
Wer ihn so munter und fröhlich am Kaffeetisch seiner Wohnung an der Parkallee erzählen hört, der könnte den Eindruck gewinnen, dass Gregor Marx gerade eben von der Varieté-Bühne gesprungen ist. So verschmitzt funkeln die blauen Augen des alten Herrn mit seinem Siegelring um die Wette, wenn er von seiner Glanzzeit erzählt, in der er mit dem Who’s who des Showbusiness international auf Tournee ging. Das Universaltalent Gregor Marx, das unter dem Künstlernamen Mac Gregor international bekannt wurde, kann an diesem 9. Januar seinen 90. Geburtstag feiern. Cornelia Froboess und der berufsjugendliche Rock ’n’ Roller Peter Kraus, damals in der Schweiz allerdings nicht so wohlgelitten, waren noch Backfische, als Conny dem variablen Varietékünstler 1962 ein Foto mit der Widmung schenkte: „Pour le grand Mac Gregor“.
„Die waren alle sehr nett“: An seine Tourneepartner erinnert er sich durchweg gern – ob nun an den damals noch ganz jungen René Kollo, der sich sein Opernstudium mit Gigs als Schlagersänger verdiente und mit dem Hit „Hello Mary Lou“ bekannt wurde, bevor er dann später auf dem grünen Hügel in Bayreuth als einer der führenden Wagner-Sänger berühmt wurde. Oder an den früheren Ufa-Star Zarah Leander, damals schon eine reifere Dame, mit der er 1961 durch die Schweiz tourte. Auch mit dabei: der Rock ’n’ Roller Ted Herold. Noch heute erinnert sich Mac Gregor gern an Leanders Lob: „Bravo, mein Junge, bravo!“ und imitiert ihr guttural gerolltes R. Kein Wunder, denn Mac Gregor war ein Tausendsassa in vielen künstlerischen Metiers, von Haus aus Bassbariton war er, so steht es in begeisterten Kritiken, auch ein talentierter Pantomime und als Varietékünstler vor allem für die von ihm als „Europas berühmtestem Verwandlungsparodisten“ kreierte Spezialnummer berühmt.
Darin stellte er die Nachahmung eines U-Bahn-Eingangs auf die Bühne, mithilfe eines Kartons, dessen Pappwände eine Höhe von 90 Zentimetern hatten. In einer knappen halben Stunde wechselte er so, begleitet vom Hoch- und Deutschmeister-Marsch, in einem Bruchteil von wenigen Sekunden mehrere Male Kostüm und Maske. Mal trat er als Spanier auf und sang „Eviva Espana“, aber auch das Wolga-Lied aus Lehars „Der Zarewitsch“ hatte er drauf, nur um gleich darauf als Bill Haley-Imitator den Saal zu rocken. Einer der Höhepunkte der Nummer: Mac Gregor wirbelte im voluminösen Rock zum Cancan über die Bühne. Nach einer Dirigenten-Pantomime zur Musik der Ouvertüre zu Franz von Suppés „Dichter und Bauer“ gab er dann mit einer winzigen Geige einen Geigen-Virtuosen. „Bei den Musikfestwochen in Lugano saß Yehudi Menuhin in der ersten Reihe und hat sich kaputt gelacht. Und dabei hatte ich doch solch einen Bammel, vor dem großen Violin-Virtuosen aufzutreten“, erzählt Marx.
Ein Kritiker urteilte so über die Nummer: „Das geschieht so imposant und lustig, daß das Theater jedesmal vor Beifall und Lachen beinahe in sich zusammenfällt“. Kein Wunder, dass der große Verwandlungskünstler damit auch in einer der damaligen Blockbuster-Shows des Deutschen Fernsehens zu Gast war: Beim „Goldenen Schuss“ mit den Showmastern Vico Torriani und Lou van Burg. Aber auch mit Rudi Carrell war er auf du und du. Ausgedehnte Tourneen führten Mac Gregor nach Finnland, Schweden, aber auch immer wieder in die Nobelorte der Schweiz: St. Moritz, Arosa, Davos, Interlaken und Luzern. Das Universaltalent sagt von sich: „Ich hatte das Glück, dass ich von Natur aus komisch war“. Eindeutig zweideutige Witze, die unter die Gürtellinie gehen, wären für ihn nicht in Frage gekommen. Bis heute kann Marx nicht begreifen, wie sogenannte Comedians mit dieser Masche ganze Stadien füllen können.
Apropos René Kollo: Gregor Marx begann seine Bühnenkarriere als Bassbariton an der Bremer Oper. Sein Vater, der Cellist war, hatte ihm das Musikstudium nahegelegt, zumal er beobachtet hatte, wie sein Filius im Café Atlantic schon als Steppke dem Dirigenten Bernhard Etté den Taktstock abluchste, um selbst einmal beim Orchester den Ton anzugeben. Das große Stadttheater am Wall, gelegen gegenüber der Contrescarpe, wo Marx aufwuchs, war jedoch im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs ausgebrannt, sodass das Ensemble in die Delmestraße ausweichen musste.
Als ihm Felix Ballhausen aus München, damals der Agent schlechthin, 1950 anbot, aus ihm „den größten Operettenbuffo Deutschlands“ zu machen, da war dann das Lampenfieber des damals 20-Jährigen doch zu groß. Er sattelte dann doch lieber mit großem Erfolg zum Varietékünstler um. Und trat natürlich auch im legendären Astoria im Arizona-Keller bei Varieté-Direktor Emil Fritz auf. 1954, als 24-Jähriger das erste Mal. Später hatte er dann unzählige Gastspiele an Bord der MS „Europa“. Auf der MS „Hamburg“ lernte er 1970 seine zweite Frau Erika kennen. „Das war ein Geschenk Gottes“, blickt er zurück. Inzwischen sind die beiden seit 50 Jahren verheiratet. Durch sie wurde er zum passionierten Golf-Spieler.
Mit René Kollo, dem berühmten Wagner-Sänger, teilen Gregor und Erika Marx die Überzeugung, dass es nicht zwischen E- und U-Musik, also zwischen ernster und Unterhaltungs-Musik zu unterscheiden gelte, sondern nur zwischen guter und schlechter Musik. Beide sind große Opernfans, mögen aber auch Operette und Musical und fahren regelmäßig ins Hamburger Hansa-Theater. Dort ist Mac Gregor einst auch aufgetreten. Gerade ist das Paar wie in jedem Jahr im Weihnachts- und Neujahrskonzert von „Musica Viva“ gewesen. „Ich bewundere das, wie Nicolas Hrudnik das alles auf eigene Rechnung macht“, sagt Gregor Marx anerkennend, der mit seiner Frau auch mal ins GOP geht.
Bis 2000 betrieb er dann mit seiner Frau Erika die Künstleragentur beziehungsweise Gastspieldirektion Marx & Marx. In der Parkallee saßen viele Größen der Musikbranche am Tisch, ob nun der leichteren Schlagermuse wie Freddy Breck, Costa Cordalis oder die Karnevals-Stimmungskanone, das Mainzer Urgestein Margit Sponheimer. „Das war wie eine große Familie“, sagt Erika Marx. Doch inzwischen lichten sich die Reihen. So ist Cordalis im vergangenen Jahr gestorben, Breck schon 2008. Erika Marx erinnert sich immer noch gern daran, wie Freddy Breck, der Kavalier unter den Schlagersängern, auf ihrer Hochzeitsfeier 1977 in Verden (Aller) ihr und ihrem Mann mit „Rote Rosen“, getextet auf eine italienische Opernmelodie, ein Ständchen brachte. Aber auch zu berühmten Opernsängerinnen wie Anneliese Rothenberger hatte Marx besten Kontakt. Sein Credo ist bis heute das geblieben, was er seinem Publikum als Ansicht eines Clowns immer mit auf den Weg gegeben hat: „Es ist alles nur geliehen auf dieser schönen Welt, auch die Stunden voller Glück“. Weise Worte, wie gemacht für den Beginn eines neuen Jahres.
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