
Dieter Mazur: Oh ja, absolut! Parallel zur Beiratspolitik habe ich mich seit 2007 immer stärker im Vorstand des BUND für den Klima-, Umwelt- und Naturschutz engagiert, seit 2012 auch als Vorsitzender. Dadurch hat der Termindruck in den letzten Jahren deutlich zugenommen, sodass ich schließlich entschieden habe, nach 30 Jahren Kommunalpolitik nicht mehr für den Beirat zu kandidieren. Natürlich werde ich die Horner Kommunalpolitik weiterhin aufmerksam begleiten, aber eben nicht mehr als Mitglied im Beirat.
Als Sie 1989 Teil des Beirats wurden, saßen Sie dort für die Grünen, waren aber parteilos – ist das bis heute so geblieben?Nachdem ich im Februar 1989 nach Horn-Lehe gezogen war, hatte mir die Stadtteilgruppe im Juni das Mandat angetragen. In den darauffolgenden sieben Legislaturperioden bin ich stets gefragt worden, ob ich – auch als Parteiloser – erneut für die Grünen im Beirat kandidieren würde. Das ist bis heute so geblieben. In der großen Linie stehe ich natürlich hinter dem grünen Parteiprogramm, war in den zurückliegenden 30 Jahren jedoch mit mancher Entscheidung, vor allem auf Bundesebene, nicht einverstanden.
Zum Beispiel?Nun, als damals aktives Mitglied in der Friedensbewegung hatte ich starke Bauchschmerzen bei der deutschen Beteiligung am Bosnienkrieg ohne UNO-Mandat.
Heute kümmert sich der Beirat Horn-Lehe vor allem um Verkehr, Schule und Kitaplätze. Welche Themen standen Ende der 1980er-Jahre regelmäßig auf der Agenda?Das Thema Verkehr war auch schon damals ein Aufreger. Viele Ordner füllen das Regal in meinem Arbeitszimmer, in denen ich die heftigen Auseinandersetzungen um die Linie 4 und den erbitterten Konflikt um das Hollerland dokumentiert habe. Legendär bleibt meine wohl längste Beiratssitzung zum Planfeststellungsbeschluss zur Linie 4 im rappelvollen Saal des alten Ortsamtes. Sie dauerte viele Stunden, bis schließlich tief in der Nacht auch die allerletzte Frage endlich beantwortet worden war.
Erinnern Sie sich an Ihren ersten aktiven Einsatz im Stadtteil?Meine erste praktisch-politische Aktion in Horn-Lehe war das Aufstellen der bunten Fahnenreihe im Hollerland im Sommer 1989 gemeinsam mit Gerold Janssen und der Bürgerinitiative für die Erhaltung des Hollerlandes. Damit wurde am Ende bewirkt, dass knapp 300 Hektar wertvolle Natur nicht nur unter Schutz gestellt, sondern auch noch um den Hollerwald ergänzt wurden. Später war der politische Streit dann im Zusammenhang mit der Linie 4 zunehmend vom Konflikt um eine Autotrasse durch das Hollerland geprägt. Dieser jahrzehntelange Streit wurde erst mit der ultimativen Meldung des Hollerlandes als europäisches FFH-Schutzgebiet im Jahre 2005 beendet.
Inwiefern hat sich Horn-Lehe in den vergangenen 30 Jahren aus Ihrer Sicht zu seinem Vorteil verändert?Nicht zuletzt dank einer konstruktiven Begleitung durch den Beirat hat Horn-Lehe bei vielen großen Infrastrukturprojekten gewonnen: Fast alle Schulen im Stadtteil sind grundsaniert und teilweise erweitert worden. Ich war als Beirat an den Entscheidungen für attraktive Bildungs- und Freizeiteinrichtungen, wie das Universum und die Botanika, beteiligt. Es gibt heute ein neues Gebäude für die freiwillige Feuerwehr und ein neues Polizeirevier, außerdem sind ein komplett neues Hallenbad sowie das Freibad Horn im Bau.
Sie sind seit Langem Sprecher des Fachausschusses Soziales, Kultur und Sport – was hat sich auf diesem Gebiet getan?Mit dem Jugendhaus konnte trotz großer Schwierigkeiten ein wichtiges Freizeitangebot für junge Leute erhalten und mit dem Sportpark sogar noch bereichert werden. Mit dem Kulturraum gibt es eine aktive kulturelle Szene, und der Garten der Menschenrechte im Rhododendronpark ist ein gutes Beispiel für gelungene internationale Kooperationen. Erfreut bin ich außerdem über das zivilgesellschaftliche Engagement, das sich in vielen Bereichen des Stadtlebens von Horn-Lehe zeigt: Bei der ersten Flüchtlingswelle Anfang der 90er-Jahre hat es vielerorts schlimme fremdenfeindliche Aktionen gegeben. Bei uns jedoch hat sich damals eine „Bürgerinitiative für ein ausländerfreundliches Horn-Lehe“ gebildet, die mit vielen Aktionen für ein tolerantes Miteinander gewirkt hat. Die Bevölkerung und der Beirat haben auf dem Höhepunkt der Zuwanderung in den Jahren 2015 und 2016 besonnen und konstruktiv dazu beigetragen, die Folgen solidarisch zu tragen.
Wie sieht es im Stadtteil in Bezug auf die grünen Kernthemen aus?Da fällt meine Bilanz weniger schmeichelhaft aus. Im Universitätsbereich, aber auch im Technologiepark und in den zahlreichen Neubaugebieten ist die große Chance vertan worden, auf den riesigen freien Flachdächern Photovoltaikanlagen zu installieren und so einen Beitrag für den Klimaschutz zu leisten. Horn-Lehe ist ein grüner Stadtteil mit vielen Bäumen am Straßenrand, doch sie leiden massiv: Im Winter durch den Einsatz von Streusalz, ansonsten durch mangelnden Schutz vor parkenden Autos oder bei Baumaßnahmen aller Art. Inzwischen gibt es außerdem ein großes Defizit bei Neupflanzungen, wenn die Bäume der Säge zum Opfer gefallen sind.
Wie zufrieden sind Sie mit der Verkehrsentwicklung?In unserem weitläufigen Stadtteil ist das Fahrrad für sehr viele Menschen ein alltägliches Verkehrsmittel. Trotzdem dominieren in den verkehrspolitischen Debatten bis heute die altbekannten Bedürfnisse des motorisierten Verkehrs. Beim Blick durch die Windschutzscheibe werden stets längere Grünphasen für den Autoverkehr gefordert, ohne Rücksicht auf Fußgänger und Radfahrer, die ja auch mal über die Straße wollen.
Sehen Sie die neue Legislaturperiode als willkommenen Neustart für den zwischenzeitlich sehr zerstrittenen Beirat?Wenn ich die Meldungen richtig gelesen habe, so wird sich die personelle Zusammensetzung des Beirats nicht gravierend verändern. Mit der neuen Beiratssprecherin Heike Menz gibt es heute, zumindest auf der koordinierenden Ebene im Hintergrund, ein spürbar konstruktiveres und weniger konfrontatives Klima im Beirat. Das heißt nicht, dass es in der einen oder anderen Sachfrage nicht auch einmal heftigere Debattenbeiträge geben kann. Unterstützung erfährt dieser sachbezogene und konstruktive Kurs auch durch das Ortsamt, hier insbesondere durch den positiven Einfluss von Inga Köstner. Der Beirat findet in vielen wichtigen Fragen zu einer gemeinsamen Linie – in der Erkenntnis, dass nur ein starkes, möglichst einstimmiges Votum etwas bewirken kann.
Was sollte der neue Beirat besser machen als der scheidende?Vorfahrt für die Sacharbeit! Beiratsmitglieder müssen wahre Generalisten sein: Bei Fragen zur Inklusion, zu Verkehrsentwicklungs- sowie Bebauungsplänen und zur Integration von Geflüchteten werden umfassende kommunalpolitische Kenntnisse gefordert. Das ist aber gerade für neue Beiratsmitglieder oft kaum leistbar. Deshalb könnte es für den Beirat hilfreich sein, sich für das eine oder andere Thema externen Sachverstand zu holen. Entweder in die Beiratssitzung oder in besondere Veranstaltungen, die vom Ortsamt und Beirat organisiert werden.
Was ließe sich außerdem verbessern?Ein weiterer Punkt, den der kommende Beirat beachten sollte, ist der Zusammenhalt im Stadtteil: Durch vielfältige Aktivitäten, wie Sommer- und Mühlenfeste, Neujahrsempfänge, regelmäßige Flohmärkte und kulturelle Veranstaltungen aller Art sollte darauf hingewirkt werden, das Wir-Gefühl im Stadtteil zu stärken, insbesondere zwischen den Alt-Hornern und den vielen Neubürgern.
Welche Abschlussnote würde denn wohl der Lehrer Mazur dem Beiratspolitiker Mazur geben?Diese Bewertung möchte ich gerne all denen überlassen, die mein politisches Wirken im Laufe der letzten 30 Jahre interessiert und kritisch begleitet haben.
Das Gespräch führte Maren Brandstätter.
Dieter Mazur
war 37 Jahre lang Lehrer an diversen Bremer Schulen, ist Vorsitzender des BUND-Landesverbands Bremen und seit 30 Jahren Mitglied der Grünen-Beiratsfraktion in Horn-Lehe. Der 69-Jährige ist verheiratet, er hat drei Kinder und vier Enkelkinder.
Ob Bahnhof, Marktplatz, Weserstadion oder Schlachte: Das Bremer Stadtbild hat sich im Laufe der Zeit erheblich verändert. Wir berichten über vergessene Bauten, alte Geschichten und historische Ereignisse.
Welcher Verein wann in Bremen oder der Region spielt und wie die Begegnung ausgegangen ist, erfahren Sie in unserem Tabellenbereich. Auch die Ergebnisse der Spiele der höheren Ligen finden Sie dort.
job4u ist die regionale Plattform, wenn es um Lehren und Lernen geht. Neben dem WESER-KURIER, der Handelskammer und der Handwerkskammer Bremen machen sich hiesige Firmen für junge Leute stark.