
Obervieland. Eins plus zwei macht eins. Bei dieser haarsträubenden Rechnung hat nicht etwa Pippi Langstrumpf ihre Finger im Spiel, sondern sie umschreibt die komplizierte Vorgeschichte des vor zwei Jahren gegründeten Gymnasiums Links der Weser. Denn dies soll in Zukunft die Integrierte Stadtteilschule und das Gymnasium Obervieland sowie das Förderzentrum Grolland ersetzen und einen Platz für alle Kinder aus den umliegenden Stadtteilen bieten.
Anfang der Woche hat nun auch die Suche nach dem passenden Namen mit der offiziellen Schultaufe ein Ende gefunden. Zur Auswahl standen unter anderem "Bremer Sportgymnasium", "Kopernikus-Gymnasium" und "Martin-Luther-King-Gymnasium". Auch weitere berühmte Persönlichkeiten wie der Schriftsteller Berthold Brecht und Frauenrechtlerin Tjede Peckes waren im Gespräch. "Mit dem Namen Links der Weser wollten wir dennoch bewusst den Standort hervorheben, weil wir hier verankert sind", begründet Schulleiterin Christina Westphal-Akhzarati die Entscheidung der Jury.
Während der offiziellen Taufe konnten die Gäste der Feier im Bürgerzentrum Obervieland hören und sehen, was die neue Schule zu bieten hat: Kinder der fünften Klassen stifteten mit einem kuriosen Stundenplan-Rap-Kanon zunächst Verwirrung und schließlich Begeisterung. Auch die Samba AG der Fünft- und Sechstklässler sowie die Geigen AG der sechsten Klassen zeigten ihr Können. Ergänzt wurden sie von Achtklässlern der Integrierten Stadtteilschule, die eindrucksvoll ihre Fingerfertigkeit am Klavier demonstrierten. Ein Sektempfang einer Schülerfirma der Integrierten Stadtteilschule rundete die Taufe ab.
Die Leiterin des neuen Ganztags-Gymnasiums hat gemeinsam mit Jutta Albers (Gymnasium Obervieland), Sabine Elfers (IS Obervieland) und Nicola Roggendorf (ehemals IS Obervieland) die Idee für eine Schule entworfen, die es bislang in Bremen nicht gibt. Hintergrund war ein Expertengutachten, welches den bisherigen Schulen am Standort bescheinigt hat, dass eine Oberschule und ein Gymnasium unter einem Dach nicht gut funktionieren können. Konkurrenz um Schüler, das Zurückbleiben der Leistungsschwächeren, die Liste der Probleme war lang, die Lösung dagegen sehr ungewöhnlich: Ein Gymnasium für alle.
Eliteschule des Fußballs bleibt
Das Gymnasium Obervieland, die Integrierte Stadtteilschule Obervieland sowie das Förderzentrum Grolland nehmen seit zwei Jahren keine neuen Schüler mehr auf und werden in spätestens fünf Jahren endgültig schließen. Die enge Kooperation mit Werder Bremen als einzige "Eliteschule des Fußballs" in Bremen bleibt dagegen bestehen. In den frei gewordenen Räumen entsteht bereits Neues: Die Fünft- und Sechstklässler des Gymnasiums Links der Weser bekommen das Wissen nach einem extra entwickelten Lernkonzept vermittelt: "Wir haben aus allen Schulen das Beste genommen, und es in das Gymnasium einfließen lassen", sagt Westphal-Akhzarati. An der Alfred-Faust-Straße lernen künftig alle Kinder gemeinsam auf gymnasialem Niveau. Begabte Schüler können zusätzlich einen sogenannten Forderunterricht besuchen, Kinder mit Lernschwächen und Behinderungen erhalten Förderunterricht. "Es gibt quasi kaum noch Frontalunterricht, vieles wird über Projektarbeit vermittelt", erläutert die
Schulleiterin.
In den ersten beiden Klassen gibt es darüber hinaus keine Notenzeugnisse, "um die besonderen Fähigkeiten jedes Kindes hervorzuheben und eine breitere Bewertung zu ermöglichen", so Westphal-Akhzarati. Neben den Förderschülern, die inklusiv unterrichtet werden, verlangten auch die sozialen Unterschiede der Schüler einen neuen Weg des Gymnasiums Links der Weser. "An diesem Standort können Eltern gemeinsam mit den Lehrern entscheiden, ob ihre Kinder das Abitur nach zwölf oder 13 Jahren schaffen können", hebt der Chef der Schulaufsicht Otto Bothmann die Besonderheit hervor. Die Klassengrößen seien zudem mit etwa 25 Schülern kleiner als an regulären Gymnasien. Nur mit diesem Sonderstatus unter Bremer Schulen sei in einem Bereich mit besonderen sozialen Voraussetzungen gewährleistet, dass möglichst viele Schüler das Abitur erreichten.
"Wir hoffen, dass dies ein Ort wird, an dem Kinder und Jugendliche sich wohlfühlen und an dem ihre Unterschiedlichkeit nicht als Problem, sondern als Reichtum wahrgenommen wird", wünschte sich Sabine Elfers, die derzeit noch die auslaufende Integrierte Stadtteilschule Obervieland leitet. Die Schüler selbst dagegen traten bei der Feier erfrischen normal auf: Das schönste an der neuen Schule, so berichteten sie, seien die Pausen.