
Die Gerüchteküche brodelt – auch noch zwei Jahre, nachdem Anwohner am Rande des Flüsseviertels die Kreuzung Lahnstraße/Biebricher Straße blau anmalen ließen. Kritiker der nicht genehmigten Aktion glauben zu wissen, dass die Strafanzeige gegen die beiden Urheber der Bemalung zurückgezogen worden sei. Das sorgt für Empörung, zumal das Gerücht kursiert, dass auch die Beseitigungskosten des illegalen Straßenbelages von der Stadt zurückerstattet worden seien. Letzteres ist tatsächlich nie geschehen, bestätigen nun sowohl die Betroffenen selbst als auch die zuständige Behörde auf Nachfrage gegenüber dem WESER-KURIER. Die Sache mit der Strafanzeige kommt der Wahrheit da schon ein Stück näher.
Zum Hintergrund: Im Juni 2016 ließen die Aktivisten Walter Wiedenmann und Wolfgang Köhler-Naumann die besagte Kreuzung von einer Fachfirma blau gestalten – als kreativen Versuch, so argumentierten die beiden, dort die Verkehrsteilnehmer für den kritischen Bereich zu sensibilisieren. Sie wurden dabei jedoch von der Polizei gestoppt. Ohne verkehrsbehördliche Anordnung, so hieß es damals wie heute, darf niemand derartige Veränderungen vornehmen. Denn genau das gefährde die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer, anstatt sie zu verbessern. Schon kurze Zeit später ließ die Stadt den illegalen Belag wieder entfernen. Und stellte das der Fachfirma in Rechnung, die die blaue Farbe aufgebracht hatte. Letztendlich haben jedoch die Anwohner den entsprechenden Betrag übernommen. "Auch wenn dieser unverschämt hoch angesetzt war", findet Köhler-Naumann rückblickend.
Eine Rückerstattung dieser 8500 Euro habe es aber nie gegeben, sagt er. "Das ist der größte Quatsch aus dem Reich der Sagen und Märchen", ärgert sich auch Martin Stellmann vom Amt für Straßen und Verkehr (ASV) über diese Unterstellung. Das sei haushaltsrechtlich überhaupt nicht möglich. "Wir haben den Schaden für den Steuerzahler erstattet bekommen und das war's", so der ASV-Sprecher. Unstrittig ist hingegen, dass ein Abteilungsleiter des ASV wenige Wochen nach der Aktion Strafanzeige gegen die beiden Auftraggeber gestellt hatte. Und diese kurze Zeit später wieder zurückzog.
Die Staatsanwaltschaft folgte diesem Ansinnen insofern, dass sie das Strafverfahren nach Paragraf 153 daraufhin eingestellt hat, ist von Frank Passade als Sprecher der Staatsanwaltschaft zu erfahren. "Das ist die unterschwelligste Sanktion, die es gibt, und bedeutet soviel wie ein erhobener Zeigefinger unter dem Motto 'macht das nicht noch mal'", erklärt Passade. Das entspräche keineswegs einem Freispruch, denn das Vergehen bestünde weiterhin. "Wir haben aber von einer weiteren Strafverfolgung der Tat abgesehen", erläutert der Sprecher.
Vertretbar sei dies, "weil die beiden Auftraggeber der illegalen Aktion bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sind" und der Geschädigte zum Ausdruck gebracht habe, er sei an einer weiteren Verfolgung nicht länger interessiert. Immerhin hätten sich die Beschuldigten offen zu ihrer Tat bekannt und schnell den Schaden beglichen, ist ein Erklärungsansatz, der aus dem ASV zu hören ist. Abschließend zu klären ist diese Frage aufgrund einer Urlaubsabwesenheit zur Zeit nicht.
Ein Anwohner der Kreuzung, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, sieht die abgebrochene Strafverfolgung kritisch: "Das muss doch Konsequenzen haben, wenn jemand mit der Brechstange seine Vorstellungen auf der Straße einfach umsetzt." Diese Haltung kann Köhler-Naumann nachvollziehen: "Denn auch ich erwarte ja von meinen Mitmenschen, dass sie sich an Recht und Gesetz halten." Doch angesichts der Versäumnisse der Stadt, die seiner Ansicht nach geltendes Recht wie das Freihalten der Fünf-Meter-Zonen und Gehwege nicht konsequent umsetze, bereue er nicht, die blaue Kreuzung angemalt zu haben. "Das hat sehr viel in Bewegung gebracht", findet er. Gleichsam hat die entschiedene Reaktion der Stadt offenbar Eindruck hinterlassen. Köhler-Naumann: "Wir hätten nicht gedacht, dass die Stadt den Belag so schnell entfernen lässt und umgehend eine Strafanzeige stellt."