
Eine besondere Delikatesse hat David Hodgkinson, Klassenlehrer des 12. Jahrgangs, für seine Schülerinnen und Schüler der Tobias-Schule anlässlich des 40. Geburtstags der Förderschule an der Rockwinkeler Landstraße 41-43, ausgewählt. Am Sonnabend, 23. Februar, um 20 Uhr und am Sonntag, 24. Februar, um 16 Uhr machen die „Piraten von Penzance“ die Bühne in der Turnhalle unsicher. Streng genommen ist eines der bekanntesten Stücke von Gilbert and Sullivan kein Musical und auch keine Operette. Der Komponist Arthur Sullivan hatte keinen geringeren Anspruch, als für Großbritannien eine Nationaloper zu schaffen, nach deutschem und italienischem Vorbild. Zu seinen musikalischen Göttern gehörten Mozart und Albert Lortzing. Auch von Belcanto-König Gioacchino Rossini, den er 1862 in Paris traf, zeigte sich Sullivan begeistert. Und doch ließe er sich als Seelenverwandter von Jacques Offenbach bezeichnen, nur eben very british. Der Operettenkomponist zog in Frankreich die Protagonisten des Zweiten Kaiserreiches kräftig durch den Kakao. Auch der Schriftsteller und Librettist William Schwenck Gilbert und der Komponist Arthur Sullivan beherrschten die Kunst der heiteren Satire und Sozialkritik vortrefflich, mit der sie die Zustände in einem zunehmend entfremdeten, kapitalistisch geprägten Zeitalter bis ins Groteske hinein karikierten. „Topsy-turvydom“, zu Deutsch ein Kuddelmuddel, prägt oft die Nonsense-Logik der Werke.
Die Melodien sind eingängig und mitreißend. Und trotzdem sind die 14 komischen Opern von Gilbert and Sullivan in Kontinentaleuropa eine Rarität geblieben. Nur in den USA, wo „Die Piraten“ an Silvester 1879 am New Yorker Broadway zum ersten Mal aufgeführt wurden und eben in Großbritannien erfreuen sich die Hits des kongenialen Duos ungebrochener Popularität. Die deutsche Version war bislang lediglich in ausgesprochenen Theaterstädten wie Meiningen oder eben in Wien, an der Volksoper, sogar mit der prominenten Wagner-Interpretin Gwyneth Jones zu sehen. „Mehr davon!“ fordern Gilbert and Sullivan-Fans schon längst. Aber die bundesrepublikanischen Theater machen bislang keinerlei Anstalten, Juwelen wie die „Piraten von Penzance“ oder den „Mikado“ auf die Bühne zu bringen.
Umso höher ist der Einsatz des Teams der Tobias-Schule zu schätzen. Für David Hodgkinson wird es das letzte Klassenspiel sein, nach 30 Jahren an der Förderschule geht er 2020 in Pension. Und so hat sich der Brite und ausgemachte Gilbert and Sullivan-Fan mit den „Piraten von Penzance“ selbst schon ein vorzeitiges Abschiedsgeschenk gemacht. In der kleinen Stadt in der Grafschaft Lincolnshire, aus der er stammt, habe es sogar eine Gilbert and Sullivan-Gesellschaft gegeben, die jedes Jahr Aufführungen realisierte, erzählt er. Aber nicht nur die eigene Passion spiegelt sich in der Auswahl des Stückes. „Es ist wie gemacht für uns. Für jede Rolle haben wir die Idealbesetzung“, schwärmt Hodgkinson, der seine Schülerinnen und Schüler mit Schwung auf dem Akkordeon begleitet. In der Probenpause hat er für das junge Ensemble nur lobende Worte: „Das habt ihr wirklich ganz toll gemacht, Leute“. Hodgkinson ist sichtlich stolz, dass es gelungen ist, die Produktion zu stemmen.
Und er erläutert: „Wir haben schon vor den Sommerferien damit angefangen, die Lieder einzustudieren“. Der Zehntkässler Max, einer der Beleuchter, schwärmt: „Die Musik ist Spitze!“ Da ist beispielsweise Christopher, der mit Aplomb in einem Admiralsmantel mit der Autorität des tyisch englischen, modernen Generalmajors auftrumpft. Der hat zwei entzückende Töchter, darunter Mabel, die von der zierlichen Greta verkörpert wird, den Avancen des jungen Frederic nicht widerstehen kann und in die Heirat mit ihm einwilligt. Doch für den Generalmajor steht fest: Ein Pirat als Schwiegersohn kommt für ihn gar nicht in die Tüte. Dabei stammt Frederic eigentlich aus aristokratischem Hause. Er ist nur aus Versehen von seiner Amme Ruth zu den Piraten in die Lehre geschickt worden, weil die den Begriff „Pirat“ mit dem Wort „privat“ verwechselt hat.
Gretas Freundin Simone hat übrigens die wunderschönen Kostüme für die Piratenhorde mit den milden Herzen entworfen. Und die idyllischen Bühnenbilder mit den Säulen aus Stoff und Drahtgeflecht sind in einem Alle-Mann-Manöver von Schülerschaft, deren Eltern und Großeltern während der Halbjahresferien entstanden. Zu den Chef-Bühnenmalern gehört auch Jakob, der, als Frederics Amme Ruth verkleidet, mit seinem ausgesprochenen Bühnentalent zu punkten weiß. In der achten Klasse hat er schon im „Gespenst von Canterville“ mitgespielt. So schäkert und kokettiert er mit seinem Zögling, was das Zeug hält: „Eine Frau wie mich findest Du unter Tausenden nicht!“ Doch der hat sich nun mal in Mabel verguckt. Und als Jakob alias Ruth bei Frederic abblitzt, wimmert sie: „Nenn' mich doch nicht Schlange, ich lieb Dich doch schon so lange.“ Clou an der Geschichte der mitleidigen Piraten, die sich auf die Fahnen geschrieben haben, Waisenkinder zu verschonen und sich deshalb mit einer wirtschaftlichen Flaute herumschlagen müssen: Wie sich zum Schluss herausstellt, sind sie in Wirklichkeit vom Weg abgekommene Hocharistokraten, die seinerzeit aus Langeweile über die Ereignislosigkeit des englischen Oberhauses beschlossen hatten, in die Piratenzunft zu wechseln. Frederic, energisch gespielt von Kilian, hat sich unterdessen endgültig von den Piraten losgesagt, mit denen er gerade eben noch seine Volljährigkeit gefeiert hat und will sie mit Hilfe einer Polizeitruppe, die gerade eben hinter den Säulen hervorlugt, verhaften lassen, zumal sie ihm Mabels Gunst streitig machen wollen. Und dann beginnen Polizisten und Piraten, sich gegenseitig hereinzulegen.
„Die Piraten von Penzance“ von Gilbert an Sullivan sind am Sonnabend, 23. Februar, um 20 Uhr und Sonntag, 24. Februar, um 16 Uhr in der Tobias-Schule, Rockwinkeler Landstraße 41-43 zu sehen. Der Eintritt ist frei. Um Spenden wird gebeten.
|
Ob Bahnhof, Marktplatz, Weserstadion oder Schlachte: Das Bremer Stadtbild hat sich im Laufe der Zeit erheblich verändert. Wir berichten über vergessene Bauten, alte Geschichten und historische Ereignisse.
Welcher Verein wann in Bremen oder der Region spielt und wie die Begegnung ausgegangen ist, erfahren Sie in unserem Tabellenbereich. Auch die Ergebnisse der Spiele der höheren Ligen finden Sie dort.
job4u ist die regionale Plattform, wenn es um Lehren und Lernen geht. Neben dem WESER-KURIER, der Handelskammer und der Handwerkskammer Bremen machen sich hiesige Firmen für junge Leute stark.