
„Das Stillleben bietet einen wohltuenden Kontrast zu einer Welt, die immer schneller wird, es entführt in die Welt der Ruhe“, sagt Thomas Tiensch. „Und vielen Dingen, von denen wir umgeben sind, haften zahlreiche Erinnerungen an, denen ein Stillleben Dauer verleiht.“ Zusammen mit Christiane Böttcher zeigt er im Atelier bundt Stillleben – in Form von Fotografien und auch Malereien. Denn als Pendant zu den Werken der beiden Fotodesigner stellt Ulrike Miesen Schürmann Bilder von Dingen aus, die sie mit Ölfarben gemalt hat.
Ob mit Kamera oder Pinsel – ein Stillleben zu schaffen bedeutet, sich den Details, einer passenden Beleuchtung und einem angemessenen Hintergrund zu widmen. Die ausgestellten C-Prints, die in extrem hoher Auflösung von einem Farblaser gedruckt wurden und einen besonders hohen Farbumfang haben, werden von Speziallaboren mit großem Aufwand hergestellt und liefern Fotos von außergewöhnlicher Qualität. Dabei können die Grenzen zwischen Fotografie und Malerei unscharf werden: Tulpen in einem Korb, mit flachem Seitenlicht beleuchtet, gleichen fast einem der akkuraten Stillleben der holländischen Meister im 17. Jahrhundert.
„Ich verwende die Lampen im Studio für die Fotografie, als wenn es Kerzenlicht wäre“, sagt Christiane Böttcher, die wie Thomas Tiensch an der Hochschule für Künste studiert und mit ihm früher vor allem im Bereich Reisedokumentation gearbeitet hat. „Manche Dinge haben für mich etwas Geheimnisvolles, wie der Granatapfel“, sagt die Fotografin. Und auf einem messinggetriebenen Räuchertisch sieht der Besucher ihn in seiner Schönheit wie zum ersten Mal. Auf vielen Fotografien im Atelier bundt ist die Lichtregie so ausgefeilt, dass eine fein gestaffelte Räumlichkeit erzeugt wird.
Gestochen scharf abgebildet sind auch die vielen kleinen Dinge, die Ulrike Miesen-Schürmann mit Ölfarben malt. „Bei meinen Bildern soll man den Pinselstrich sehen“, sagt sie, das unterscheide sie von den aalglatten Darstellungen des Fotorealismus. Für sie zählen Stillleben zur schwierigsten Gattung in der Malerei. „Wenn man das Genre beherrscht, kann man eigentlich alles malen“, sagt sie, die zum Beispiel einen Kohlrabi oder ein gekochtes Ei auf einer Art Theaterbühne platziert, auf der sie einen passenden Untergrund – zum Beispiel einen grauen Stein – mit ausgewähltem Hintergrund, arrangiert.
„Ich beschränke mich bewusst auf Weniges, auf das, was ich liebe – und was damit auch dichter an mir dran ist“, sagt die Künstlerin. Wie der akkurat gemalte Löffel, das Messer und die Gabel, in deren Spiegelungen auf dem Metall sogar ein Teil von ihr selbst zu sehen ist. „Das ist noch mein Kinderbesteck, und ich bin in jedem der Bilder enthalten, wenn auch stark verzerrt.“
Sie sei schon als Kind über die holländischen Meister gestolpert, die zum Beispiel Speisen wie Käse, einen Schinken oder frisches Obst mit extremer Genauigkeit – oft mit einem einzigen Haar gemalt – wiedergeben. „Meine Begegnung mit der niederländischen Malerei ging weit über das bloße Angucken hinaus“, sagt Ulrike Miesen-Schürmann. Wenn sie heute etwas geschenkt bekommt, betrachtet sie die Dinge genau, und wenn sie von ihnen berührt wird, greift sie zu den Ölfarben: „Der Weihnachtsbaumkeks zum Beispiel war so schön, dass ich ihn malen musste, bevor ich ihn esse“, sagt sie. „Ich gehe auch über den Markt und schaue mir die Lebensmittel genau an. Ich greife nicht einfach ins Regal im Supermarkt oder in den Kühlschrank.“
Auch wenn Dinge des täglichen Lebens in der Ausstellung überwiegen, Phantasie ist häufig auch im Spiel. So hat Thomas Tiensch im Müll eine Gruppe von Barbiepuppen gefunden, sie mit einer roten Schleife zusammengebunden und ein Foto von ihnen gemacht: „Damit wollte ich eine humorvolle Anspielung auf Sendungen wie ‚Germanys Next Top Model‘ machen“, sagt der Fotograf. Die Puppen, die alle die gleichen Gesichter haben, verspotten die Welt der Werbung, in der ein schneller, flüchtiger Blick das Sagen hat.
Die Stillleben im Atelier Bundt strahlen hingegen die Stille aus, die dieser Gattung den Namen gab und fordern zum langsamen Sehen auf. „Stillleben unterscheiden sich wesentlich von der Produktfotografie der Werbung“, sagt Thomas Tiensch, „dort soll vor allem ein Kaufanreiz für eine Ware geschaffen werden. Hier geht es um ruhiges Arbeiten, und zu vielen Dingen kann man eine Geschichte erzählen.“ So stecke hinter einem Teelöffel die Erinnerung an die Kindheit, als die Mutter Medizin auf einem Löffel verabreicht hat. Mit solchen Erzählungen hinter den Dingen wird die Stille zugleich lebendig.
Die Ausstellung „Lebendige Stille“ ist noch bis Sonnabend, 25. Januar 2010, im Atelier bundt, Buntentorsteinweg 180, zu sehen. Die Öffnungszeiten sind dienstags, 11 bis 18 Uhr, und sonnabends, 15 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.