberin Friederike Schnittger. In der Gastronomie mit ihren entgrenzten Arbeitszeiten ohne sicheren Feierabend sei es schwer Aushilfen zu bekommen, berichtet sie.
Khalaf durfte drei Tage zur Probe Gemüse schnippeln, Suppe rühren und Fleisch würzen – alles unter dem kritischen Blick von Küchenchef Robert Thieler. Doch dieser sei am Ende hochzufrieden gewesen, berichtet Schnittger. „Der arbeitet wie eine Maschine und ist eine sehr große Hilfe“, erzählt sie. Auch Khalaf ist glücklich. Die Stimmung im Team sei sehr gut, die Kollegen seien nett, und er lerne ganz nebenbei Deutsch.
Zum Oktober wurde er unter Vertrag genommen. Doch Khalaf hat weitere Ziele. Vormittags besucht er einen Sprachkurs. In seiner Freizeit kickt er mit einer Mannschaft aus Männern verschiedener Nationen. Er möchte Freunde finden und das Sprachniveau B1 erreichen – die Voraussetzung dafür, eine richtige Ausbildung zu beginnen. Auch Schnittger ist bereits tätig geworden. Die Anträge für die Handelskammer sind am Laufen. Erklärtes gemeinsames Ziel ist es, Khalaf als Koch auszubilden.
Bedenken, im Haus auf Fremdenfeindlichkeit zu stoßen, hat die Restaurant-Inhaberin nicht. Es gölten klare Regeln, sagt sie: „Das ist mein Haus. Wer ausländerfeindliche Äußerungen macht, muss gehen.“ Zeitgleich mit Khalaf beginnt im Oktober eine weitere Kraft. Im Servicebereich. Sie ist ebenfalls aus Syrien.
Busse ist froh und stolz, seinem Schützling Starthilfe geleistet zu haben. Doch auch die anderen Helfer aus dem Internationalen Café seien erfolgreich gewesen, betont er. Zwei weitere Flüchtlinge arbeiteten nun beim Autohaus Möhler. Andere seien in Wohnungen untergebracht worden, hätten Jobs oder Praktika vermittelt bekommen. Für die Jüngsten habe man sich um Kindergarten-Plätze gekümmert. Busse opfert seine Freizeit gerne. „Mich kostet das einen halben Tag pro Woche. Aber man kann so viel Positives bewirken“, sagt er.
Seitdem die Bewohner der Oberneulander Zeltunterkunft in eine Lagerhalle im Gewerbegebiet an der Walter-Geerdes-Straße in Osterholz umgesiedelt wurden, gibt es für Flüchtlinge im Gemeindehaus am Hohenkampsweg statt des Cafés nur noch eine Sprechstunde. Zwei Personen beantworten dort jeden Montag von 10 bis 12 Uhr Fragen des Alltags. Fünf bis zehn Ehrenamtliche besuchen die Flüchtlinge regelmäßig in ihrer Unterkunft, helfen ihnen bei Wegen zu Ämtern, Formularen oder bei der Hausaufgabenbetreuung.
Khalaf ist froh, dass ihm so tatkräftig unter die Arme gegriffen wurde. Negative Erfahrungen habe er in Deutschland bislang noch keine einzige gemacht. „Die Leute sind alle sehr freundlich“, sagt er. Mit einem Lächeln streicht er seinen Vertrag glatt und versichert: „Ich will hier bleiben.“
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