
„Als in Syrien der Krieg ausbrach, musste man Mörder, Toter oder Flüchtling sein“, sagt Farhan Hebbo über sein Heimatland, als er es verließ. Bevor er nach Deutschland kam, hatte er als Feinmechaniker in Saudi-Arabien gearbeitet und wollte wieder in Syrien Fuß fassen, hielt es dort aber nicht lange aus. Er floh in die Türkei, begab sich von dort auf die weite Reise quer durch den Balkan und landete in Ungarn im Gefängnis. Farhan Hebbo ist einer von fünf Migranten, die in Bremen leben und auf einem Begegnungsabend im Club 27 im Schnoor über ihre persönlichen Erfahrungen mit Einwanderung berichten.
Dieser Begegnungsabend war eingebettet in das Kulturprojekt „Raíces múltiples – Ein Dialog zwischen Kunst und Migration“, das einen Beitrag der freien Szene der bildenden Kunst und Musik zum 200. Jubiläum der Bremer Stadtmusikanten leisten möchte. Das Märchen lässt sich nämlich auch als Erfahrung von Migration und der Kraft der Gemeinschaft interpretieren – schließlich sind auch Esel, Hund, Katze und Hahn Flüchtlinge und nur stark gegen die Räuber, weil sie miteinander kooperieren.
Im Rahmen von „Raíces múltiples“ läuft im gleichen Haus eine Ausstellung lateinamerikanischer Künstler, die professionell in Bremen arbeiten und in der Malerei, Rauminstallationen, Fotos, Videos und Performances gezeigt werden. „Mit dieser Ausstellung wollen wir auch Menschen erreichen, die sonst wenig mit Kunst zu tun haben“, sagt Claudia A. Cruz aus Mexiko, die mit eigenen Fotografien in der Ausstellung vertreten ist.
Auf dem Begegnungsabend antworten fünf geladene Gäste aus mehreren Kontinenten auf Fragen der beiden Moderatoren Valentina Rojas Loa und Volkan Eliş, und am Ende der Fragerunde kann auch jemand aus dem Publikum Fragen stellen.
Der Gast aus Syrien, Farhan Hebbo, liest auf die Frage nach den Schwierigkeiten, mit denen er in der neuen Heimat konfrontiert wurde, kurze Texte vor, die er selbst geschrieben hat. Er geht darin spöttisch mit der Kompliziertheit der deutschen Sprache um, in der besonders die Zuordnung der Artikel „der, die, das“ Ausländern oft große Probleme bereitet: „Es heißt, `der´ ist der männliche Artikel, aber wenn `der Mann der Frau´ etwas gibt, ist die Frau dann männlich? Das macht meinen Kopf kaputt!“ sagt Ali, bis er nach langer Übung die komplexen Formen der Beugung von Wörtern in der deutschen Sprache begriffen hat und triumphierend sagen kann: Der, die, das – das macht ja richtig Spaß!“
Natalie Shtefunyk aus der Ukraine macht deutlich, wie man sich mit Frauenpower in einem fremden Land behaupten kann. Sie studierte in dem typischen „Männerfach“ Informatik an der Uni Bremen mit erfolgreichem Abschluss, ist mit einem deutschen Mann verheiratet, betreibt nebenbei noch Schauspielerei am Theater Bremen und arbeitet mit ihrem Bruder als Gastronomin. Zu ihrem Erfolg hat wohl vor allem ihre Zähigkeit beigetragen: „Wenn Du an eine Tür klopfst und keiner öffnet, klopfe an die nächste, irgendwann wird sich eine Tür öffnen“, sagt Natalie Shtefunyk, „wichtig ist aufzustehen, wenn du gestolpert bist, und immer weiterzugehen.“ Seitdem ihre Tochter auf der Welt sei, fühle sie sich zu 80 Prozent deutsch, sagt sie, die vor allem die hiesige Kultur schätzt, nachdem sie Tag und Nacht die Sprache gelernt hatte, weil sie an der Uni zunächst nichts verstanden hatte. „Heute habe ich alles erreicht, was ich wollte und fühle mich glücklich“, sagt sie.
Der nächste Gast, Ali Riza aus der Türkei, kam bereits als 20-Jähriger nach Deutschland. Nach der Arbeit in vielen Fabriken, wie den Stahlwerken Bremen, ist er inzwischen als Rentner zur Ruhe gekommen. Als Willy Brandt im Jahre 1969 Bundeskanzler wurde, trat Ali Riza wenig später in die SPD ein, weil er dessen Friedenspolitik sehr schätzte. An diesem Abend möchte er eine Botschaft weitergeben: „Die Menschen müssen zusammenhalten, vor allem gegen den Krieg, und aktiv etwas für den Frieden tun.“
Virginie Kamche, geboren in Kamerun, zieht heute ihre Kraft als Migrantin vor allem aus dem „Afrika-Netzwerk Bremen“ (ANB), das sie gegründet hat und in dem sich verschiedene afrikanische, aber auch andere Vereine zusammengeschlossen haben, die sich mit Afrika beschäftigen. Während ihres Informatikstudiums fühlte sie sich von vielen deutschen Studienkolleginnen nicht akzeptiert, bis ihr Professor ihr half. Ihr wichtigstes Credo ist die gegenseitige Akzeptanz bei aller Verschiedenheit der Menschen untereinander: „Wenn andere mich annehmen, wie ich bin, kann ich mich auch persönlich entwickeln.“
„Mit meinem Heimatland Uruguay stamme ich aus einem Land der Migranten und Emigranten“, sagt Elsa do Prado: „Während der Diktatur 1973 bis 1985 und der nachfolgenden Wirtschaftskrise verließen viele Einwohner das Land“, sagt sie, für die der Moment, als sie plötzlich Familie, Freunde, aber auch die Strände und Flohmärkte ihrer Heimat hinter sich lassen musste, einer der einschneidendsten in ihrem Leben war. Sie nahm zwar ihre Fotoalben, Bücher und auch die Kalebasse für den Mate-Tee mit, „doch die Verluste haben viel Trauer und Schmerz erzeugt“, sagt sie.
Die offene und entspannte Runde des Begegnungsabends zeigte, wie mit Witz, Zähigkeit, Geduld, der Arbeit in Netzwerken und sozialem und politischem Engagement Migration erfolgreich gelebt werden kann.
Die Ausstellung zum Projekt „Raíces múltiples – Ein Dialog zwischen Kunst und Migration“ ist noch bis Freitag, 20. September, im Club 27, Schoor 27, zu sehen. Die Öffnungszeiten sind donnerstags bis sonntags, 16 bis 19 Uhr.
Ob Bahnhof, Marktplatz, Weserstadion oder Schlachte: Das Bremer Stadtbild hat sich im Laufe der Zeit erheblich verändert. Wir berichten über vergessene Bauten, alte Geschichten und historische Ereignisse.
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