
Rainer Persch hätte keinen Mangel an Stoff, wenn er eine Autobiografie schreiben würde. Vor allem über das Hochseesegeln kann der 74-Jährige viel erzählen, hat der Steuerberater aus Oberneuland doch mehr als 100 000 Seemeilen als Segler zurückgelegt. Zudem ist er Kap Hornier und stand 1985 im Guinnessbuch der Rekorde als Kapitän einer Segeljacht, die am weitesten in den Norden vorstieß. Schon seit 1965 gehört Persch der Segelkameradschaft „Das Wappen von Bremen“ (SKWB) an, die weltweit rund 700 Mitglieder und ihre Geschäftsstelle auf dem Peterswerder am Weserstadion hat.
Nein, Rainer Persch, der auch als Marathonläufer und Triathlet aktiv war, wollte nicht das eigene, sportliche Leben nachzeichnen, sondern ihn faszinierte besonders einer der Gründer der SKWB: Magnus Müller, geboren 1912 und im blühenden Alter von 38 Jahren 1951 bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Rainer Persch und seine Frau Elke recherchierten intensiv in Archiven, bei Zeitzeugen und Familienangehörigen und trugen eine spannende Lebensgeschichte zusammen, die sie jetzt unter dem Titel „Segeln durch stürmische Zeiten“ als Buch veröffentlicht haben.
Warum gerade Magnus Müller, den Freunde „Maggi“ nannten? „Der Name kam mir in der Segelkameradschaft immer wieder unter, aber keiner wusste so richtig was über ihn“, sagt Rainer Persch. „Er war ein Tausendsassa und nicht nur ein begeisterter Segler, sondern er konnte auch bemerkenswert gut dichten, zeichnen, singen und Akkordeon spielen“, fügt Elke Persch hinzu.
Das Ehepaar hat den Eindruck gewonnen, dass „Maggi“ auch großes Organisationstalent hatte und dass er ein guter Redner und Jugendausbilder war. Bis heute vergibt die SKWB in Erinnerung an „Maggi“ den „Tanja-Pokal“ für herausragende Leistungen beim Skagen-Rennen. „Tanja“ hieß das Boot Müllers. Das Ehepaar Persch fand heraus, dass die „Tanja“ nach mehreren Besitzerwechseln fast ein Wrack war, heute aber unter dem Namen „Hadomuth“ wieder ein Schmuckstück auf dem Bodensee ist. Ein Werftchef hat den Oldtimer von 1949 aufwendig restaurieren lassen.
Rainer und Elke Persch erzählen die Lebensgeschichte mit den persönlichen und sportlichen Höhepunkten nicht nur nach, sondern sie verbinden sie auch mit den politischen Entwicklungen jener Zeit und natürlich mit der Vereinsgeschichte der Segelkameradschaft. Das macht das Buch ausgesprochen interessant und lesenswert auch für jene, die nichts mit dem Segeln im Sinn haben – wie etwa auch Elke Persch.
Der Zweite Weltkrieg und der Nazi-Terror prägten den Alltag der Segelkameradschaft „Das Wappen von Bremen“ in den 30er- und 40er-Jahren stark. Alle Sportvereine waren den Gesetzen der sogenannten Gleichschaltung unterworfen. Rainer Persch: „Das bedeutete auch, wer an der Vereinsspitze stehen wollte, musste sich den Zielen der Nationalsozialisten verpflichten und den krassen Antisemitismus unterstützen.“ Magnus Müller habe 1938 die Vereinsführung der SKWB übernommen, sei aber „auf dem Papier“ bald wieder zurückgetreten, weil er sich eben nicht der Nazi-Ideologie habe unterwerfen wollen, sagt Rainer Persch. Doch tatsächlich sei er im Spitzenteam geblieben. Mitglieder der SKWB hätten nicht immer streng linientreu gehandelt, sondern zum Beispiel bedrängten Juden geholfen, Wertsachen für sie in die USA zu überführen, obwohl das streng verboten war.
Einige Stationen aus Magnus Müllers Werdegang im Schnelldurchlauf: geboren 1912 als Sohn eines Bremer Rechtsanwalts, aufgewachsen zunächst in der Bremer Innenstadt und ab 1923 in Lesum, Segelunterricht schon mit zwölf Jahren. Ende der 20er-Jahre zieht die Familie wieder ins Stadtzentrum, Magnus absolviert eine Ausbildung zum Baumwollkaufmann und gehört als 22-Jähriger 1934 zu den SKWB-Gründern. 1935 wird er Jugendwart, im November 1938 für relativ kurze Zeit erster Vereinsführer. 1940 wird er zur Kriegsmarine eingezogen und nach Calais beordert, im Oktober 1940 bei einem Unfall schwer verletzt.
1941 heiratet er Ruth Burmester, Tochter des Werftbesitzers Ernst Burmester aus Bremen-Burg. 1941 fordert der Werftchef den Schwiegersohn als dringend benötigte Fachkraft für seinen kriegswichtigen Betrieb an, denn die Werft ist zum Rüstungsbetrieb geworden und produziert unter anderem in Swinemünde im großen Stil Schiffe für den Kriegseinsatz. In Swinemünde hat Magnus Müller als Geschäftsführer ein glückliches Händchen, trotz allerlei Widrigkeiten hält er die Produktion noch 1944 am Laufen.
Nach Kriegsende glänzt Müller wiederum als Meister der Improvisation und und verdient viel Geld mit seiner „Fisch-Companie Nord“, die dank ihrer Kutter frischen Fisch liefert. So kann er es sich leisten, 1949 die "Tanja" als sein Traumschiff bauen zu lassen. 1950 zwingt ihn ein Unwetter zu einem Hechtsprung über Bord, doch im letzten Moment kann er sich an einer Leine festhalten und wird gerettet. Eine seiner pfiffigen Ideen ist, nicht mehr benötigte Fischkutter zu luxuriösen „Samba-Kuttern“ für reiche Kunden umzubauen. Magnus Müller hat noch viele Ideen, umsetzen kann er sie jedoch nicht mehr. 1951 sorgt ein tödlicher Autounfall für einen jähen Schlusspunkt.
All diese Stationen werden vom Ehepaar Persch mit vielen Details und Hintergründen ausgeschmückt – und mit wirklich sensationell gutem Fotomaterial üppig illustriert. Das umfangreiche Archiv der Segelkameradschaft erwies sich als wahre Schatzgrube, und Rainer Perschs langjährige gute Kontakte zu Segelkameraden zahlten sich als unschätzbarer Vorteil bei der Bildrecherche aus.
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