
Im Gänsemarsch läuft eine Gruppe Frauen und Männer auf dem Woltmershauser Weserdeich entlang, schaut hinter Büsche und deutet auf Kleingärten, Bäume und Sportanlagen. Es ist die Deichschau-Kommission, die wie jedes Jahr im Herbst ihre Aufgabe wahrnimmt, den Zustand des Hochwasserschutz-Bauwerks am linken Weserufer in Bremen zu untersuchen. Auch wenn es an dieser Stelle schon fast ausgedient hat. Denn in den kommenden Jahren wird sich der Anblick des Deichs in weiten Teilen stark verändern, der Rablinghausen und Woltmershausen von der Weser abschirmt. Ein neuer und bis zu einem Meter höherer Gründeich wird dann die Spundwand ersetzen, die heute noch überwiegend für Sicherheit bei extremen Hochwassern sorgt.
Fachfrauen aus der Umweltbehörde sind ebenso bei der Deichschau mit dabei wie einzelne Beiratsmitglieder und Ortsamtsleiter aus dem Bremer Süden sowie Deichhauptmann Oltmann Lampe und Michael Dierks vom Deichverband am linken Weserufer. Durch seine Uniform besonders ins Auge sticht Heiko Deiß von der Bundeswehr. „Ich bin mit dabei, um Kontakte zu knüpfen und die Örtlichkeit genauer kennenzulernen“, gibt er Auskunft. Sollte die Bundeswehr im Katastrophenfall um Hilfe gebeten werden, könne diese dann besser helfen.
Die mögliche Katastrophe, von der er spricht, wäre ein extremes Hochwasser, das über den Deich zu schwappen droht oder sich Wege durch unentdeckte Schadstellen sucht. Damit es so weit besonders angesichts der voranschreitenden Klimaveränderungen gar nicht erst kommen kann, wird der Deich auf Basis des „Generalplan Küstenschutz“ nun neu und deutlich höher aufgebaut als zuvor. Nachdem die Planungen sich zuletzt um mehrere Jahre verzögert hatten, hofft Dierks darauf, dass die Baumaßnahme bald beginnen kann.
Wenn während des bevorstehenden Genehmigungsverfahrens alles glatt laufe, könne frühestens im Sommer 2021 mit ersten Arbeiten begonnen werden, um den eigentlichen Deichbau vorzubereiten. Dazu zähle, stellenweise Bäume und Sträucher zu entfernen und die Baustraßen anzulegen, die allesamt außendeichs verlaufen werden, „um die Belastung für die Anwohner in der ersten Reihe möglichst gering zu halten“, sagt Dierks. Außerdem könnten zeitgleich auch die etwa 60 Parzellisten entschädigt werden, deren Kleingärten dem neuen Gründeich weichen müssen.
Die betroffenen Vereine und der Woltmershauser Beirat drängen seit Jahren darauf, dass die Gärten möglichst schnell begutachtet werden, damit sie nicht angesichts ihres bevorstehenden Abrisses weiterhin mühsam gepflegt werden müssen. „Die Unzufriedenheit im Beirat ist groß, dass sich das Verfahren dermaßen lange hinzieht“, sagt Ortsamtsleiterin Annemarie Czichon dazu. Doch ohne rechtskräftigen Planfeststellungsbeschluss sei das bislang noch nicht möglich gewesen, „auch wenn wir die betroffenen Kleingärtner gerne früher entschädigt hätten“, versichert Dierks.
Nach den Vorbereitungen beginnen die Fachleute dann voraussichtlich mit dem Bau von zwei neuen Deichscharten auf Höhe der Duntzestraße und des Hansaweges. Außerdem wird der Deichkörper – angefangen beim Spiel und Wassergarten – flussabwärts Schicht für Schicht aus Baggergut und einer Deckschicht aus Klei aufgetragen und mit speziellen Walzen fest gedrückt. Damit eine dichte Rasenschicht den Deich schützen kann, braucht es zum Abschluss dann noch etwas Oberboden, auf dem die Grassamen sprießen können. Das gesamte Material wird über die Senator-Apelt-Straße herangefahren, um die schmalen Wohnstraßen am Rande der Baustelle nicht zusätzlich zu belasten.
Während der Deichschau erscheint es noch schwer vorstellbar, wie stark sich das Ortsbild durch den neuen Gründeich verändern wird. Besonders der mittlere Deichabschnitt des Stadtteils Woltmershausen, der gut erkennbar durch die vorgelagerten Kleingärten ist, wird kaum wiederzuerkennen sein. Denn dort wird die bisherige Spundwand aus den 1970er- Jahren bis einen halben Meter unterhalb der Geländekante abgebrannt und der neue Gründeich darüber aufgeschüttet. „24 Meter Platz braucht der Deichkörper bis ins Deichvorland, das wird im Vergleich zur heutigen Spundwand viel großzügiger und offener wirken“, ist sich Dierks sicher.
Am Spiel- und Wassergarten müssen das Volleyballfeld, die Jugendhütte und die Seilbahn für den höheren Erdwall verlegt werden. Und es wird dort einen neuen, drei Meter breiten Weg auf der Deichkrone bis zum Lesumweg geben, der auch für Fußgänger und Radfahrer freigegeben sein wird. Der neue Deichverteidigungsweg verläuft stadtauswärts dann außendeichs weiter und endet am Kompassweg.
Am Ende wird der Deich zwischen 7,90 Meter und acht Meter über dem Meeresspiegel liegen und kann bei Bedarf sogar noch um weitere 75 Zentimeter erhöht werden. Dierks: „Damit stellen wir uns auf die kommenden Dekaden ein.“