
Der Ausstellungstitel „Planet Armenien“ geht zurück auf das gleichnamige Buch des Bremer Journalisten und Schriftstellers Jochen Mangelsen, der in Armenien alleine auf Pilgerwanderschaft war. „Warum nicht auch einmal die alten Mönchswege zwischen Ararat und Aragatz wieder entdecken?“, fragt er im Vorwort seines Buches. „Warum nicht einmal hinüberwandern zu diesem wundervollen alten Kloster Dadivank hinten im Karabach, das, seit ich es das erste Mal besucht habe, eine magische Anziehungskraft ausübt“, fährt er fort.
Der Autor, dessen verstorbene Frau aus Armenien kam, war erstmals Anfang der 70er-Jahre dort und hat bereits mehrere Bücher über das Land verfasst. Er ist seit vielen Jahren Sprecher der Armenischen Gesellschaft Bremen. Auf 500 Kilometern ist er im Jahr 2010 einen nicht ausgeschilderten Pilgerweg durch Armenien am Fuß des Ararat alleine gegangen. Von Kloster zu Kloster – "auf den Jahrtausend alten Spuren der Mönche“, so Mangelsen. „Ohne Wanderkarten, die gibt es dort nicht“, erzählt er bei der Ausstellungseröffnung. Es sei eine spirituell anregende Wanderung gewesen.
Startpunkt seiner Pilgereise war die Kathedrale von Etschmiadsin, etwa 20 Kilometer westlich von Erewan gelegen. Sie ist Sitz des Katholikos, des Oberhauptes der armenisch-apostolischen Kirche, und wird als der älteste christliche Ort der Armenier verehrt. „Ich habe mich nie einsam oder allein gefühlt“, sagt Mangelsen rückblickend. Marietta Armena hat ihn in Gedanken bei seiner Reise bis zum Kloster Dadivank begleitet und seine Eindrücke und Abenteuer künstlerisch in Skizzen und Zeichnungen umgesetzt.
Für Mangelsen ein Wunderland
Erivan, die Hauptstadt Armeniens ist ihre Heimat, dort hat Marietta Armena klassische Malerei studiert, bevor sie 1993 in Bremen strandete. Jochen Mangelsen beleuchtet in seinem Tagebuch einerseits die politische Lage im Spannungsfeld von Armenien, Aserbaidschan und Berg-Karabach, im Brennpunkt seiner Kapitel stehen aber auch die anrührenden Begegnungen mit den Menschen dort und ihren Traditionen. „Armenien ist für mich ein Wunderland“, sagt er. Sein Buch sei ein heiteres, fröhliches, verbunden mit ernsthaften Themen.
Das spiegeln auch die Bilder von Marietta Armena wieder. Nachdem sie vor sechs Jahren Mangelsens Buch illustrierte, beschäftigt sie sich nun formal und inhaltlich mit dem Thema seiner Pilgerreise und greift es immer wieder auf, bis hin zum Titel der Ausstellung. Rund 15 Exponate sind im St.-Joseph-Stift ausgestellt. Sie zeigen Impressionen vom Landesinneren, wie sie nur wenige erlebt haben.
Der Besucher sieht beispielsweise anhand von Zeichnungen die Verarbeitung von Lavasch, einem ungesäuertes Fladenbrot, das in Armenien das meist gegessene Brot ist. Auf einer Dorfszene sind Bäuerinnen zu sehen, die Lavasch aus Tonirs – das sind Erdöfen aus Ton – anfertigen. Jochen Mangelsen beschreibt in seinem Buch: „Wenn man die Zeitung durch das Lavasch lesen kann, hat man alles richtig gemacht!“ Im Reisetagebuch gibt es sogar ein Rezept dazu. Symbolisch hat Marietta Armena die Form des Brotes als Skulpturen geformt, die von der Decke hängen. Auf ihnen sind Zeichnungen voller Spiritualität: Die Malerin hat einen Mönch skizziert, der umgeben von Gefäßen eine Wassersegnung macht.
Auf einem anderen „Lavasch“ ist die Kirchenruine Kobayr zu sehen, die Mangelsen auf seiner Reise hoch im Felsen besuchte. Er machte in der verlassenen mittelalterlichen Klosternanlage Rast. Der Betrachter sieht ein gut erhaltenes Fresko, ein Brustbild von Jesus im Zentrum der Abendmahlszene. Das Motiv von Kobayr entspricht dem seit dem 11. Jahrhundert in der georgischen und byzantinischen Kunst üblichen Darstellungsform. Besonders berührend ist die Darstellung des Porträts eines armenischen älteren Ehepaares, das dem Pilger auf seiner Wanderschaft in einem abgelegenen Dorf in den ersten Nächten begegnete. Er habe an der Tür geklopft und mithilfe seines „Notfall-Wörterbuches in Armenisch“ um ein Bett gebeten. „Bis heute bekomme ich Gänsehaut, wenn ich daran zurückdenke„, sagt Mangelsen. “Die Begegnung war unglaublich.“ Die Menschen seien ausgesprochen herzlich gewesen. „Die Frau hat ihre Tomaten geschält und dabei Psalmen gesungen und jedes eingemachte Glas mit einem Gebet verschlossen.“
Marietta Armena hat diese Begebenheit bildlich festgehalten. „Die Blätter zeigen meine Gefühle für dieses merkwürdige Land, die Liebe für meine Heimat, aber auch die Zerrissenheit, mit der ich auf Geschichte und Gegenwart Armeniens schaue“, sagt sie. So kann der Besucher auch den Berg Ararat in ihren Bildern entdecken, der seit 1922 jenseits der Grenze in der Türkei liegt. Auf dem 5137 Meter hohen „Zauberberg“, wie Jochen Mangelsen ihn nennt, soll einst die Arche Noahs gelandet sein, wie es heißt. Der Berg ist im Leben der Armenier allgegenwärtig und ziert das Staatswappen. Der Ararat taucht in der Ausstellung mehrfach auf. Er ist hinter Papst Franziskus zu sehen, den Marietta als Friedensbotschafter dargestellt hat. Erst kürzlich hat sie nach einer Generalaudienz im Vatikan Franziskus ein lebensgroßes Bild zukommen lassen (wir berichteten im Hauptteil). Historiker Wilhelm Tacke geht in seiner Eröffnungsrede ausführlich darauf ein. Außerdem erzählt er, dass es in ihrer Familie eine ganze Reihe von Mönchen gegeben hat. Sieben ihrer Verwandten seien sogenannte Vardapets, Priestermönche mit höheren Studienabschlüssen.
Tacke erzählt von der wichtigen Bedeutung der armenischen Sprache und der Liebe zum Wort, abzulesen an einem Bild von Marietta Armena. Es zeigt das armenische Alphabet, überlebensgroß in Stein gemeißelt in einer kargen Landschaft. „Die armenische Sprache und die angeblich monophysitische Landeskirche trugen mit dazu bei, dass die Armenier nicht in die Nachbarstaaten assimiliert wurden“, erklärt dazu Wilhelm Tacke. Gleich daneben ist eine Feuerstelle als Bildplastik zu sehen als Hinweis auf armenische Gastfreundschaft. „Bei uns glaubt man, dass man ums Feuer sitzend leichter Probleme lösen kann“, sagt Marietta Armena. Dann führt sie dem Publikum vor, wie man einen Granatapfel öffnet, eine der ältesten Kulturfrüchte der Menschheit. Der Paradiesapfel von Adam und Eva soll nach Meinung einiger Historiker ein Granatapfel am Baum des Lebens gewesen sein. Er spielt in Armenas Werk eine zentrale Rolle. Dann reicht sie aus dem Inneren der Frucht drei Kerne zum Probieren. „Einer stehe für Glück, der andere für Fantasie“, sagt sie. „Und einer für die Liebe.“
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