
Doch mit der Farbauswahl ist Menschen mit geringem Restsehvermögen wenig gedient, wie der Schwachhauser Sozialausschuss bei einer Begehung des Stadtteils mit Frank Mohrmann erfahren hat. Mohrmann muss es wissen. Das Sehvermögen des 48-Jährigen liegt bei etwa 0,2 Prozent. Er kann Schatten und Umrisse erkennen – mehr nicht. Rote Markierungen nützen ihm nichts, sagt er. Gelb müssten sie sein, um von ihm wahrgenommen werden zu können. An Stellen mit erhöhter Pollerdichte, wie beispielsweise in Höhe des Gondelkinos, sei das Vorankommen ohne Blessuren besonders mühsam, betont er.
Der Fachausschuss für Soziales und Integration hat sich Problemstellungen wie diese vor einiger Zeit als Schwerpunkt auf die Fahne geschrieben und untersucht den Stadtteil seither regelmäßig bei Ortsterminen auf seine Barrierefreiheit. Mohrmanns Hinweis wurde vom Ausschuss aufgenommen und an das Amt für Straßen und Verkehr (ASV) als Anregung weitergeleitet, nicht rote, sondern gelb markierte Poller einzusetzen. In ihrem Antwortschreiben teilt die Behörde allerdings mit, dass eine Änderung der Farbmarkierungen zur Folge hätte, dass die Metallpoller – auch unter dem Namen „Bremer Spargel“ bekannt – maßgeblich das städtebauliche Aussehen der Straßen prägen würden. „Wir schätzen es als sehr problematisch ein, diese Poller dann in ihrer Auffälligkeit in der gesamten Stadt integrieren zu können – insbesondere in der Innenstadt und den innenstadtnahen Bereichen“, heißt es in dem Antwortschreiben. Außerdem lasse sich ein Austausch der Metallpoller vor dem Hintergrund der Haushaltssituation in absehbarer Zeit nicht finanzieren. Wenn überhaupt, sei dieser nur über mehrere Jahre hinweg umsetzbar, was wiederum zur Folge hätte, dass in den einzelnen Straßen über gewisse Zeiträume hinweg sowohl Poller mit der alten als auch der neuen Farbgebung stünden. Und das hätte zur Folge, dass sich die Problematik für Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit eher noch erhöhe, so die Einschätzung des ASV.
„Wir haben es fast nicht glauben können“, kommentiert Sozialausschuss-Sprecherin Gudrun Eickelberg (Grüne) die Antwort der Behörde. „Ich empfinde diese Begründung als zynisch“, betont sie. Gerade bei Sehbehinderten auf die Optik zu verweisen, sei „respektlos, ungehörig und menschenverachtend“, kritisiert sie. „Außerdem gibt es eine UN-Behindertenrechtskonvention, die eine Barrierefreiheit in unseren Städten fordert.“ Der Hinweis, dass für Sehende eine bestimmte Farbe optisch unangenehm sein soll, die Sehbehinderten ein großes Hindernis für eine gleichberechtigte Teilhabe am Straßenverkehr nehmen würde, konterkariere die Bemühungen um eine inklusive Stadtgesellschaft. „Wir haben die Antwort des ASV an den Landesbeauftragten für Behinderte, Joachim Steinbrück, weitergeleitet“, teilt sie mit, und auch im Ausschuss werde das Thema mit Sicherheit weiter verfolgt.
Frank Mohrmann weiß, wie gelbe Poller das Stadtbild verändern würden. Er kennt den optischen Unterschied zwischen rot und gelb genau – nicht nur, was ihre Signalwirkung betrifft. „Ich konnte bis zu meinem zwölften Lebensjahr sehen“, erzählt er. „Mir ist daher klar, dass die Veränderung für Sehende gewöhnungsbedürftig wäre.“ In der heutigen Zeit allerdings könne man im Sinne von Inklusion so viel Toleranz von seinen Mitmenschen durchaus erwarten, findet er. Das Grau in Grau, in dem das Stadtbild überwiegend gehalten sei, stelle für Sehbehinderte eine große Herausforderung dar, da sie auf Kontraste angewiesen seien, betont Mohrmann, der dem Ausschuss für Umwelt und Verkehr des Bremer Blinden- und Sehbehindertenvereins angehört. In punkto Leitstreifen und Ampelsignale sei die Stadt vergleichsweise gut aufgestellt, sagt er. Allerdings gehe es dabei ja im Zweifel auch – anders als bei den Pollermarkierungen – um die Sicherheit von Leib und Leben. Ein Zusammenstoß mit einem Poller sei gemessen daran nur unangenehm, mitunter auch mal schmerzhaft. „Aber auch das müsste eigentlich nicht sein“, sagt Mohrmann.
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