
Fünf Monate später ist es Zeit für einen Klassenbesuch. Wie läuft der Plan der Bildungsbehörde, eine Dependance der preisgekrönten Schule an der Valckenburghstraße aus dem Boden zu stampfen? Ein Umzug aus der Oberschule in Mobilbauten steht kurz bevor, Jahre später soll die neu gebaute Helene-Kaisen-Grundschule am Standort die neue Heimat für die Mädchen und Jungen sein. Wie geht es den Sechsjährigen, die mitten unter Teenagern die Schulbank drücken? Bei „Füchsen“ und „Seehunden“, den beiden Klein-Lerngruppen der Erstklässler, sind die Antworten zu finden: Sie fühlen sich offensichtlich sehr wohl.
Die „Füchse“ malen gerade das E in die Luft. Der neue Buchstabe wird sie die kommende Stunde begleiten – auf Arbeitsblättern, Klebebildern, in Lernheften, klingenden Büchern und vielem mehr. Die „Seehunde“ brüten währenddessen über Rechenaufgaben im Nachbarzimmer, experimentieren mit Spiegeln oder entspannen zwischendurch mit Bilderbüchern und Spielen. Jedes Kind lernt in seinem eigenen Tempo an Lerninseln, so wie in den jahrgangsübergreifenden Gruppen am Buntentorsteinweg. „Die Zweitklässler fehlen natürlich, aber ansonsten hat die Behörde ihr Versprechen gehalten, das Konzept auch an der neuen Schule zu übernehmen“, bestätigt Elternsprecherin Bettina Mommert. Das war ihr wichtig, wo sie schon auf den sicher geglaubten Platz für ihren Sohn an der mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichneten GBS verzichten musste.
Für das Chaos während der zurückliegenden Schulanmeldung hat sie hingegen weiterhin kein Verständnis. „Es war unmöglich, die Familien erst so kurzfristig zu informieren“, ärgert sie sich. Dennoch habe sich die Notlösung als eine gute entpuppt. „Wir Eltern sind sehr zufrieden mit dem, wie die Kinder dort angekommen sind.“ Die Angst vor den Oberschülern sei unbegründet gewesen. Und die kleinen Pioniere am neuen Grundschulstandort hätten zudem einen Vorteil gegenüber Altersgenossen: Sie lernen in halber Klassengröße und bekämen daher mehr Aufmerksamkeit von den Lehrern als üblich.
„Sie finden es eigentlich nur doof, dass die Älteren sie süß finden“, beschreibt Jan-Christian Jerko das Befinden seiner Schützlinge. Der Lehrer ist gemeinsam mit seiner Kollegin Claudia von Zmuda und zwei Sozialpädagoginnen für die Grundschüler zuständig und empfindet den Neuanfang in Huckelriede als gelungen. „Wir sind hier sehr willkommen, das merkt man an vielen Stellen“, merkt auch von Zmuda an. Zwei Klassenräume in einem Turm, in dem Naturwissenschaften unterrichtet werden, hat WKO-Schulleiter Oliver Seipke extra für die Schulanfänger freigeräumt, obwohl die Oberschule selbst in Platznot ist. Mensa, Bibliothek, Sporthalle und Schulhof teilen die Großen seither mit den Kleinen.
Diese besonders enge Kooperation ist erst dadurch nötig geworden, weil die von der Behörde vorgesehenen Mobilbauten neben der Oberschule für die Abc-Schützen nicht schnell genug aufgestellt werden konnten.“Wir haben das als Schulgemeinschaft gerne möglich gemacht, weil wir auch eine große Chance für die Neustadt darin sehen“, sagt Seipke. Besonders freut ihn das Verhalten der älteren Schüler: „Ich beobachte ein schönes und verantwortungsbewusstes Miteinander und bin froh, dass die Befürchtungen der Eltern sich nicht bewahrheitet haben.“ Gelegenheit zum Austausch gebe es bereits viele: Oberschüler des Leseprofils lesen den Kleinen in der Bibliothek vor, das Schulfest hat gemeinsam stattgefunden, „Und wir können darüber nachdenken, auch pädagogisch voneinander zu lernen“, zeigt sich Seipke offen für einen regen Ideenaustausch.
Ein gemeinsamer Bildungscampus mit den Klassenstufen eins bis zehn ist ein lang gehegter Wunsch von dem Schulleiter, der auf erfolgreiche Modellschulen mit ähnlichem Konzept in Städten wie Hamburg verweist. Seipke träumt sogar von einer Oberstufe vor Ort, damit die Schüler ihre gesamte Schullaufbahn dort bis zum Abitur durchlaufen können ohne schwierige Übergänge.
Er weiß, dass das noch nicht realisierbar ist, aber die neue Helene-Kaisen-Grundschule (HKG) ist bereits Wirklichkeit geworden, zumindest auf dem Papier. Kürzlich hat die Bildungsdeputation die Schulgründung beschlossen, im Schuljahr 2018/2019 soll die Dependance bereits als eigenständige Schule umgewandelt sein und in den Mobilbauten neue Erstklässler begrüßen. Zunächst wird nur eine neue Klasse auf die Lerngruppen verteilt, später soll die neue HKG dreizügig laufen. In welcher Form dann die wachsende Grundschule ein neues Gebäude errichtet werden kann, wird derzeit in einer Machbarkeitsstudie geprüft.
„Nicht nur die Kinder, sondern auch die Lehrer werden die Basis für die neue Grundschule sein“, versichert indes auch Monika Triba, Leiterin der Grundschule am Buntentorsteinweg. Die „Füchse“ und „Seehunde“ freuen sich schon auf ihren bevorstehenden Umzug in die Mobilbauten. Am Montag könnte es losgehen, der konkrete Termin hängt aber noch vom Umzugsunternehmen ab. Vier Klassenzimmer, zwei Spielräume und noch einige weitere Räume sind in den Flachbauten auf der Bezirkssportanlage neben der WKO zu finden. Die sechsjährige Paula von den „Füchsen“ stellt bei einem Rundgang durch die leeren Räume aufgeregt fest: „Hier gibt es so viele Türen und viel zuviele Zimmer für uns.“