
Wer jetzt durch das „holländische Viertel“ in Kirchhuchting fährt, dem fällt an einem der viergeschossigen Wohnhäuser in der Amsterdamer Straße schon von weitem ein neues farbenfrohes Wandbild ins Auge. Es zeigt auf rotem Hintergrund eine junge Frau die mit einem Lichtball spielt. Letzten November ist das 130 Quadratmeter große Fassadenkunstwerk mit der Figur Hemera entstanden, ein Gemeinschaftsprojekt der offenen Jugendarbeit im Quartier.
Urban-Art-Künstler Peter Stöcker hat das Bild realisiert, rund zehn Tage arbeitete er mit seinem Team und unzähligen Sprühdosen auf dem Gerüst am Haus. Mitgewirkt haben zudem Schülerinnen der benachbarten Oberschule Hermannsburg sowie von der beruflichen Wilhelm-Wagenfeld-Schule in Huchting. Finanziert wurde das Projekt durch Mittel des Schulvereins Hermannsburg und der Wohnungsbaugesellschaft Gewoba.
„Dieses Motiv ist allen Mädchen und Frauen des Stadtteils Huchting gewidmet“, erzählt Peter Stöcker, der Hemera aus der griechischen Mythologie als kreative Bildidee einbrachte. Als Göttin des Tages wohnt sie der Überlieferung nach in der Unterwelt und steigt jeden Morgen empor, um das Licht zu spenden. In der modernen Interpretation des Künstlers soll sie Symbol für Selbstbewusstsein und innere Stärke sein. Und das funktioniert, junge Menschen aus dem Stadtteil begleiteten die Entstehung des Fassadenbildes mit großem Interesse, auch wenn aktuell wegen der Corona-Einschränkungen nur wenige Teilnehmer mitmachen durften.
Außerdem ist Peter Stöcker hier im Quartier gut bekannt. Regelmäßig engagiert sich der 35-jährige Bremer mit seiner Agentur Lucky-Walls in sozialen Projekten. Unter anderem wurden 2018 beim TuS Huchting die Wände in der Fitnesshalle großflächig mit Graffiti gestaltet.
Dabei erklärt Stöcker den teilnehmenden Jugendlichen, wie man einen kreativen Entwurfsprozess sinnvoll durchführt und von der ersten Idee bis zum letzten Finish umsetzt. Denn bevor das Graffito an die Wand gelangt, gibt es eine längere Arbeitsphase, in der Ideen und Motive gefunden, auf Papier entworfen und berechnet werden müssen. Das große Wandbild an der Amsterdamer Straße nimmt die gesamte Giebelfassade ein, alle vier Fenster sind nahtlos integriert, da muss alles genau passen. „Dabei ist es mir wichtig, das Stadtbild mitzugestalten und Kunst frei zugänglich zu machen“, meint Stöcker.
Vom farbigen Wandbild der selbstbewussten Hemera als gelungenes Ergebnis des Beteiligungsprojektes im Quartier ist auch Mitinitiator Oliver Seyer beeindruckt. Der Sozialpädagoge an der Wilhelm-Wagenfeld- Schule kümmert sich schon seit mehr als zwei Jahrzehnten um solche Initiativen in der offenen Kinder- und Jugendarbeit vom Amt für soziale Dienste (AfSD). Als freiberuflicher Projektentwickler für Sport, Musik und Kunst bringt er Kooperationspartner zusammen. „Es geht um eine Perspektive für den Stadtteil, für die Familien die hier wohnen, das Umfeld attraktiv zu gestalten“, sagt Oliver Seyer. Wertvoll sei immer wieder die Beteiligung der verschiedenen Institutionen und Einrichtungen mit direkter Teilhabe der Bewohner.
Genauso sieht es auch die Wohnungsbaugesellschaft Gewoba, die oft mit diesen Netzwerken zusammenarbeitet und damit auch in anderen Bremer Stadtteilen gute Erfahrungen macht. „Diese Stadtteilbezogenen Projekte führen aus unserer Sicht zu Identifizierung“, sagt Geschäftsbereichsleiter Hans-Hermann Schrader. Bei Gebäude-Modernisierungen und Neubauvorhaben stelle die Gewoba gerne Flächen bereit. Die Mieter freuten sich über Kunst an den Wohnhäusern. Dabei achtet die Wohnungsbaugesellschaft auf sorgfältige Ausführung, mit entsprechender Grundierung und abschließender UV-Schutzversiegelung.
Weitere Wandbilder sind geplant, sodass in Huchting quasi eine künstlerische Sichtachse entstehen kann.