
Seit 1991 war sie dort in unterschiedlichen Funktionen tätig, zuletzt seit Januar 2012 als Leiterin. Lediglich ein paar Jahre Erziehungsurlaub unterbrachen ihren täglichen Arbeitsweg in die Kornstraße 315. „Dass ich nach meinem Erziehungsurlaub wieder hier gelandet bin, war aber Zufall. Eine andere Stelle war seinerzeit nicht für mich frei“, erzählt Andrea Stiepani.
Ihre Verbundenheit mit dem Haus ist gleichwohl kein Zufall, denn in den über zwei Jahrzehnten ihrer Tätigkeit dort hat sie die Einrichtung natürlich mitgeprägt. Wenn sie das Kinder- und Familienzentrum nun zum 1. April verlässt, geht sie daher zwangsläufig mit dem sprichwörtlichen lachenden und weinenden Auge. Stiepani freut sich auf ihre neue Stelle als Fachberatung im Bundesprogramm Sprach-Kitas. Andererseits weiß sie doch jetzt schon, dass sie die vertraute typische laut-lebendige Umgebung einer Einrichtung mit über 110 Kindern vermissen wird. „Aber natürlich bleibe ich dem Haus als Ansprechpartnerin in Sachen Sprachförderung verbunden“, verspricht die 52-Jährige, die in der Neustadt lebt.
Sprachliche Bildung war von Anfang an ihr Thema. Schon als Stiepani 1991 als sogenannte Integrationspädagogin in Huckelriede anfing. „Damals hat sich ja noch keiner Inklusionskonzepte vorgestellt. Wir hatten Integrationsgruppen mit einigen wenigen Kindern mit Beeinträchtigungen“, erzählt die Sozialpädagogin.
Herausfordernde Kinder und Familienverhältnisse gab es aber von Anfang an. Huckelriede galt und gilt nach den Worten der Neustädterin teilweise noch immer als sozialer Brennpunkt. Heute wie Anfang der 90er-Jahre ist zum Beispiel der Anteil von Kindern mit Migrationserfahrung im Stadtteil und dementsprechend in der Kindertagesstätte überdurchschnittlich hoch. Auch die soziale Situation der Eltern etwa durch prekäre Arbeitsverhältnisse war und sei teilweise schwierig. Daher habe man vor Ort schon als Familienzentrum in den Stadtteil hineingewirkt, als die Einrichtung auf dem Papier noch eine ganz normale Kindertagesstätte gewesen sei.
Intensive Elternarbeit weit jenseits der obligatorischen Elternabende stand somit schon früh auf Stiepanis Arbeitszettel. Das bedeutete etwa Elterncafés am Nachmittag als offener Treff zum Erfahrungsaustausch. „Durch die Betreuung der Kinder haben wir eine Nähe zu den Eltern, wie ihn normale Ämter nicht haben“, weiß die Mutter zweier Kinder. Die Hemmschwelle, eigene Probleme und Sorgen zu offenbaren wurde niedriger. Als Reaktion darauf gab es auf die Bedürfnisse abgestimmte Beratungsangebote. „Wir hatten zum Beispiel über lange Zeit Schuldnerberatungen im Haus“, erzählt die Leiterin des Kinder- und Familienzentrums, die diese Aufgabe ab dem nächsten Monat in die Hände ihrer bisherigen Stellvertreterin Simone Eggers übergibt. Möglich sind solche Angebote nur durch intensive Kooperation und Vernetzung mit anderen Institutionen vor Ort und auch überregional.
„Wir sind etwa von Beginn an Schwerpunkt-Kita im Bundesprogramm Sprachförderung“, berichtet Andrea Stiepani. Und aktuell beteilige man sich natürlich an dem kommunalen Förderprogramm „Wohnen in Nachbarschaften (WiN)“. Das bedeutet in der Praxis den regelmäßigen Besuch des „Lokalen Forums Huckelriede“, in dem sich rund alle acht Wochen Vertreterinnen und Vertreter der im Gebiet tätigen Einrichtungen, Vereine, Ämter und Behörden mit Bewohnerinnen und Bewohnern treffen, um gemeinsam Projekt-Ideen zu beraten und über die Fördermittel zur Quartiersentwicklung zu entscheiden. Für ein solches Engagement sind ein motiviertes Team und eine gute Organisation der Arbeit und der Arbeitszeit wiederum unabdingbar. Beides war in den zurückliegenden fünf Jahren in ihrer Position als Leiterin der Einrichtung Stiepanis Hauptanliegen. „Und natürlich stoßen wir dabei an Grenzen und können nicht alles realisieren, was wir uns vorstellen, aber wir gucken vor allem danach, was möglich ist, und suchen nicht nach Gründen, warum etwas von vornherein nicht gehen kann“, beschreibt die 52-Jährige ihre Philosophie.
Das entspricht auch dem eingangs erwähnten veränderten Blick auf die Kinder. „Auch da gucken wir heute viel stärker auf das, was sie schon können, und nicht so sehr auf die Defizite“, betont Andrea Stiepani. Dieser Fokus auf die Stärken bedeute eine positivere und individuellere Grundwahrnehmung der Kinder, als der bis vor vielleicht noch zehn Jahren übliche pädagogische Blick auf die Schwächen.
Parallel dazu haben sich aus ihrer Sicht auch Erziehungsideale weiterentwickelt. Sei früher die Anpassung an die Gruppe betont worden, liege heute der Fokus auf der Selbstbestimmung des einzelnen Kindes. „Heute wird eben nicht mehr zwanzig Mal der gleiche Osterhase ausgemalt, sondern die Kinder dürfen und sollen ihre eigenen Ideen dazu umsetzen“, macht Stiepani es an einem Beispiel deutlich. Eine Pädagogik, die auf die Bedürfnisse und den Entwicklungsstand des einzelnen Kindes eingehe, bedeute daher zwangsläufig gestiegene Anforderungen. „Das hat sich verändert, nicht die Kinder oder die Eltern.“