
Ob die Hinrich-Wriede-Straße künftig Magdalene-Thimme-Straße heißen soll oder nicht, darüber wird der Ende Mai neu gewählte Horn-Leher Beirat befinden. Die Grünen-Fraktion hatte auf der jüngsten Beiratssitzung mit einem entsprechenden Antrag eine teils hitzige Debatte ausgelöst, an deren Ende anstatt über zwei, über vier einzelne Antragspunkte abgestimmt wurde. Der Beirat beschloss schließlich mehrheitlich, dass die Hinrich-Wriede-Straße, deren Namenspatron ein überzeugter Nazi war, umbenannt werden soll. Dass sich in diesem Punkt keine Einstimmigkeit herstellen ließ, lag an der unterschiedlichen Auffassung darüber, ob der Beirat das richtige Gremium ist, um Umbenennungen von Straßen zu beschließen. Der von den Grünen vorgeschlagene neue Name Magdalene-Thimme-Straße wurde indes bei vier Enthaltungen einstimmig befürwortet. Auf Anregung der SPD-Fraktion soll der Beiratsbeschluss nun den Anwohnern der Straße mit der Bitte um Stellungnahme zugeleitet werden. Mit denen soll sich dann der neu gewählte Beirat Horn-Lehe befassen, um zu einem abschließenden Votum zu kommen.
Grundsätzlich darf ein Beirat eine Straßenumbenennung beschließen, teilt Martin Prange auf Nachfrage des Stadtteil-Kuriers mit. Der Beschluss werde allerdings vom zuständigen Ressort dahingehend geprüft, ob ein übergeordnetes Interesse für eine Umbenennung vorliege, erklärt der Referatsleiter für Beiratsangelegenheiten in der Senatskanzlei. Denn schließlich ziehe ein neuer Straßenname für die Anwohner einen gewissen Aufwand nach sich. Der allerdings ist laut Jens Tittmann überschaubar. Ein neuer Eintrag im Ausweis etwa sei kostenlos, erklärt der Verkehrsressort-Sprecher. Und ein neuer Grundbuchauszug werde im Grunde nur dann benötigt, wenn eine Immobilie verkauft werde. „In diesem Fall holt sich der beauftragte Notar sowieso einen aktuellen Auszug beim Grundbuchamt, der dann auch schon automatisch vom System geändert wurde“, erklärt er. Die Kosten dafür lägen in einem marginalen Bereich und würden in der Regel ohnehin vom Käufer getragen. In erster Linie komme auf die Anwohner einer umbenannten Straße also ein zeitlicher Aufwand zu, um den geänderten Straßennamen an all diejenigen Stellen weiterzugeben, für die er von Belang sei. Für Gewerbetreibende freilich sei auch ein gewisser finanzieller Aspekt vorhanden, der sich beispielsweise durch den Druck neuer Plakate, Visitenkarten und Briefköpfe ergebe, sagt Tittmann.
Ein erklärter Befürworter der Straßenumbenennung ist auch Louis-Ferdinand von Zobeltitz. Der frühere Pastor der St.-Stephani-Gemeinde und ehemalige leitende Theologe der Bremischen Evangelischen Kirche hatte im Vorfeld zur Beiratssitzung ein entsprechendes Schreiben ans Ortsamt geleitet. Magdalene Thimme sei eine engagierte wissenschaftlich arbeitende Pädagogin gewesen, die ihre christlich-humanistische Haltung auch im Widerspruch zur rassistischen Nazi-Ideologie durchgehalten habe, heißt es in dem Schreiben. „Scharfsinnig und leidenschaftlich gehörte sie zu den Gründungsmitgliedern der Bekennenden Kirche in Bremen – ohne sie hätte Pastor Gustav Greiffenhagen seine kritische Position zum Naziregime nicht durchhalten können“, so von Zobeltitz. „Magdalene Thimme, diese mutige und kluge Frau, hätte es verdient, wenn eine Straße in Horn-Lehe nach ihr benannt würde.“ Alle, denen die liberale und offene Demokratie am Herzen liege, könnten sich seiner Ansicht nach dem Vorschlag nicht verschließen, mit einem Straßennamen „eine mutige Nazigegnerin zu ehren und eben nicht einen Förderer und fanatischen Befürworter des verbrecherischen Naziregimes“, heißt es in von Zobeltitz’ Schreiben.
Die Hinrich-Wriede-Straße ist noch relativ jung, sie wurde erst 1972 bei der Bebauung des Gebiets angelegt. Damit werde der niederdeutsche Dichter gleichen Namens geehrt, hieß es damals in aller Unschuld im WESER-KURIER. Wriede war ein Cousin des Schriftstellers Gorch Fock, Namensgeber des Segelschulschiffs der deutschen Marine. In den Jahren des Dritten Reichs beteiligte er sich maßgeblich daran, den 1916 bei der Skagerrak-Schlacht umgekommenen Fock als Wegbereiter des Nationalsozialismus zu vereinnahmen. Wriede gehörte seit 1933 der NSDAP an, im gleichen Jahr übernahm er die Leitung einer Volksschule in Barmbek. In seinem Buch „Neger, Neger, Schornsteinfeger!“ hat einer seiner Zöglinge, der farbige Journalist Hans-Jürgen Massaquoi, über Wriedes rassistische Auslassungen berichtet.
Die Idee, eine Straße nach Wriede zu benennen, geht zurück auf den Bauausschuss des Beirats Horn-Lehe. Dessen Mitglieder hielten die Namensgebung für angebracht, weil im betreffenden Areal besonders viele plattdeutsch sprechende Menschen wohnten. Als der Senat den Vorschlag im Mai 1973 absegnete, wurde noch ein weiterer Aspekt angeführt: Wriede sei der Gründer einer Speeldeel gewesen, einer plattdeutschen Laienbühne.
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